QH,b. 170 Qiugentroft (Euphrasia) au3 ben ftaffatpen
Original öon S). ® O p fer, ® u n # en
bas ß d ) a u m t t a u t ober aber bas gemeinbetannte © t i e f m ü t t e r -
d) e n. SBir haben nocb oiel zu wenig ©inblid in bie geheimen ©efeße unb Qu-
fammenhänge, bie fid; ba in ber bünnen, reinen Suft ber Hößeu übet; 1500 m
abfpieten. 2Bir fennen überhaupt bas 2Befen ber Pflanje nod> oiel ju toenig,
um Berftänbnis bafür ju getoinnen, wiefo es Eommt, baß fie unter ungünftigen
llmftänben ipre gewöhnliche Sebensweife aufgibt unb allerlei Hilfsmittel ßer-
oorgebrad;t l>at, um fid) ju erhalten, oon benen eines, nämlich bas „Sebenbig-
gebären“ bes Bifpengrafes uns fd>on entgegengetreten ift. ©in anberes Büttel,
um ficf> oon ben unjuoerläffigen Elimatifd)en 93ert>äitniffen unabhängig zu machen,
haben bie oielen Pflanzen angetoenbet, bie auf ben Bergen ihre Beftäubung
felbft beforgen. Blan bat zwar früher bezweifelt, baß für fie eine fold>e Bot-
wenbigteit oorliege, ja in bem maßgeblichen SSOerEe über bie Sllpenblumen hat
H e r m a n n 221 ü 11 e r fogar behauptet, baß biefe in ber Beftäubung
günftiger geftellt finb, als ihre ©enoffen im glad>lanb, ba bie Blpenhöße oon
bebeutenb zahlreicheren QnfeEten beioohnt toirb. ©iefe 2lnfid)t ließ fid) je-
bod) nicht aufrecht erhalten, ©urd; blütenbiologifche ©tatiftit hat es fich
über jeben Sroeifel erheben laffen, baß mit ber Hbhe auch bie ©e l b f t b e -
ft ä u b u n g ebenfo zunimmt, toie in ben polaren ©egenben, bie auch >n biefer
Beziehung an bie Sllpen erinnern. SSÖenn in ber © t u t t g a r t e r Umgebung
an 4 6 p ro j. ber Blumen ©elbftbeftäubung neben bem 3nfe(tenbefud; betreiben,
fo erhöht fich ihre 8 a(>t in ber grönlänbifcßen glora auf 58 Proz., in ber
unteren Sllpenregion fogar auf 66 Proz. ©ies rührt zweifelsohne baoon l;er,
baß bie SSitterungsoerhältniffe ben Blumen fo toenig Seit gewähren, um
3nfeiten anzuloden, ©s ift bie ftarE oerfürzte Begetationszeit, bie auf bie
möglid>fteBefd>leunigung ber^rudjtbilbung hinbrängt, unb es mag erft in zweiter
Beziehung für bie Pflanze in Betracht tommen, baß bie Said ber erfolgreichen
Blumenbefud)a burch Snfeften an fich geringer ift, als im ©ieflanb.
©s ließe fich e*n eigenes Buch über bie intereffanten unb oerwidelten
©inridjtungen fd;reiben, burch welche bie Pflanzen ber Berge ihre ©elbftbeftäubung
herbeiführen, ©s ift hierbei ein ,,©d)arffinn“ aufgewenbet, ben man
felbft einem iwdnntelligenten Siere nid)t Zutrauen möchte unb ben fogar ber
OJlenfch noch nicht in allen fjällen burchfchaut hat. ©ie ‘pflanze tritt babei ganz
aus bem gewohnten Nahmen ihrer Betätigung, fie bequemt fich Zu Bewegungen,
fie regelt ihr SBacfstum in ganz beftimmter 2Beife unb trümmt baburch ihre
©taubbeutel ober ©riffel ober ben Blütenftiel; es iommt fogar zu einer „SÜoorbi-
nation“, zu einem finnoollen Sufammenwirten oerfchiebener Bewegungen —
alles, bamit ber ©nbzwed, bie Belegung ber eigenen Barbe mit Blütenftaub
erreicht wirb, ©ines ber reizenbften Beifpiele hierfür gewährt ber winzige
Sl ugent r of t (Euphr a s i a ) , ber im ©pätfommer alle Blatten unb Ho<f>'
weiben mit Blillionen Eieiner weißbunter Blüten beftidt. ©olange noch 2lus-
ficht auf 3nfeftenbefud; ift, ftredt er feinen larigftieligen ©riffel aus ber Blüte
weit über bie BIumenftaubbef)älter beroor unb oertnnbert fo bie ©elbftbeftäubung,
bie beEanntlich für pflanzen ebenfowenig wünfd;enswert ift, wie im
menfehüchen Seben bie ©he unter Blutsoerwanbten. Bäl>ert fich jebod; bie
Blüte bem ©nbe ihres Sehens, bann bequemt fie fid; in zwölfter ©tunbe bennod;
Zu bem fonft Bermiebenen unb wenn man fie zu Haufe beobachtet, gelingt es
leicht, bie eine ober anbere babei zu überrafchen, wie fie nun auf einmal ben
©riffel umbiegt unb fo wad>fen läßt, baß bie an feinem ©nbe befinbliche Barbe
unter bie ©taubbeutel gelangt, bal>er automatifcf) mit beren 3 nf)alt beftreut wirb.
©ine biefer fich felbft beftäubenben 2llpenpflanzen hat es baburch fogar zu
einem gewiffen But>m gebracht, als eines ber mertwürbigften Beifpiele für bas
pflanzliche 3 unenleben. ©ie ©ad)e ift fo anziefjenb unb oon folcher SBicßtigteit,
baß ich rnir ©anE zu oerbienen glaube, wenn ich füer bas wiebethole, was ich
im oierten Banbe meines SöerEes über „bas Seben ber Pflanze“ barüber ge-
fagt habe.
,,©s ift fd>on feit langem beEannt“, fchrieb ich bort, „baß in einer ©egenb,
wo oiele SufeEten finb, bie meiften Pflanzen oorwiegenb ober ausfcßließlid;
auf g r e m b b e f t ä u b u n g regnen, ©in zweiter ©rfahrungsfaß ber
Blütenbiologie lautet, baß biefelbe Pflanze, bie in ber infeEtenreichen ©egenb
oorwiegenb ber jjrembbeftäubung angepaßt ift, an Orten mit fpärlicf>em Befuch
bie © e l b ft b e ft ä u b u n g häufiger ober ausfddießlicf) ausiiben Eann. Biele
Blumen finb enblid; auch f° eingerichtet, baß fie am Slrtfang ber ffrembbeftäubung
angepaßt erfcheinen, baß aber am ©chluß ber Blütezeit, falls fich bis bortfnn
(ein Blütenbefud)er eingefunben hat, mit größter Sicherheit bie ©elbftbeftäubung
erfolgt. 22tan erEennt ohne weiteres bie Steigerung, bie in biefen brei ©äßen
gelegen ift.
©in neuerer ©chweizer Botaniter, Dr. 21. © ü n t t j a r t , erwähnt