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günstige JahrszeiC nicht verstreichen lassen, um die Untersuchung
Rüste von Sachalin sobald als möglich zu unternehmen :
allein um 5 Uhr wandte sich der Wind ■} und wir mufsten der
Bay Rakowyna gegenüber den Anker fallen lassen.
Den ersten Juli Morgéns um io Uhr ging der Wind, der diese
Tage beständig aus Süden gewehet hatte, nach Norden um, ich
traf daher sogleich Anstalten in See zu gehen. Kaum aber waren
die Segel losgebunden, so wandte sich der Wind abermals
nach Süden, $ So unangenehm dieser neue Aufenthalt für uns
war, so gewährte er uns doch die Freude, dafs wir Nachmittags
um 3 Uhr die angenehme Nachricht von der Ankunft des Gouverneurs
erhielten. Ich eilte sogleich zur Stadt. Durch den
jetzt überall schmelzenden Schnee waren die Ströme, sehr angeschwollen,
und so reifsend geworden, dafs die Reise des Gouverneurs
über alle Erwartung verzögert, und er schon die Hofnung
aufgegeben hatte, uns noch hier anzutreffen. Seine Reise von
Nishney Kamtschatsk war aufserordentlich beschwerlich, und oft
mit der augenscheinlichsten Gefahr verknüpft gewesen. Nishney
Kamtschatsk ist beinahe 700 Werst von Petropawlosk. Die
gröfsere Hälfte des Weges, bis zur Stadt Werchnoy, mufs auf
dem Kamtschatka Flufs in einem elenden Boote gemacht werden.
Wenigstens 10 Tage fährt man in diesem Fahrzeuge stromauf.
Der Reisende liegt während dieser Zeit ausgestreckt im Boote,
welches von Kamtschadalen, die sich bey jedem Ostrog ablösen,
Tag und Nacht hindurch nahe am Ufer mit langen Stangen
fortgestofsen wird. Könnte man diese Reise in einem bequemen
und bedeckten Boote machen ,. in welchem man aulser der Bequemlichkeit
einer geräumigen Kajüte, Raum für Provision aller
Art, und eine Küche antrift, wie diefs in China, Japan, Surinam
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und in mehrern Europäischen Ländern der Fall ist: so hätte
man doch einige Schadloshaltung für die Langeweile auf einer
Fahrt von 8 bis zo Tagen,' auf der nur Gegenstände sich dem
Auge darbieten, welche Stoff zu den traurigsten und melancholischsten
Eindrücken und Betrachtungen geben. Bey der peinlichen
Lage , in der man eine so lange Zeit hindurch im Boote
zubringen mufs, ist man jeden Augenblick, besonders des Nachts,
der Gefahr zu ertrinken ausgesetzt, indem das Boot sehr leicht
bald durch einen Windstofs, bald durch Anstofsen an Baumstämme
, deren sehr viele im Flufse herumtreiben , umeeworfen
werden kann. Diefs Unglück wiederfuhr in der That dem Gouverneur
auf seiner Rückreise nach Nishney. Nur- die Liebe
eines seiner Begleiter, der mit der höchsten Lebensgefahr ihn
bey den Haaren ans Ufer zog, rettete ihm das Leben.
Solche Reisen oft zu machen, dazu gehört die Thätigkeit
und der nicht zu ermüdende Eifer eines Kosclieleff. Vor kurzem
war er voA Ishiginsk, einer Stadt seines Gouvernements,
welche i 5oo Werst von Nishney Kamtschatsk entfernt ist, zurückgekommen.
Er hatte diese Reise mit Hunden, zwar geschwinder
,: aber mit eben so grofsen Beschwerden und Gefahr
gemacht, wie jene zu Wasser. Er besuchte diesen entfernten
Theil seiner Provinz , um bey den Tschuktschen, welchen man
Verardafsung'zur Unzufriedenheit mit den Rufsen gegeben hatte,
die entstandenen Unruhen zu stillen. Die Tschuktschezi sind die
einzige Nation im nördlichen Sibérien, welche sich bis jêtzt noch
nicht unbedingt dem Rufsischen Scepter unterworfen hät, wenn
sie gleich Rufslands Oberherrschaft anerkennen und Tribut zahlen.
Sie hatten den Gouverneur bitten lassen', ihm persönlich
ihre Klagen vortragen zu dürfen. Da er ihnen versprochen hatte,
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