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Sitten und ohne Erziehung, besonders beym Militair. Die Matrosen
auf der Resolution und Discovery zeigten die nämlich'e Disposition,
ohne indefs den Hang zu geniefsen befriedigen zu können, wie
sich aus "folgendem Auszuge von Capitain King aus Cook’s dritter
Reise Seite 368 des dritten Bandes der Original Ausgabe sehen
läfst. „ Unsere Matrosen hatten von der Küste von Amerika
„eine grofse Menge Pelzwerk mit sich gebracht, und waren nicht
7.7. wenioe über den hohen Preis entzückt, den die Kaufleute ihnen
„ in Silber aus zahl teil; allein da sie ihr Geld weder in Wirths-
„häusern verzehren, noch Tabak oder sonst etwas, das für sie
,reinen Werth hatte, kaufen konnten, so fielen ihnen die silber-
„nen Rubel zuletzt so sehr zur Last, dafs sie sie oft'voll Verach-
„ tun“ auf dem Verdecke mit den Füfsen von sich stiefsen, wie
„ich diefs mehreremal gesehen habe.“
Brodt und Salz sind unstreitig zwey Artikel,, an welchen es
dem ärmsten Bettler in Europa nicht mangelt. Allein in Kamtschatka,
wo wegen der vergröfserten Anzahl des Militairs, die
Consumtion von Brodt ansehnlich, und der Transport so sehr
beschwerlich und kostspielig ist, bekömmt der Soldat nur seine
halbe Ration au Mehl, die andere Hälfte wird ihm zwar in Gelde
ersetzt, jedoch nicht immer zu dem Preise,, dafs er es dafür ein-
kaufen könnte; denn Mehl ist in Kamtschatka keine Waare, welche
der Kaufmann zum V erkauf einführt, weil es oft durch den
Transport leidet, und die Kosten alsdann verloren gehen, da hingegen
Brandtwein immer einen reinen, schnellen und sehr sichern
Profit abwirft. Es hat also das Mehl dort keinen eigentlichen
Preis, doch schätzte man das Pud etwa zu 10 Rubel. Um es für
diesen Preis zu kaufen, reicht aber das Geld des Soldaten nicht immer
hin, und es würde weit besser für ihn seyn, wenn er seine volle
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Ration Mehl in natura bekäme. Hievon glaube ich würde auch
in Kamlschatka nichts übrig bleiben, nicht nur, weil dem Soldaten
sein gewohnter Schtschy und Fleisch fehlen, sondern auch,
weil das Mehl durch den langen Transport in ledernen Schläuchen
sehr leidet, und folglich nie die ganze. Lieferung verbacken
werden kann. Eben so ist es auch mit der Grütze. An Fischen
fehlt es ihm zwar nicht, und während des Sommers gewähren
diese eine gesunde und schmackhafte Nahrung, im Winter
aber mufs er sie in einem gedörrten Zustande .'(in welchem sie
in Kamtschatka den Namen Julcula führen) ohne die geringste
Zuthat essen. Ohne Abwechslung mit andern Speisen mufs eine
solche Nahrung der Gesundheit des Soldaten schädlich werden.
An Salz ist der Mangel noch gröfser als an Mehl; man sah
in der That bey unserer Ankunft einige Pfund Salz als ein bedeutendes
Geschenk an, und so grofs auch der Hang zu Brandtwein
in Kamtschatka ist, so wurde doch von denjenigen, die uns
Fische, Beeren, oder Wild brachten, etwas Salz mit sehr viel
gröiserer Dankbarkeit angenommen , als wenn ihre Mühe mit
Brandtwein, den ich ihnen fast niemals gab, bezahlt worden wäre.
Würde hier kein Mangel an Salz seyn, und würde es zu einem
billigen Preise verkauft werden, so wäre man nicht gezwungen,
Fisch blofs in einem gedörrten Zustande zu essen, gesalzener-
Fisch wäre wenigstens eine sehr angenehme Abwechselung; und
zu wie vielen andern Bedürfnifsen braucht man nicht dieses al-
lernothwendigste Gewürz ? Ein jeder Soldat bekömmt monatlich
1 Pfund Salz, der Kamtschadale aber keins. In der Nahe von
St. Peter und Paul sind zwey Salzsiedereyen gewesen, welche hinlänglich
Salz zur Consumtion von ganz Kamtschatka geliefert haben
, beyde sind aber schon seit mehrern Jahren eingegangen.
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