
Ein Schiff von ungefähr i 5o Tonnen, wie die Maria, ist für
eine Mannschaft von 70 Personen , den Capitain , die Offiziere,
die Agenten der Compagnie, und andere Passagiere ungerechnet,
zu klein , selbst wenn es keine besondere Ladung an Waaren
hätte. Diefs Schiff war aber ganz beladen. ; Die: Kranken ,' deren
Zahl sich auf 20 belief, hatten kaum hinlänglichen Raum,
wenn sie die geringste Bequemlichkeit geniefsen sollten, und eis
war folglich für mehr als 5o Personen durchaus kein Zoll Raum
unter dem Verdecke vorhanden. Diese mufsten also entweder
auf dem Verdecke schlafen ; welches wohl auf einer Reise von
Acapulco nach Manilla nicht schädlich, aber in dem rauhen Klima
von Kamtschatka' und Kadiak gewifs höchst; zerstörend für
die Gesundheit ist ; oder sie mufsten, buchstäblich gesprochen,
einer auf dem andern liegen. Hängematten gab és, hier gar
nicht. Jeder legte sich in seinen Kleidern da hin, wo er konnte.
An Kleidungsstücken herrschte die gröfste Arnruth : Zerlumpt-
heit und höchster Schmutz charäkterisirte alle; nur einige, wenige
trugen Hemden , die meisten waren trotz der Wärme« des
Junius in schmierige Pelze gehüllt. Fast alle trugen Lnge Bärte,
mit ungewaschenem Gesicht und Händen.
Wir besahen die Kranken. Diese Unglücklichen , in
welch einem alles Gefühl empörenden Zustande fanden
wir sie! Scorbutische und vernachläfsigte venerische: Wunden
schienen bey den meisten unheilbar, obgleich sie seit 10
Monaten auf dem Lande gewohnt, und der Hülfe des Chirur-
gus im Hafen von St. Peter und Paul genofsen -hatten. Jetzt
sollten sie auch dieser beraubt, und nach einer langwierigen Fahrt
an Oerter versetzt werden, wo entweder ärztlicher Beystand gänzlich
fehlte, oder wo er von ganz Unwissenden geleistet wird. Ich
war neugierig zu erfahren, womit auf dem Schiffe die Kranken . 18
genährt wurden: man zeigte mir zwey Fafs Salzfleisch, welches
für die Kranken bestimmt war. Ich forderte ein Stück davon
zur Besichtigung. Als das Fafs geöffnet würde , verbreitete. sich
ein so abscheulicher pestilenzialischer Geruch , dafs ich sogleich
den Schiffs Raum verlassen mufste. Diese zwey Tonnen stinkendes
Salzfleisch , und einige Säcke verschimmelten schwarzen
Zwiebacks, waren die einzigen stärkenden Nahrungsmittel für 20
Kranke, denn so grofs war 'schon die Anzahl derselben am Bord
der Maria, noch ehe sie den Hafen von St. Peter und Paul verliefe.
Wenn diefs die Nahrung der Kranken ist, so wird man
neugierig seyn , zu erfahren , was denn wohl die Gesunden hier
geniefsen ? Ihre Haupt Nahrung- besteht in Thran, und gedörrtem
Seelöwenfleisch , die vorzüglichste aber in Jukula oder gedörrtem
Fisch , wovon indefs nur eine geringe Quantität mitgenommen
wird. Statt des Zwiebacks erhalten sie, aber nicht täglich,
ein Gemisch von Roggenmehl und Wasser, welches in der
Sprache der. Promüschlenicken, Burduk heilst. Brandtwein, so
sehr heilsam für die Gesundheit er in diesem neblichten und
kalten. Meere ist, giebt man ihnen nie.
Mögen es immerhin Wagehälse und Taugenichtse seyn,
welche als Promiischleniken in die Dienste der Compagnie treten,:
so ist man dennoch verbunden, für 'ihr Leben und für ihre
Gesundheit Sorge zu tragen. Sie sind Menschen, welche zwar
ihre Kräfte verkauft, aber sich nicht dem Hunger und den
scheuslichsten Krankheiten als Opfer hingegeben haben , denen
sie doch preifs gegeben werden. Die Promüschleniken gehören
nicht zur Klasse der Verbrecher. Wenn sie Verbrechen begangen
haben, so haben sie auch die Strafe dafür erlitten, und kein
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