
gens wohl übertrieben' seyn mögen, soll er nicht geringe Kerint-
nifse besitzen, die persische und arabische Sprache mit Geläufigkeit
sprechen, und in der sogenannten Hofsprache von Delhi
vorzüglich bewandert seyn. Er besuchte nur die hier wohnenden
Mahometaner. Wenn er von jemand zum Sitzen genöthigt
ward, ging er sogleich fort, und kam nie wieder. Seit sechs Jahren
lebte er nur von Blättern und Wurzeln. Jetzt ifst er zwar
alles, aber mit der gröfsten Mäfsigkeit. Sein Lebens Grundsatz'
ist vollkommene Unabhängigkeit, und sein einziges Bestreben
bestand, wie er vorgab, in der Beherrschung seiner ^Leidenschaften.
Die Geduld zu verlieren und gereizt zu scheinen, würde
er für das grófste Unglück halten, das ihm widerfahren könnte.
Dennoch scheute er nicht nur keine Gelegenheit, sondern suchte
sie vielmehr> um seine Gedult auf die Probe zu setzen, Und ertrug
mit heldenmüthigem Stoicismus alles Ungemach, was ihm
auch in reichlichem Mafse zu Theil ward. Wenn er auf einem
Flecke stand, so stellte er eine vollkommene Bildsäule vor. Er
bewegte dann keinen Theil . seines Körpers , und verzag keine
Mine, man'-mochte ihn schimpfen und reizen, so viel man wollte.'
Nur die Augen schlug er nieder, wenn man ihn zu scharf ansah.
Zum Bewundern ertrug er Hitze und Kälte. In den Monaten
Dezember und Januar' ist es in Canton sehr kalt, Und oft
fällt das Thermometer unter den Gefrierpunkt *j. Dennoch ging
*) Den aasten Dezember batte es so stark in Canton gefroren , dafs man
Eis auf den Strafsen verkaufte. Die Chinesen kaufen Eis mit Begierde,
da sie den Glauben haben, dafs geschmolzenes Eis ein heilsames Mittel
wider die im Sommer so häufigen lieber ist. Sie heben es daher
sorgfältig in Flaschen auf, um es während ihrer Krankheit als Arzenei
zu gebrauchen.
er ohne die geringste Bedeckung in den Strafsen herum. Er war
ein wohlgebauter 'Mann, von mehr als mittlerer Gröfse, mit feurigem
Auge und regelmäfsigen Gesichtszügen. Seine Leibesfarbe
war dunkel braun, wie die. Farbe der nördlichen Hindostaner,
und sein schwarzes ..Haar stark gekräuselt. Er ging vollkommen
nackt, nur hing ein Stück grober grauer Leinwand von seinen
Hüften bis auf die Waden herab. Der Erzählung meines Ma-
hometaners zufolge, soll er nichts so sehr vermeiden, als Aufmerksamkeit
zu erregen, und er hält sich deswegen, da er allenthalben
Aufmerksamkeit erregt, an keinem Orte lange auf,
sondern reist von einem Orte zum andern. Indefs möchte sein
tägliches Erscheinen in den Strafsen wohl einen deutlichen Beweis
davon abgeben, dafs dieser Fakir, wie alle Charlatans und Reli-
gions Possenreifser , in der That. den Zweck hat, die Aufmerksamkeit
auf sich zu ziehen. Seine grofse Enthaltsamkeit und Entsagung
physischer Genüfse, werden durch Genüfse anderer Art
ersetzt, worüber freilich nur der urtheilen kann, welcher verschrobenen
Sinn dafür hat, die aber doch für so einen Schwindel Kopf
grofse Reitze haben mögen. Ich war nicht wenig erstaunt, als mir
bald darauf nachdem ich mit meinem Bekannten, dem Mahometaner,
über diesen sonderbaren Menschen mich unterhalten hatte,
von ihm der Vorschlag gemacht wurde, diesen Heiligen mit mir nach
Rufsland zu nehmen. Die Unkosten seiner Reise wollte der Mahometaner
in Gemeinschaft mit seinen Religions Verwandten in
Canton mir abtragen, und er schien keinen Zweifel daran zu
haben , dafs der Fakir in Rufsland eine wichtige Rolle spielen
würde. Auch war er nicht wenig darüber gekränkt, dafs ich
ihm seine Bitte geradezu abschlug.
Der Zustand des europäischen Handels in China hat seit