
ben, wie die Europäer, ihre Agenten in Ganten, welche aber
eständig dort bleiben, und nicht, wie die Agenten der europäischen
Nationen, des Sommers nach Macao gehen. Oie mahome-
tanischen in Canton wohnenden Kaufleute, obgleich sie für die
Chinesen eben so sehr Fremde sind, wie die Europäer, haben
dennoch die Erlaubnifs, nach der Stadt Canton gehen zu dürfen.
Einer von diesen, ein sehr verständiger Mann, der gut Englisch
sprach, erzählte uns, und seine Erzählung ward mir nachher von
mehrern bestätigt, dafs sich in Canton zwey Rufsen aufhieiten,
deren dortiger Aufenthalt nicht freywillig ist. Schon seit 26 Jahren
sind sie daselbst, und werden wahrscheinlich ihr Leben dort
beschliefsen müfsen. Der Mahometaner kannte sie beyde genau.
Nach seiner Beschreibung soll der eine ein schöner langer
Mann seyn, dessen Aeusseres eine gute Erziehung verräth. Als
der Mahometaner ihn einmal fragte , durch welchen Zufall er
nach Canton gekommen wäre, soll seine einzige Antwort ein
Strom von Thränen gewesen seyn. Auch diese Antwort beweist
schon, dafs er nicht zu einer niedern Classe von Menschen gehört.
Beyde werden nicht im Gefärignifse gehalten, sondern haben
die Erlaubnifs , in der sogenannten tatarischen Stadt f'rey
herumzugehen, sie dürfen indefs die bestimmte Gränze nicht
überschreiten. Einer von ihnen hat sogar vor vier Jahren auf
Befehl des Vice Königs heirathen müfsen. Beyde waren durch
den Mahometaner von unserm Aufenthalte in ihrer Nähe benachrichtigt,
ich hielt es aber für zu viel gewagt, einen Versuch
zu machen, sie zu sprechen, oder sie aus ihrem Gefängnifse zu
erlösen, obgleich ich diesem Gedanken anhaltend mit grofsem
Interesse nachhing.
Der Mahometaner, mit dem ich bekannt geworden war,
verschaffe mir zugleich verschiedene interessante Nachrichten
von einem sonderbaren und in seiner Art merkwürdigen Menschen,
welcher sich während unsers Aufenthalts irr Canton täglich
sehen liefs, um die Tugenden eines Heiligen auszuüben.
Seiner Abkunft nach war er ein Hindostaner, aus der Stadt Delhi
gebürtig, und gehörte zu der Classe von Menschen, welche bey
den Indianern Fakirs genannt werden. Sie wandern im Lande
herum, und ziehen durch ihre scheinbare Frömmigkeit und durch
Verachtung alles Irdischen anfänglich die Aufmerksamkeit und
Bewunderung, und zuletzt die Verehrung des Volks auf sich.
Seit zehn Jahren war dieser Fakir auf Reisen in dem östlichen
Theile von Asien, in Pegu, Siam, Cochin China, und Tonkin.
Aus Tonkin war er im September des vorigen Jahres nach Macao
gekommen. Bey seiner Ankunft wollte er auf keine Frage,
die man an ihn that, antworten, und ward aus dieser Ursache
gebunden und ins Gefängnifs geworfen. Nachdem er endlich
fünf Tage mit dem gröfsten Gleichmuth alles ertragen hatte,
was ihm nur unangenehmes zugefügt worden war, li’efs man ihn
frey, worauf er nach Canton ging. Ich sah ihn in den Strafsen
mit langsamen Schritten umher gehen, oder an der Ecke irgend
eines Hauses stundenlang stehen, von einem Haufen Zuschauer
umringt, und den beständigen Spöttereien wilder Knaben ausgesetzt,
die ihn kratzten, kniffen, zupften, mit Apfelsinen .Schalen
warfen, ohne dafs er darüber böse ward. Er theilte im Gegen-
theil Früchte und sogar Geld unter sie aus. Die in Canton
wohnenden Mahometaner, welche ihn für einen wirklichen Heiligen
hielten, und ihn mit der gröfsten Ehrerbietung behandelten
, unterstützten ihn mit Geld. Nach den mir von meinem
mahometanischen Bekannten mitgetheilteu Nachrichten, die übri