
ters zu besitzen. Ohne Fähigkeiten, ohne Energie, ohne Vorliebe
für Kenntnifse und Wissenschaften, soll er auch zu Grausamkeiten
geneigt seyn. In einem Lande, welches er unbeschränkt
beherrscht , kann er diöse Neigung zur Genüge befriedigen. Auch
sagt man, dafs er dem Trünke und einem andern sehr unnatür-
liehen Laster ergeben sey. Diese Eigenschaften, welche auf die
Regierungs Geschäfte merklichen Einflufs haben sollen, und die
Eifersucht seiner ältern Brüder, von denen noch einige am Leben
sind, die ein näheres Recht zum Throne zu haben glauben,
machen seinen Thron sehr unsicher. Vor einigen Jahren ward
schon ein Versuch gemacht., ihn ums Leben zu bringen, und in
i 8o3 ist eine ähnliche Verschwörung entdeckt worden, in welcher
der Kaiser sein Leben nur mit Mühei rettete. Die letzte
Verschwörung ist besonders beunruhigend für ihn gewesen, da
es .sich bey der Untersuchung fand, dafs die Vornehmsten seines
Ilpfes, und selbst einige aus seiner Familie mit darin verwickelt
waren. Er hielt es daher der Klugheit gemäfs, den weitern Untersuchungen,
welche darüber angestellt worden waren, ein Ende
zu machen. Das Manifest, welches er bey dieser Gelegenheit
ergehen liefs, ist in der That sowohl des Styls , als vorzüglich
der Klugheit wegen merkwürdig , welche man darin entdeckt,
um auf eine feine und anständige Art sich aus einer üblen Sache
zu ziehen. Man fand es bedenklich, den schuldig befundenen,
ihrer Würde und ihres Ansehens wegen, den Prozefs zu machen,
obgleich es bekannt war, dafs mehrere der vornehmsten Personen
des Reichs angeklagt waren, Theil an der Verschwörung genommen
zu haben. Sie ganz frey zu sprechen, wäre ein offenbarer
Beweis von Schwäche gewesen , welcher sich ein chinesischer
Kaiser in den Augen seiner Unterthanen nicht schuldig machen
darf. Der Kaiser sagte daher in seinem Manifeste: dafs die Aussagen
des Mörders falsch seyn müfsten, da er es für unmöglich
halte , dafs diejenigen , die er als die treuesten Diener seines
Staats ansähe, sich der Theilnahme eines, so abscheulichen Verbrechens
schuldig machen könnten. Man müfste den Mörder
wie einen tollen Hund betrachten , welcher Menschen anfällt,
denen er begegnet, ohne deshalb mit andern zu einem solchen
Anfälle^ verbunden gewesen zu seyn. Es giebt sogar,
heifst es im Manifeste, einen Vögel, welcher seine eigene Mutter
frifst, ohne dafs- er dazu aufgemuntert wird. Was könnte
es wohl für Mitschuldige einer so unnatürlichen That geben ?
In dem Manifeste werden namentlich, und mit besonderer Dankbarkeit,
vier seiner Holleute angeführt, welche allein dem Mörder
in die Hände griffen, und mit Gefahr ihres eigenen Lebens
den Kaiser retteten. Die andern anwesenden Beamten erhalten
sehr ernstliche Vorwürfe darüber, dafs sie bey dem Anfalle ruhige
Zuschauer blieben, und der Kaiser wundert sich , dafs unter
hunder t Personen , die ihn in dem Augenblicke des Anfalls umgaben,
nur sechs für sein Leben besorgt gewesen wären. ,,Läfst
„sich wohl bey gewöhnlichen Gelegenheiten etwas von ihnen er-
„warten, wenn sie sich bey der wichtigsten Gefahr so gleichgültig
„zeigen ? Diese Gleichgültigkeit ist es, und nicht der Dolch des
„Mörders, welche mich kränken.“ Der Kaiser schliefst mit der
niederschlagendeu Betrachtung, dafs ungeachtet seiner unermü-
deten Vorsorge für das Wohl des Staats, seine Regierung vielleicht
dennoch wohl getadelt werden könnte, und verspricht, die
Verwaltung des Staats zu vervollkommnen, und sich zu bemühen,
keine Ursache zu ähnlichen Unzufriedenheiten zu geben. Der
Verbrecher, Namens C h in - te , ein Mensch von ganz niedriger
1806.
Februar.
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