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ärmern Bauern in China bearbeitet das Land auf diese Art. Die
Güter sind selten von einer solchen Gröfse, dafs sie einen beträchtlichen
District einnehmen. Daher giebt es unter den Pächtern
keine* Monopolisten und keine Kornhändler. Ein jeder kann
seine Produkte frey, und wo er will, verkaufen. Fischereien werden
nie verpachtet. Jeder Unterthan hat das Recht, ungehindert
in der offenen See, an den Küsten, auf den Landseen, in
den Flüssen und in ihren Mündungen, zu fischen. Es giebt
keine Gutsbesitzer mit eigenen und besondern Privilegien.
18. Bestehen die vorzüglichsten Einkünfte des Beherrschers
von China in einer Grundsteuer ? Wie hoch beläuft sich
diese Grundsteuer? Wie wird sie entrichtet, in Geld oder
in Naturalien ?
A n tw o r t. Die vornehmsten Einkünfte des Kaisers von
China bestehen in der Grundsteuer, welche in dem Zehnten von
allen Produkten in Naturalien entrichtet wird. Nach einem Ver-
zeichnifse , welches Lord Macartney von dem Mandarin Chou-
ta -gin erhielt, beträgt die Summe von den in allen Provinzen des
Reichs erhobenen Taxen und Steuern 66 Millionen Pfund Sterlingö.
19. Wer hat die Verbesserung und Unterhaltung der Land-
strafsen und Kanäle zu besorgen, und auf wessen Kosten
werden sie besorgt ?
Antwort. Auf den Kanälen und Flüfsen bezahlen die Handels
Fahrzeuge einen bestimmten Zoll, der blofs zur Ausbesserung
der Brücken und Schleusen angewandt wird. Unterhaltene
Landstrafsen giebt es , glaube ich, in China gar nicht.
20. Ahmen die Chinesen europäische Kunstarbeiten nach ? Verstehen
sie Uhren zu machen ?
Antwort. Die Chinesen ahmen die meisten europä sehen
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Kunstarbeiten zwar nur unvollkommen nach , sie liefern aber
ganz vorzügliche Kunstwerke, durch sehr feine Bearbeitung des
Elfenbeins, der Schildpadde, der Perlmutter; und ihre Filagram-
Arbeiten in Gold und Silber sind sehr sauber. Sie verfertigen
Wanduhren, aber keine Taschenuhren. Auch ist es ihnen nie
gelungen, Tuch zu verfertigen.
21. Ein gemeiner Arbeiter soll grofse Mühe haben, eine Familie
zu ernähren ; die Handwerker sollen noch übler
daran seyn. Sie sollen mit ihren Werkzeugen auf den
Strafsen hemm laufen, um sich Arbeit zu erbetteln. Die
Raffinirung des Zuckers soll auf diese Art von freien Arbeitern,
welche hemmziehen, besorgt werden. Viele Menschen
sollen beständig auf -den Strömen in Böten wohnen.
Viele sollen todte Hunde und Katzen frefsen.
Antwort. Die aufserordentliche Volksmenge mag wohl
zur Folge haben, dafs der gemeine Mann oft Noth leidet. Eine
allgemeine Hungersnoth im Reiche ereignet sich daher sehr häufig.
In Canton ist es indefs nicht sehr bemerkbar, dafs der Arbeiter
und Handwerker um Arbeit verlegen wäre, obgleich es
auch dort keineswegs an Bettlern fehlte, deren höchst ekelhaftes
Ansehen das Gehen in den Strafsen sehr unangenehm machte.
Dafs die Chinesen todte Katzen, Hunde, sogar todte Ratzen essen,
davon habe ich mich mehreremal zu überzeugen, Gelegenheit
gehabt.. Einige Tonnen verdorbenes Salzfleisch, welche ich
über Bord werfen liefs, und von welchem der Geruch so abscheulich
war, dafs er sich in Whampoa mehrere Stunden lang nicht
verlor, wurden mit der gröfsten Begierde von den Chinesen aufgefischt
und im Triumph weggeführt. So wie auf dem Flufse
Tigris bey Canton eine grofse Menge Menschen ganz auf Böten
*