Treitschke sich jetzt in einem so üblen Zustande befindet, aus welchem nichts zu entnehmen ist: so
spricht doch das für die Annahme dieses Namens, dass C h a r p e n t ie r zwölf Jahre vor Treitschke,
als er den Schmetterling verglich, in ihm die P a lum b e lla Hübn, Fig. 70 erkannte, und dass Zincken,
in seiner Monographie der Gattung P h y c is , so wie später Hübner, in seinem Verz. bek. Schmett.,
und Treitschke sich für R h e n e lla entschieden, unter welchem Namen diese Art auch in den Wiener
Sammlungen bekannt ist.'
Die von Treitschke unter dem Namen H e p a ti c e lla erwähnte schöne Abänderung ist aber
eigene Art, und ich werde meine Gründe dafür bei der folgenden A d e lp h e l la , dem jetzigen Namen
dieser vermeintlichen Varietät angeben. Hier habe ich nur zu erinnern, dass die bei R h e n e lla
beschriebene Raupe zu xAdelphella gehört, und dass über den grauen, aufwärts gebogenen, Palpen
der männlichen R h e n e lla k e in e p in s e l f ö rm ig e , sondern ganz gewöhnlich gestaltete, den weiblichen
ähnliche, sehr kleine Nebenpalpen frei neben der Zunge liegen, wie es in den Figuren 1. ƒ u.-e
dargestellt ist. Die Fühler des Mannes haben über dem Wurzelgliede einen schwarzen Haarbusch in
einer kleinen Bucht. Die Farbe der Vorderflügel ändert ab; wir finden sie hell und dunkelgrau,
mehr oder weniger mit Schimmelgrau bestäubt, und gewöhnlich, doch nicht immer, ist das erste Feld
zwischen der Einlenkung und der ersten Binde stärker oder schwächer rothbraun gefärbt. Die weissgraue
Linie, welche sich durch die erste breite schwarze Binde zieht, ist, wo sie sichtbar wird, etwas
geschlängelt.
R h e n e lla ist in Böhmen, Ungarn, Oesterreich, Baiern, Brandenburg und vielen andern Gegenden
Deutschlands einheimisch, und mehr oder weniger selten.
Die Figuren 1. a u. b zeigen weibliche Varietäten, c, eine männliche; d , die untere Seite;
e , einen vergrösserten Theil des Kopfes mit seinen Palpen und Nebenpalpen; ƒ , einen noch mehr
vergrösserten einzelnen Palpen und Nebenpalpen.
PHYCIS ADELPHELLA Tisck.
Tab. 29. Fig. 2. a—e.
Al. ant. dnereis.a bas! ad fasciam dorsoque rufescentibus,. fasciaante medium nigra strigam angulatam albidam
continente, : striga postica. cinerea, punctîs duobus mediis nigris.
Bei der vorigen Art bemerkte ich schon, dass die jetzige von Herrn Treitschke als eine Abänderung
zu R h e n e lla gezogen wurde. Herr v. Tischer, welcher stets Zweifel über die Vereinigung
hegte, nannte sie erst H e p a ti c e lla ; da aber Hübner auch eine uns noch unbekannte H e p a t
i c e l l a in Fig. 84 abbildete, so konnte unserer Art dieser Name nicht bleiben, und es wurde ihr
daher der gegenwärtige gegeben.
Obschon A d e lp h e lla deutliche und standhafte Unterschiede von R h e n e lla besitzt, so war
doch, bei der Wandelbarkeit der letzteren und der sehr bedeutenden Annäherung an die mit roth-
brauner Wurzel der Vorderflügel versehene Abänderung derselben, die Vermuthung, als sei Adelp
h e lla ebenfalls nur eine schöne ausgezeichnete Varietät, sehr zu entschuldigen, und die Zweifel
darüber würden fortgeblieben seyn, hätte ich nicht durch die Untersuchung der Palpen beider Arten
die sicherste Ueberzeugung von ihrer Artverschiedenheit erlangt.
Die Gestalt der Flügel von A d e lp h e l la gleicht der von R o b o r e lla , die vorderen Bind
nämlich etwas schmäler als bei R h e n e lla . Die Grundfarbe derselben ist dunkelgrau, etwas in’s
röthlichbraune schillernd. An der Einlenkung sind sie rothbraun bis zur ersten, breiten schwarzen
Querbinde, in welcher sich, wie bei R h e n e lla , eine weisse Linie befindet; diese ist aber nicht wie
dort weissgrau und geschlängelt, sondern fast r e in w e is s , und besteht aus a n d e r th a lb s c h a r f w
in k e lic h te n Z a c k e n . Das Mittelfeld hat stets am Innenrande einen verloschenen rothbraunen
Wisch, und unter dem Vorderrande befinden sich zwei nahe beisammen stehende, fast einen halben
Mond bildende, zuweilen nach hinten weisslich bcgränzte schwarzgraue Fleckchen. Die zweite weiss-
liche, auf beiden Seiten dunkel beschattete, Querlinie ist sanft gebogen, und in der Mitte fein gezäh-
nelt. Vor den grauen, nur schwach in’s Röthlichbraune spielenden, Franzen wird der Hinterrand mit
einer schwarzen Linie eingefasst. Der Kopf, die Palpen und der Rücken sind dunkelrothbraun. Die
Palpen selbst sind aufwärts stehend, und bei dem Manne inwendig mit einer glänzenden Rinne versehen,
in welche sich die lange pinselförmige braungelbe Endspitze der Nebenpalpen einlegt, wie
dieses durch die Figuren cy)d, e deutlich dargestellt ist. Die Fühler des Mannes sind dunkelgrau,
weisslich bestäubt, mit einem schwarzen Haarbusche in einer Bucht über dem Wurzelgliede. Das
Weib hat nackte Fühler, und die Palpen sind hier ohne Rinne, mit gewöhnlich geformten kleinen
Nebenpalpen.
Die Hinterflügel beider Geschlechter sind bräunlichgrau mit dunkleren Sehnen, einem sehr
undeutlichen, grauen Bogenstreife hinter der Mitte und weissgrauen Franzen.
Die untere Seite ist bräunlichgrau; der zweite Bogenstreif der Oberseite zeigt sich hier als
grauer Schattenstreif, und setzt sich auf den Hinterflügeln deutlich fort; vor der Einlenkung der
letzteren steht noch ein grauer Punkt.
Die von Treitschke bei R h e n e lla beschriebene Raupe gehört, wie ich schon bei jener Art
bemerkte, zu A d e lp h e l la . Herr v. Tischer erzog und beobachtete sie durch mehrere Jahre bei
Dresden, wo er sie auf Weiden und Pappeln im September antraf, und woraus sich der Schmetterling
im Mai des folgenden Jahres entwickelte. Auch Herr Zeller fing und erzog A d e lp h e l la nicht
gar selten bei Berlin und Frankfurt a. d. 0. im Mai und Juni.
Die Kupfertafel zeigt in
Fig. 2. a, den männlichen Schmetterling;
b, dessen Unterseite;
c, den vergrösserten Vordertheil des männlichen Kopfes mit Palpen und Nebenpalpen;
d, den Palpen mit dem pinselförmigen Nebenpalpen noch mehr vergrössert
e, die glänzende Rinne in dem Palpen zur Aufnahme des Nebenpalpen.