Im März fand ich die junge Raupe bei Nixdorf im Innern der Nadel des Wachholdcrs (Juniperus
communis)t von deren Marke sie in der Jugend lebt. Wenn ihr das Nadelhaus durch Wachsthum
zu enge wird, so baut sie sich zwischen den Nadeln ein weissliches, sackähnliches Gespinnst.
So findet man sie. oft zwei in einem Gespinnst, zu Ende April und Anfangs Mai; sie leben dann am
liebsten von den männlichen Bliithen, selten benagen sie die weichen Nadeln junger Triebe. Auf
dem weiblichen Wachholder fand ich sie niemals. In diesem Alter ist die Raupe schmutzig gelblich
weiss, zuweilen auch mit grün gemischt. Ueber den Rücken ist sie violett - bläulich, und in dieser
Farbe stehen drei kaffebraune Längsstreifen, welche vom Nackenschilde bis zum Ende des vorletzten
Ringes reichen. Ist, wie es zuweilen vorkommt, nur ein solcher Streif da, dann ist er sehr dunkel
o-efärbt und etwas breit. Weisse Wärzchen mit schwarzen behaarten Mittelpunkten sicht man nur
durch die Lupe. Ueber den Füssen stehen bräunliche Fleckchen. Der Kopf und das Nackenschild
sind rothbraun, die Afterklappe und die Krallen schwarz, Bauch und Bauchfüsse schmutzig gelblich
weiss. Sie verpuppt sich in ihrer Wohnung.
Die Puppe ist schlank, der Vordertheil mit den Flügelscheiden dnnkel-, das Uebrige hellbraun.
Am letzten Ringe befindet sich eine kornartige, krumme, am Ende mit einigen steifen Haaren besetzte
Spitze. Der Schmetterling erscheint im Juli, seltener im August. In manchen Jahren war
die Raupe bei Nixdorf häufig, in andern selten oder gar nicht zu finden. Den Schmetterling traf ich
an jenen Stelleu,.wo ich die -Raupen fand, nur eiuige Male; er muss daher sehr verborgen leben.
Dieses mair auch Ursache seyn, dass er in vielen Sammlungen mangelt, obschon er überall, wo Wachholder
wächst, verkommen wird; denn nach Linne ist er in Schweden, nach den Theresianern in
Oesterreich, nach Stephens in Britanien und hach Hübner bei Augsburg zu Hause. Auch in Lievland
kommt er vor, wo ihn Frau Pastor L ienig*), in Kokenhusen bei Riga, häufig erzogen hat. Herr
Mann fing Anfang August ein Exemplar auf dem hohen Sömmering bei Wien.
Die Kupfertafel 97 zeigt in
p i a . jie Wohnung der Raupe im erwachsenen Alter;
b , die Raupe in natürlicher Grösse;
C D , E , F , einzelne Raupentheile vergrössert;
g , die Puppe in natürlicher Grösse;
H , dieselbe stark vergrössert; 5V
/ ; ä die noch mehr vergrösserte Afterspitze der Puppe,
A, den Schmetterling;
L,, einen vergrösserten Palpen.
* ) Diese, die Entomologie mit grosser Liebe pflegende Frau, besuchte im Spätherbste 1842 mehrere Entomologen
Deutschlands, unter andern auch meine Freunde, Herrn v. Tischer in Dresden, und Herrn Zeller in
Glogau. Letzterer rühmt dieselbe nicht nur als eine fleissige Jägerin, sondern sagt auch von ih r, dass .sie
viel Glück und Geschick im Erziehen habe. Bei ihrer Geschicklichkeit im Beobachten, Beschreiben, Zeichnen
und ihrer Federfertigkeit habe sie eineu ausgezeichneten Bang unter den Entomologen einzunehmen. Sie hat
sich jetzt auf die Lepidopterologie Lievlands und Curlauds beschränkt, uud wir dürfen durch sie mancher
uns unbekannter Art entgegen sehen. Ich besitze von ihr, durch Herrn Zeller, bereits einige werthvolle
Microlepidopteren. Herr Zeller hat ihr schon durch zwei neue, von ihr entdeckte Arten (Crambus Lieni-
giella et Py r. Lienigialis) ein bleibendes Denkmal gesetzt, und der entomologische Verein zu Stettin er-
theilte ihr das Diplom eines Ehrenmitgliedes.