Um näher kennen zu lernen, an f welche Weise diese üredoform au f dem
cimiial von d ir augegnftenen Blatte wächst und weiter lebt wurde im
Spätlierbste des Ja h re s 1892 eine Anzahl Weizenpflänzchen in Töpfe gepflanzt
1 IC ant eiueii Tiscli vor der südlichen (liebeliiiauer des Laboratoriuins gestellt
wurden. Die Zalil dieser umgepflaiizteii E-vemplare betrug 12, von denen 4
das Häiitchenfeld an der Spitze, 4 iu der Mitte uud 4 an der Basis trugen.
Die Ablesung dieser Pfläiizeheii geschah bei sämtlichen am * lo, ? lo, u 'io
10. ■> 11 und 11, also während eines Zeitraumes von etwa 41 Tao-en Das
I rotokoll je eines Blattes dieser 3 Gruppen findet sich a u f der T a f V Pi»-
o2. Die gelbe Farbe bezeiclinet die Lage und den Umfang der am e r s te /
lage^^ (dem * lo) hervorgebroclieneii Häufchen, das primäre Häufclienfeld
Die Bedeutung der übrigen Farben ergieht sicli leiclit aus der E rk lä ru n g oben
auf der Tafel.
L ute rsucht mau die E intragungen dieser 12 a u f solche Weise verfolo-ten
Blatter, so erfährt man. dass die Häufchenfelder, jed e s mit einer grossen
Anzahl verschwindend kleiner Häiifclien, am ersten Beobaclitimgstage (dem
l o ) eine verhältnismässig grosse Fläche bedeckten, * i — 1,3 der ganzen
Blattspreite In der d a rau f folgenden Zeit erfolgte das AVaclistum der
Hautolientelder je nach ihrer anfänglichen Lage entweder naeh beiden Eicli
tungen nach der Spitze und nach der Basis der Blattspreite liin unge-
ta h r gleich schnell und gleich kräftig, oder auch mir iiacli der einen ß ic h -
tuiig hm. In der Kegei brachen d ie n e u e n H ä u f c h e n in d e r F o r t s e t -
z u i i g s h n i e d e r s c h o n v o r h a n d e n e n hervor, und dadurch erweiterte sich
das noch immer sehr gut zusammenhängende Häufclienfeld allinählicli immer
mehr. Wälirend der ganzen Dauer der Beobachtungen gab es kaum
welche neu hervorbrecheude Häufclieu oder Häuiclieiigruppcii, die durcli ihre
Eiitstehuiigswcise den Eindruck gemacht hätten, als ob sie die Folge vou
iieueu, selbständigen Infektionen gewesen wären. Im allgemeinen liessen
f f f l ’f Eiifstehiiiig aus einem ste tig aiiwacíiseiideii und fü r
Haiitoheiibildiing reit werdenden, zusainmenhäiigeiiden Mycelium im Inneren
des Blattes erklären. Auftällend ist es, dass, obgieicli diesem Pilze eine
grosse Kraft iniiezuwohneii scheint und das Blatt sein- heftig von demselben
angegriffen wird, und zwar schon von Anfang an - j a bei weitem melir
als es bei denjemgeii Keiinblättehen der Fall ist, die Häufchen von Ureda
gram m is tragen (vergl. Fig, ,51 und die Beschreibung oben 8 SJ) _
die B lä tte r dennoch ihren T urgor bewahren und so lange, wie cs that'säcli-
le 1 dei F a ll ist, ein iebeiides Aussehen beibehalten können. Ist denn w irk lich
so niöchte man geneigt sein zu fragen, der eine der beiden liier zusam-
menlebendeii Kontrahenten, das Weizenblättchcii, einzig und allein die
nährende, uud der andere, der Pilz, einzig und allein die zehrende Partie
oder naliert sich nicht das Gegenseitigkeitsverliältiiis in etwa dem, was mau’
heutzutage Symbiose nennt? Und haben wir hier niclit eine Ersoliemung
'o r uns die die Unniögliclikeit beweist, eine allzu scharfe Grenze zwischen
den beiden Inoiogischen Erscheinungen, von denen man die eine den P a ra sitismus
die andere die Symbiose benannt hat, aufre cht zu h alten?
Nach dem ersten Blatte des Keiiiijifiäiizeliens wird das zweite rostig^
nach diesem das dritte, und sofort, wenn es aueh zuweilen aiisnalimsweise
eiiitreffoii kann, dass ein Blatt eiiieii oder melirere Tage lang Ul)ers]iriiiigeii
wird. Im wesentliclien folgt der Rost au f den Blättern liöliercr Ordnung
denselben Eiitwickelungsgesetzeii, wie au f tleiijenigeii erster Ordnung. Nur in sofern’
ersclieint eine Neigüiig zur jÄbweicliung von dieser Regel, als an den
spä ter rostigen Blättern — und zwar desto mehr, je liölier die Ordiiungszalil
der Blätter ist — das zusammeiihäiigeiide, nrsiirliiigliclie Häufchenfeld immer
melir aiifliört deutlicli liervorzutreten. Sclioii von Anfang an liegen die
Iläufcheii hier mehr von einander getrennt, indem sie eine .Anzahl viel
kleinerer Häufchenfelder bilden, die den Eindruck maclien, von einander
unalihängig zu sein, und von denen sich jedes sowohl iiacli oben als iiacli
unten ausdehnt, bis sie in grössere Häufolienfläclien zusamiiieiifiiesseii.
Eine grosse Lebenskraft zeigt die hier in Rede stehende Uredoforni auch
in der Beziehung, dass sie eine relativ g r o s s e W i d e r s t a n d s f ä h i g k e i t
g e g e n d e n F r o s t besitzt. Wälirend im Spätherbst 1892 zwei Frostnäehte-
perioden, von denen die eine vom 17. bis zum 21. Oktober mit einem Tem-
peraturmiiiiinum von — 7’,o und die andere vom 23. liis zum 26, Oktober
mit einem Temperatiirniinimnm von — b’,.» dauerte, eine vollständige Unter-
lirecliuiig in der verheerenden T h ä tig k e it der Uredo gram in is awi äfcm Felde
veriirsaclite (vergl. oben S. 31), so ,seinen sich dagegen die Uredo glii-
marutn ebendaselbst durolians nicht hierdurch stören zu lassen. Letztei-e
w a r uocli wenigstens am 11 nicht imr reiclilicli sondern auch lebenskräftig.
Überwinternde Uredo. Mehrere der oben hervorgehobenen Eigentümlichkeiten
der Uredo gluma rum auf den Keimlilättcheu der Wintersaat, besonders
au f denen des Weizens, wie z. B. reichliches Vorkommen, k rä ftig e
E ntwickelung, lange Dauer, grosse Wid e rstandsfähigke it gegen die Kälte
n. a., geben der Vermutung Raum, dass hier, wenn Uberliaupt irgendwo,
das späte üredostadium auf den Keimblättclien eine wesentliche Bedeutung
in der Eiitwickelungsgesohichte des Pilzes besitzt, so dass sich aus demselben
— entweder aus den Sporen der übenvinterndeii Uredohäufclien oder
aus dem Mycelium im Inneren der die Uredos])oren des Spätherbstes e rzeugenden
Blätter — die erste Häiifcheiigeiieration des foigeuden Fiü liliiig s
lierleiten lässt. Daiici sind die in der L itte ra tu r euthalteuen Mitteilungen
über das i’jberwinterii der Uredo eruhigo-vera, oder, wie sie auch g enannt
wird, der Uredo zstraminis» verhältnismässig z.ahireieh. Untersucht man jedoch
diese Angaben luilier, so findet man, dass es im allgeineinen unmöglich ist,
mit Siclierlicit zu entscheiden, ob die Verfasser diejenige P ilz a rt vor Augen
gehabt haben, die wir hier behandeln, nämlich Ureäo glumarum, oder die
damit verwechselte, die im l'olgenden unte r dem Namen Uredo dispersa besprochen
wird, oder vielloicht — da die Da rstellung die Verhältnisse in weit
eiitferiiteii Ländern iietrifft, wie z. B. in den Vereinigten S taaten von Nordamerika,
in Indien und in Australien — eine noch andere, älmliche, in Seliwe-
den nicht vorkoinniende Form. Nur in einem der uns bekannten F ä lle g eh t