Sehr bemerkenswert ist das Stillsoliweigen, das im allgemeinen in der
schwedischen L itte ra tu r des XVIIL Jahrlnmderts, sowohl in den gelehrten
botanischen als auch in den praktisch-wirtschaftlichen Schriften, über das
Auftreten des Rostes in unserem eigenen Lande herrscht. Wir haben verschiedene
von den Schriften L in n é ’s duroligesehen, worunter besonders mehrere
seiner Rcisebeschreibimgeu, aber ohne die geringste Mitteilung über den
Rost am Getreide gefunden zu haben; und auch der gründliche Kenner der
L inné litteratur, Professor T h , M. F r ie s in Upsala hat, wie er uns freundlichst
mitgeteilt, bei L in n é nicht das mindeste über den Getroiderost finden können.
Die einzige Rostform, die L in n é g ek an n t zu liaben scheint, ist die an der
Blattunterseitc von Tussüago Farfaro, anftretende Art, die er zuerst 175,1
in die Species F la n ta rum (T, 2, i i s s ) und dann 1755 in die F lo ra Suecica
(Ed. II, 4 9 5 ) unter dem Namen Lycoperclon epiphyllum aufnimmt. Nocli
im Ja h re 1767 (Sy stem a N a tu ræ , Ed. XII, T. 2, 72 6 ) ist dies die einzige
Art, die L in n é kennt. Es ist dieses Schweigen L in n é ’s selir aufiallend.
wenn man bedenkt, mit welch seltenem, j a an Schärfe und Vielseitigkeit
gradezii alleinstehendem Blick er sonst au f alles Acht giebt, was von luteresse
sein konnte, und nicht am wenigsten auf das, was irgend einen praktischen
AATi-t hatte, und mit welch umsichtiger Genauigkeit er das Gesehene und
Gehörte beschreibt.
Auch ist es uns nicht gelungen, in den Jah rg än g en des vou der Kgl,
Schwedischen Patriotischen Gesellschaft von 1779 (dem Ja h re nach L in n é ’s
l ’ode) bis 1799 herausgegebenen HitshäüniHgsjoarnal ( = Landwirtschaftliche
Zeitschrift) etwas zu finden, was irgendwie aiideutete, dass der Rost damals
vou wirtschaftlieher Bedeutung iu Schweden gewesen. Besonders hervorgehobeii
zu werden verdient der Umstand, dass die genannte Gesellschaft
im J a h re 1787 die Preisanfgabe stellte, die Ursachen der im Lande aiif-
treteiiden Missernten zu imtersuehen und darzulegen, und dass in den zahlreichen
Antworten, worunter mehrere preisgekrönte, die alle in den J a h rgängen
1788 und 1789 enthalten sind, über allerlei Dinge gesprochen
wird, welche wohl die Ursache je n e r bedauerlichen Ereignisse sein möchten,
wie z. B. über die Gottlosigkeit der Menschen, über ihre Unwissenheit in
der rationellen Pflege des Ackerbaus, über Mängel der Gesetzgebung in Bezug
au f Verteilung des Landes, über schädliche Insekten etc., dass aber an
keiner einzigen Stelle etwas vom Rost gesagt wird. In derselben Jouriial-
serie findet man gleichwohl wiederholt z. B. 1777, 1782 etc. Artikel über
den Brand, über Honigtau, Uber GetreidewUrmer u. dgl., woraus hervorgeht,
dass die Kranklieiten der Planzen keineswegs ein dem Journale fremdes
Gebiet gewesen sind. Nur einmal, im Ja h rg a n g 1790, kommt ein aus einer
schweizerischen wirtschaftlichen Zeitschrift übersetzter Aufsatz vor, in welchem
von einer Kran k h e it die Rede ist, die mit der spucrlßvi der Griechen uud der
rubigo der Römer identificiert wird; die Beschreibung zeigt aber deutlich,
dass die betreftende Kran k h e it eine ganz andere ist, und zwar wahrscheiii-
lioh die, welche auch heutzutage von der Weizen-Gallmücke {Ceciäomyia
Tritic i) hervorgcrufen wird.
Andrerseits sei d a rau f aufmerksam gemacht, dass der F in n län d e r G a d d
(1, 4 6s) in seinem Buche: nSvensli Landtshötseh, (=» Schwedischer .Ackerbau)
1777 eine gute Beschreibung des wirklichen Getreiderostes liefert, die augen-
sclieinlich nach des Verfassers eigenen Beobachtungen der Na tu r und nicht
ausscliliesslich nach ausländischen Quellen verfasst ist, und dass der Schüler
L iN N ii’s , G l a s B j e r k a n d b r , Propst in Grefbäok, Schweden, auch sonst durch
zahlreiche naturwissenschaftliche Aufsätze bekannt, das Ja h r 1794 als ein
hartes Kostjahr iu Schweden, wenigstens in Westergötland, bezeichnet (I, 2 1 5 )
und auch eine gute Beschreibimg der K ran k h e it giebt. Auftälleud ist es aber,
dass die von diesen beiden Verfassern beschriebene Art von Getreiderost nicht
dieselbe gewesen zu sein scheint, wie die bisher in der L itte ra tu r genannte,
sondern eine ganz andere, nämlich eine, die erst sp ä t in unserem J a h r hundert
als eine besondere Art in der L itte ra tu r ausgeschieden wurde; wir
meinen die weiter unten als F uc c in ia gluma rum erwähnte.
Der Schluss des XVIII. und der Anfang des XIX. Jah rh u n d e rts bildet
in mehr als einer Beziehung eine Epoche in der Gegchiclite des Getreiderostes.
Im J a h re 1797 gab P e r s o o n (I, 3 9 ) der Pilzart, die man bis a u f
den heutigen T ag als eine dei’ ohne Zweifel wichtigsten unter denen erachtet,
die den Rost am Getreide hervorrufen, einen wissenschaftlichen N a men,
Puccinia gram inis, der noch heute der gewöhnlichste dieses Krankheits-
, erzeugers ist.
/ Noch bedeutungsvoller wurde das erste und teilweise das zweite J a h r zehnt
unseres eigenen Ja h rh u n d e rts. Das J a h r 1804 scheint in einem grossen
Teil von E uropa ein sehr schweres Rostjahr gewesen zu sein. Als
solches wird es in E ngland, Dän ema rk und Sioilien erwähnt. In E n g land
veranlasste es (nach L i t t l e I, 6 8 5 ) , den derzeitigen S ekretär des englischen
L andwirtschaftlichen Bureaus, A r t h u r Y o u n g , einer Anzahl englischer
Landwirte ein Cirkular mit Frag e tab e llen zuzusenden, um die beste Kenntnis
der Art und Weise zu gewinnen, wie die Kran k h e it aufgetreteii sei, sowie
auch in einer damals herausgegebenen landwirtschaftlichen Zeitschrift eine
Bearbeitung der eingelaufenen Antworten zu veröffentlichen. Schon im folgenden
Ja h re gab der seiner Zeit sehr berühmte J o s e p h B a n k s , damaliger
Prä sident der »Royal Society», eine Schrift über den Rost heraus, die besonders
wegen des grossen Ansehens des Verfassers ihm und der Sache
grosse Aufmerksamkeit verschaffte. B a n k s beschreibt und bildet den a llgemeinen
Getreiderostpilz, P uc c in ia gram inis, sowohl im jü n g e ren (Uredo)
als auch im älteren (Piiccinia)Stadium ab. Ans der Beschreibung, wo von
orangegelbeii, trü h im F rü h lin g am Weizen auftretendeu Häufchen gesprochen
wird (I, 1 1 ), geh t indessen ziigleioh als ganz sicher hervoi-, dass der
Verfasser auch die Rostform vor Augen gehabt hat. die wir als Gelbrost
bezeichnen. B a n k s sagt, dass der Krankheitskeim walirscheinlicli durch
die Spaltöffnungen in die Pflanze e indringe (I, e), dass der Berberitzenstrauch
wahrscheinlich ein gefährlicher Nach b a r des Getreides sei (I, 10), dass es
gotährlich sei, rostbefallenes Stroh als Streu zu verwenden (I, 1 1 ), dass aber
vom Rost angegriffene Weizenkörner, weit entfernt davon, zur Aussaat uu