Versuchen au f der eigentliclien Wirtspflanze fehlt, — einen F a ll ausgenoin-
ineii, der negativ war.
5. Der systematische Wert der neuausgeschiedenen Formen. Es entsteht
nun die wichtige theoretisclie F rage, wie man diesen Formenuuterschied in
systematischer Beziehung aufzufassen habe. Die ueuansgeschicdenen Formen
ohne weiteres in einen der schon vorhandenen systematischen Begrifi'e: Art,
Varietät oder Rasse einzureihen, v e rursacht recht grosse Schwierigkeit. Diese
Begriffe sind nämlich fast ansschliesslioh in morphologischen Unterschieden
begründet, während sicli die hier ausgesehiedenen Formell weseiitlieh, ja
vielieiclit ansschliesslicli, durch biologische Eigenschaften von einander aus-
zeichneii. Diese Schwierigkeit liesse sicli entweder dadurch heben, dass man
einen neuen systematischen Begriff von wesentlich, wenn auch nicht ansschliesslioh,
biologischer N a tu r in die botanische Systematik eiiiführte, oder
auch so, dass man die schon vorhaiidelieii systematischen Begriffe in einem
etwas anderen Sinne als dem bisherigen auffasste, so dass also diese Begriffe
sowolil in biologischen als aucli in inorphologischeii Eigenschaften begründet
sein würden. Letzterer Ausweg dürfte der einfachste und zugleich n a tü rlichste
sein. Gegenwärtig aber, wo das vorhandene Material noch lange
nicht gross genug ist, — wenn auch im folgenden dies oder jen e s von ähii-
iicher Bescliafteiiheit noch liiiizugefUgt werden kann, — ist es durch die
Vorsicht geboten, mit der F eststellnng der neuausgeschiedenen Formen als
wirklich geschiedener Arten, auch mit der oben angedeuteten Bedeutuiigsäii-
derniig, noch ein wenig zn warten. Die Konsequenzen einer solchen F e stste
llnng sind nämlich von einer so umfässendeii Art, dass man zu grösser
Behutsamkeit aufgefordert wird. Es ist nicht damit gethan. dass sich
die betreffende Rostart in eine Anzahl neuer Arten auflöseii würde, und
zwar vielleicht in eine sehr bedeutende Anzahl, wenn mau bedenkt, dass
diese Art bei uns an nicht weniger ais 108 Getreide- und Grasarten beob-
ach te t worden ist, wozu noch die in der ausländischen L itte ra tu r genannten
43 Gräser liinzukommen. Gilt dies nnn für eine Rostart, warum dann
nicht auch für andere, und g ilt es für Rostpilze, warum dann nicht auch
für andere parasitisch lebende Pilze? Aber — eine solehe Annahme würde
uns die Aussicht d a ra u f eröffnen, dass die Arfzahl der Parasitpilze kolossal
aiiwachseii würde, während der Artbegriff dadurcli enistlicli in seinen Grundmauern
würde erschüttert werden.
Solclie Aussiohteii vor Augen muss man es sich zur Pflicht maclien genau
iiacliznforscheii, oh es keine Möglichkeit gäbe, die entstaiideiien Forinoiiuiiter-
schiede auf eine hiologisclie Ersoheiiiuiig von weniger weitgehenden Dimensionen
zu redueiereii, oh nicht die ans den Iiifektioiisversucheii ais getrennt
heivorgegaiigeiieii Formen, an s ta tt absolut gesonderte Arten zu sein, vielleicht
n u r zufällige, von äusserii Umständen — hier der specifisolieii E inw irkung
der Wirtspflanze au f das physiologische Wesen der an derselben erzeugten
Üredosporen — bedingte Spielarten sind, die sich vielleicht a n f diese oder
jen e Weise wieder mit einander vereinigen liessen. Eine besondere Veranlassung
zu dieser F ra g e findet man in der lieteröcisclieii Lebensweise des
bezw. der betreffenden Pilze. Ist es nicht möglich, möchte man fragen, dass
das Äoidinmstadiiiiii eine Brücke sein könnte, welche die im ü redostadium
gesonderten Formen mit einander verbände? Es liegen in den 1891--1892
ausgeführten Infektionen zwei Fälle vor (Tabelle 6, Nr 4 und 2), in denen
die au f Hafer bewerkstelligten Infektionen, die das eine Mal mit den Acidiensporen
der Berbei-itze aus einer voranfgehenden Infektion durch die
Form des M ilium effusum, das andere Mal mit den Äcidieiisporen der
Berberitze ans einer voranfgehenden Infektion durch die Form der I)a -
ety lis glomerata hervorgernfen wurden, von positiven Resultaten begleitet
w a ren ; und wenn auch die Notizen Uber diese beiden Infektionen nicht
so ins einzelne gehen, dass ein Zweifel an ihrer Beweiskraft dadurch
vollständig' ausgeschlossen wäre, so können dennoch diese Versuche in
ih re r jetzigen Gestalt d i e H y p o th e s e e in e s v e rm i t t e l n d e n Ä c id in m s t a -
d iu m s nur bestätigen.
Es gehörte zum Plan e der für das J a h r 1893 bestimmten Arbeiten,
in grösserem Umfange, als es bisher geschehen war, zu prüfen, teils wie
gross die F äh ig k e it der auf verschiedenen Wirtspfianzen entwickelten Teleutosporen
wäre, an der Berberitze Rost zu erzeugen, teils lyie gross die F äh ig k
e it der iiaoli diesen Infektionen etwa entstellenden Äcidieiisporen wäre,
ihrerseits an verschiedenen Getreide- nnd Grasarteii Rost hervorzubriiigeii.
Diesem Plane gemäss wurden im F rü h lin g des geiiaiinteii Ja h re s Berberitzen-
pflaiizeii mit keimfähigem Sporeiimaterial iniiciert, das teils iiiisereii 4 Getreidearteii
teils 10 anderen Grasarten entnommen war (T riticum repens,
D a c ty lis glomerata, A g ro stis vulgaris, A ir a caespitosa, A . flexuosa, Poa p r a tensis,
P. compressa, P. Chaixi, P hleum Boehmeri und Ph. pratense). Diese
Infektionen sctilugen sämmtlich, mit Ansiiahiiie der von Phleum pratense,
positiv aus, iu so fern nämlich, als Äcidien bald in geringerer tiald in grösserer
Zahl hervorkamen (Tabelle 4). Es u n terliegt daher wohl kaum
dem geringsten Zweifel, dass eine grosse Aiizalil, vielleicht g a r die Mehr-
zalil, der au f verscliiedenen Gräsern wachsenden Formen dieses Pilzes
an f die Berberitze übertragen werden können. Weniger gut erging es den
Versuclien, die das letztere Moment der F ra g e bezweckten, oi) nämlich die
entstandenen Äcidiensporeii im Stande wären, andere Gräser als die, denen
sie selbst entstammten, aiiziisteckeii. Trotz wiederholter Versuche wollte es
nämlich nicht gelingen, die Keimfähigkeit der Äcidieiisporen zu wecken,
ausser in einem einzigen Falle.* In diesem Falle (Tabelle 6, Nr 6) w a r die
Infektion der Berberitze mit Material vom Hafer geschehen, und die Äcidieii-
iiifektion erfolgte teils an f Gerste teils a u f Hafer, nnd zwar au f 3 Pflanzen
von je d e r Art. Das Resultat w a r das, dass die Infektion des Hafers an 6
Stellen von 15 anschlng, während die der Gerste an ebenso vielen ursprüiig-
■ Die Entdeckung der durcli Abkühlung hervorgebracliteii Wirkung auf die Keimfähigkeit
gewisser Sporen (vergl. oben S. 73) geschah zu spät, als dass sie bei diesen Versuchen
liätte zur Anwendung kommen können.