3 . In der Neuzeit. Bei Beginn des XVII. Jahrlnmderts fangen einige, wenn
auch dürftige und zerstreute Andeutungen über die in Kede stellende Krankheit
an, in der L itte ra tu r liervorzutreten. Das erste, was wir in Bezug hierauf
gefunden, ist eine Äusserung bei S h a k e s p e a r e im König L ear (Akt 111,
Sc, 4), der, wie mau annimnit, 1605 erschien; hier spricht er von »the foul
fieiid Flibhertigibhots als Urheber des Kostes au dem weissen Weizen (»he
mildews the white wheat») und vieler anderen sohlimmen Dinge in der Welf,
Nach dem Lexikographen M u r r a y (I, 9 1 s ) soll auch iu der damaligen landwirtschaftlichen
L itteratur, ans welcher er Schriften aus den Ja h ren 1611,
1669 n. s. w. anführt, der Kost unte r dem Namen »blight» oder »mildew»,
wie noch heutzutage üblich, Vorkommen; und in dem kürzlich den beiden
Häusern des englischen Parlaments vorgelcgten officiellen Bericht über den
Rost (Rapp. I, 1 8 ) wird hervorgehobeii, dass H a r t l i b in seiner »Legaoy of
Ilushandry» vom Ja h re 1655 darüber klagt, dass man kein Mittel gegen
die Krankheiten des wachsenden Getreides, besonders Brand und Rost, keime,
»welche in unserem Lande so grosse Verheerungen aiirichten, der Brand in
nassen Ja h ren und der Rost in trockenen». Audi in der älteren deutschen
Litte ra tu r derselben Zeit findet man dieselbe K rankheit erwähnt, wie G r a i t
(I, .9 5 1) berichtet, der auch mehrere Benennungen derselben aus den verschiedenen
Dialekten aiifiihrt. Als etwas sehr merkwürdiges sei hier die
Angabe bei L o v e r d o (I, 1 9 9 ) erwähnt, dass schon im Ja h re 1660 in Rouen
ein Parlamentsbeschlnss veröffentlicht worden sei, in welchem die Ausrottung
der Berberitze befohlen worden, da man geargwöhnt habe, dass diese zum
Rost in gewisser Beziehung stehe. Es sei noch hervorgehobeii, dass Ö r s t b i
(I, 120 ) die Vermutung ausgesprochen, dass der Misswachs, der 1660—61
uud 1696—99 Dänemark heimguohte, wenigstens teilweise vom Rost verursacht
worden se i.'
Im XVIII. Ja h rh u n d e rt werden die Nachrichten der L itte ra tu r über den
Getreiderost allmählich zalilreieher und wertvoller. Schon im Ja h re 17 20'
soll, nach H o r n e m a n n (I, s ) , ein englischer Landwirt die Berberitzensträucher
seines Nachbars durch Begiessen mit kochendem Wasser vernichtet haben,
weil sie seinem AVeizen schadeten; und vom Ja h re 1725 sagt ein damaliger
Verfasser, namens J b t h r o T u l l (nacli B a n k s , 1, 9 ), dass es ein Rostjahi
gewesen, »dessen Gleichen man vorher nie geschaut habe und hoffentlicli
auch niemals mehr schauen werde».
In der Mitte des Jah rh u n d e rts, 1755, wurde iu Massachusetts in Nordamerika
ein Provinzialgesetz veröffentlicht, iu welchem hei Androhung gc-
Teil von Europa (lurcliwauderte und dabei über die Pflanzen, speziell auch die kultivierten,
viele Beobachtungen machte, so weit wir haben finden können, nichts über den
Getreiderost sagt.
' Hinsichtlich der wenigen Nachrichten über den Getreiderost, die iu der botanisclien
Faclilitteratur des XVI. und XVII. Jahrhunderts enthalten sind, z. B . bei H ie r o n ym i'^
B ock oder T ra g u s (1498—1554), bei T arernzEmo n tan u s ( f 1590), bei M a r c e l l u s M alpighi
(1(^23—1694), bei J ohn R ay (1628—1705) u. a., verweisen wir auf d e B a ry (I, lOS fi)
welcher eine Tlbersiclit geliefert hat.
wisser Strafen befohlen wurde, in der ganzen Provinz bis spätestens zum
30. Ju n i 1760 alle Herberitzcnsträucher zu vertilgen, weil diese Pflanze die
Ursache vou Krankheiten sowolil am Weizen als aucli au anderen englischen
Gewächsen sei.*
Eine bemerkenswerte Schrift über den Rost am Getreide gab der Ita lie ner
F e l ic e F o n t a n a (I) 1767 heraus. Darin findet sich, so viel wir wissen,
die erste Alihildung des Getreiderostes sowie eine sehr ausführliche
Beschreibung der Kranklieit, die beide für ihre Zeit sehr gut sind und auch
noch je tz t für den Forscher niclit ohne jegliches Interesse sind. Das unmittelbar
voranfgeheude Jah r, 1766, w a r in ganz Italien, aber besonders in
Toscana, ein sehr scliliuimes Rostjahr gewesen, und die Schrift fasst a u f d a mals
ausgeführten Untersuchungeu. F o n t a n a unterscheidet und beschreibt
die beiden Eütwiekehmgsfonnen des Pilzes, die man je tz t als Uredo (Sominer-
sporenform) und Puccinia (Horbstsporenform) keimt, und zwar erstere unter
dem Namen ruggine rossa (roter Rost), letztere unte r dem Namen ruggine
nera (schwarzer Rost); er bildet beide in einer AA*eise ah, die keinen Zweifel
darüber aufkommen lässt, dass es sich hier, wenigstens der Hauptsache nach,
um die Rostart handelt, die man je tz t Puccinia g ram in is nennt. F o n t a n a
vermutet, dass die Sporen Pflanzen sind, die sich a u f Kosten des Getreides
nähren, obgleich ilinon AATirzeln felilen. Auch spricht er von dem Einflüsse
der AAutteriuig und den A'orzügen einer sehr frühen E rnte. E r sag t (I, 9 8 ),
dass eine Menge Landwirte sowohl iu Toscana als auch in der Gegend von
Bologna und in der Romagna es für weit vorteilhafter erachtet hätten, das
Getreide noch in g-rüneni Zustand zu schneiden, sobald der Rost sich zu
zeigen angefang-en; sie h ätten wenigstens etwas erhalten, aber ihre Nachbaren,
die bis zu der gewöhnlichen Zeit gewartet, hätten fast g a r nichts
geerntet. F o n t a n a sohliesst sein denkwürdiges Buch (I, 1 0 3 ) , indem er die
Überzeugung ausspriclit, dass der einzige AVeg, der einst zur E rlan g u n g
eines wirksamen Mittels gegen die Kran k h e it führen könne, ein »aufmerksames
Studium der E ntwickelung und der wahren N a tu r der Krankheit» sei.
Einen neuen und wichtigen Schritt in der Getreiderostfrage tliat ungefäh
r anderthalb Jahrz eh n te spä ter der E nglän d e r M a r s h a l l (I, 19 , 3.9 9 ; II,
1 1 ), der in den Ja h ren 1781— 84 die ersten Versuche ausführte, mn zu entscheiden,
oh mau, wie es der alte Volksglauben that, den Berberitzenstrauch
für einen dem Getreide gefährlichen Nachbar zu halten habe oder nicht.
Die Versuche gescluihen au f eine ebenso einfache wie natürliche Weise, in dem
er Berberitzensträucher zwischen das Getreide pflanzte. Hier zeigte
sich nun, dass das zunächst wachsende Getreide zuerst rostig wurde, und
dass der vom Rost angegriffene Teil des Feldes dem Schweife eines Kometen
glich, dessen Kern der Be rheritzenstraucli selbst bildete. Einige Ja h re spä ter,
178 7 , fordert ein anderer E ngländer, A A T t h e r i n g (I, 3 6 g ) , dass man in einer
E ntfernung von 300— 400 Yards (250— 350 Meter) von den Getreidefeldern
keine Berberitzen dulden solle.
' Dieses Gesetz existiert noch, und ist teils von L i t t l e (I. 69 2) 1883, teils von
P low e ig h t (IV. 302) 188!) abgedruckt.