i. D e r a n a tom is c h e Bau d e r U re d o u n d d e r P u c c in ia g r am in is .
1. Üredohäufchen. Uutersncht mau einen rostigen Pfianzenteil mikroskopisch,
so findet man, dass die H ä u f c h e n n u r a u s d a r u n t e r l i e g e n d e m
c h 10 r 0 p ll y 11 fti li re n d e ni G ew e b e liervorbrechen, nnd dass das Pilzniycelium,
aus welchem ^ sicli die Sporeumasse entwickelt, nur in diesem Gewebe vorkomint
und nieht in den meclianischen Strängen, die als Nerven das Organ
durchziehen und demselben die nötige Festig k e it verleihen. Hierin liegt
auch zum Teil die E rk lä ru n g der Erscheinung, dass die Flecken an den
verschiedenen Pflanzenteilen eine verschiedene Stärke und Grösse erhalten,
dass z. B., wie oben (S. 104) liervorgehoben wurde, beim Roggen kräftigere
Häufchen an der Scheide als am Halm auftreten. Das ehlorophyllführende
Gewebe der Scheide (Fig. 40 a) ist bei weitem reichlicher, als das des Halmes ’
(Flg. 40 b). Anf dieselbe Weise kann man aueh bei anderen Pflanzeuteilen,
welche Flecken tragen, z. B. bei den Hiillspelzen (Fig. 39), das Vorkommen
der Häufchen immer auf das unterliegende Clilorophyllgewebe zuriickfiihren.
F ü r d ie V e r b r e i tu n g d e s M y c e lium s v o n e in em N e r v e n f e ld in
e in a n d e r e s scheint ü b e r a l l e in m e c h a n i s c h e r G ew e b e k om p le x , vor
allem ein ziisammeiihängeiider Bastkörper — sei es nun, dass dieser,’ wie
in der Scheide (Fig. 40 a), quer durchgellende Balken (Nerven) bildet oder
wie teilweise im Halm (Fig. 40 b), ringförmige Hülsen um jed e einzelne
Chlorophyllpartie — e in e u n ü b e r s t e i g l i c h e M a u e r zu sein. Wenigstens
h a t das Vorkommen von Myceliumfäden weder zwischen noch in denjenigen
Zelleiielementen, woraus sich die Bastmauer zusammensetzt, jemals konstatie
rt werden können.
Dasselbe geht auch aus der Fig. 44 hervor, die einen etwas vergrösserten
Querschnitt d a rstellt. Die Myceliumfäden lassen sich hier überall in dem dar-
unterliegeiideu ohlorophyllhaltigen Gewebe bis zur Epidermis der gegenüberliegenden
Seite verfolgen, aber nicht weiter. Sie setzen sicli weder in dieser
fort, noch diirchbreclien sie irgendwo die festen Mauern, welche die zn beiden
Seiten gelegenen Nervenelemente bilden, so dass das ohlorophyllhaltige Gewebe
der benachbarten Nervenfelder, so viel man ersehen kann, von Mycelium
gänzlich frei sein kann. Zuweilen, j a vielleicht oft genug, kommen wohl
Fälle vor, die wegen ihres äusseren Habitus — parallel laufende, scliciiibar
gleichalterige und vielleicht anoh gleich ausgedehnte Fleckeiiränder (z. B.
Flg. 20 a, b; Fig. 22; Fig. 31 b) — der Vermutung Raum geben könnten, es
sei die Mauer wirklich durchbrochen, ln vielen Fällen e rk lä rt sich iiid e sß n
dieses gesellige Vorkommen der Flecken dadurch, dass viele Nerven nicht
durchgehen, ^ d. ^ h. nicht von der einen Blattfläche bis zur anderen reichen,
sondern als isolierte Fäden in ein Gewebe anderer Art hinübergehen, sei es
nun. dass es diesem an Chlorophyll fehlt (Fig. 40 b), wodurch es also zur
Beherbergung des Myceliums untauglich wird, oder dass cs, wie in den
Blattspreiten, an Chlorophyll reich ist und dadurch sich eignet, dom Mycelium
günstige Lebensbedingungen zu gewähren. Und in den Fällen, wo sich
diese Geselligkeit nicht anf diese Weise erklären lässt, muss man aiinehmeii,
dass jed e r von durcligelienden Nerven begrenzte Fleckeukom])lex ein selbständiges
Ganzes für sich bildet, das durch besondere Infektion entstanden
ist. Möglich wäre allerdings, dass die sogenannten Durchlasszellen, die
TsoHiRSon (I, xxix) in mehreren Grashlättern gefunden zu haben glaubt und
als Brücken für die Säfteströmung zwischen heiiacliharten Nerveufeldern
auffässt, auch als Durcjilasswege des Myceliums dienen könnten. Ein solcher
Fall hat. indessen noch nicht konsta tiert werden können.
Da es offenbar sehr wichtig sein muss, eine möglichst genaue Kenntnis
von den in dem clilorophylllialtigen Gewebe befindliclien Mycelinm, von dessen
Natur und Lebensbedingmigen, zu erhalten, da das Mycelium der T räg e r der
Lebensenergie des Pilzes während der ganzen Zeit, die man die Verheerungs-
periode des Pilzes nennt, und folglich derjenige Feind ist, auf den wir im
Grunde unsere Blicke und Gedanken zu ricliten lialien, so ist keine geringe
Mühe und Zeit auf die mikroskopische Untersuohung der myceliumfuhrenden
Gewebe sowolil bei dieser als aucli bei den im folgenden zu erwähnenden Pilz-
arteii von uns verwendet worden. Wenn auch diese Untersuchung weit davon
entfernt ist, das Myceliunileben des Pilzes iu der Wirtspflanze iu sein volles
Licht zu stellen, so seien dennoch die dabei gewonnenen Resultate hie r
nicht verschwiegen, wenn auch nur um die äusserst geringe Kenntnis zu
offenbaren, die wir gegenwärtig von diesem Gegenstand besitzen, und um
zn umsichtigen Spezialstiidien aufzufordeni über die Art und Weise sowie
über die äusseren Bedingungen des Wachstums nnd Gedeihens eines Uredo-
myoeliums, zuerst etwa auf einem künstlichen E rn äh n in g ssu b stra t und dann
in einem lebenden chlorophyllhaltigen Gewebe derjenigen Pflanzenart,
welcher der betreffende Pilz von der Na tu r angepasst worden ist.
Die in der L itte ra tu r enthaltenen Angaben über den Gang des zur
Puccinia gram in is gehörigen Myceliums in der AVirtspflanze sind nich t zahlreich.
AA*olfe (II, 1 3 8 ) e rk lä rt 1887, dass sich dieses Mycelium in den In-
terzellularräiimen verzweigt, indem es die Zellen tren n t und hier und da
feine verzweigte Haustorien in das Innere der Zellen hineinsendet. B o l l e y
(I, 1 7 4 ), der mehr als die meisten anderen nenei'en Forscher auf diesem
Gebiete über das Myoeliiimleben des Pilzes nachgedacht hat, sagt im Jah re
1889, dass das uredo- und teleiitosporenerzeugende Mycelinm des Gras-
hlattes wesentlich dem äcidiensporenerzeugenden des Berberitzenblattes
gleiolit, welch letzteres Myoelimii er recht ausführlich beschreibt und soga r
ahhildet. Dieses Mycelium ist naeh seiner Angabe anfänglich au f die Inter-
zollularräume hcscliränkt, mit dicht au die Zellenwände anschliessenden F ä den,
und soll sich dann durcli Ausscheidung eines zersetzenden Ferments
einen Weg durch die Wand in das Inn e re der Zelle bereiten. Den au f diese
Weise eiiidringendeii Myoelienästen will B o l l e y indessen nicht die Bedeutung
von Haustorien, d. li. von physiologisch wirkenden Saugorganen, zugestehen,
sondern h ä lt sie für zufällige Gebilde ohne näher angegebene Bedeutung.
Übrigens betont er, dass das Mycelium das Gewebe weder desorganisiert noch
ganz unfähig macht, seine Funktionen zn verricliten.