Ein bei weitem scblimmever Übelstand ist die etwaige Uiircinbeit des
zn lienutzcuden Infektionsmatevials; es kan n dies leicht eintreffen, wenn das
Material im Freien da gesammelt wird, wo mehrere verschiedene ßost-
formen iu der unmittelbaren Nähe von einander Vorkommen, was wir auch
in mehreren Fällen durch das gewonnene Resultat haben konstatieren
können. Diesem Übelstaud lässt sich jedoch fast gänzlich dadurcli Vorbeugen,
— wenn man es nämlich für besonders wichtig hält, nur reines
Material zu hemitzen, — dass man das Material nur von solchen Ptlanzeii
holt, die vou anderen rosttragenden Getreide- oder Rostarten so weit wie
möglich entfernt stehen. Absolute Sicherheit k an n mau aber in besonders
kritischen Fällen nur daun erlangen, wenn man das Material von künstlich
inffoierteii, im Hause stehenden Pflanzen holt.
Übrig jedoch und am schwersten zu überwinden sind vor allem die
Nachteile, die sich aus der woclieu-, j a monatelang dauernden^ Kultur in geschlossenem
Raume ergeben. Diese Nachteile treten auf mannigfaltige Weise
zu Tage. Die erste auffallende Eigensohaft der so gezogenen Getreide-
pflanzeii ist ihre Neigung in die Höhe zu schiesseii, d. li. uniiatürlioli lang
und schmächtig zu werden und dann die Leichtigkeit, von Meltau, Blattläusen
u. s. w. iu weit höherem Grade als die im Freien wachsenden Pflanzen
angegriffen zu werden. Die Zimmerkultur fuhrt indessen auch, wenig-
steus in gewissen Fällen, eiue unnatürliche Entwickelung der Pusteln selbst
herbei. Schon P l o w r i g h t (VI, 2 4 ) erwähnt uud bildet im Ja h re 18 8 9 Ber-
beritzenäcidien ab, die durch Infektion in der Zimmerkultur entstanden waren
und deren Pseudoperidien sehr lange, mehr oder weniger gewundene
Röhren bildeten. Ähnliche abnorme Äcidien sind im allgemeinen auch nach
unseren im Gewächshause geschehenen Sporidieninfektionen der Berberitze vor-
gekommen, wobei es sich gezeigt hat, dass die Sporenbilduug selbst sehr
bedeutend gehemmt war, während das Pseiidoperidium eine übermässig üppige
Wucherung zeigte. Dieses hatte zur Folge, dass im Sommer 18 9 3 , obgleich
zahlreiche intioierte Berberitzenpflanzen vorhanden waren und auch
an jed e r Pflanze zahlreiche Infektionsstellen mit Äcidien vorkamen, nnr 3
Infektionsserien mit dem Ä c id ium B erhe rid is dieser Pflanzen gebildet werden
konnten.
Diese beiden erwähnten Abnormitäten sind indessen offenbar nichts
Anderes als der äussere, so zu sagen, gröbere Ausdruck, sowie das leicht
sichtbare Ergebnis einer Menge von inneren Abnormitäten in dem Wachstum,
in der Streckung und in der Teilung der Zellen, sowie der Veränderung
der gegenseitigen Entwiokelnng hei den verschiedenen Arten von Geweben,
Veränderungen, von deren wahren Natur wir bis je tz t nur eine geringe oder
g a r keine Kenntnis besitzen. Au der Existenz solcher inneren Abweichungen
dürfen wir aber kaum zweifeln, wie wir auch durch die dem blossen
Auge leicht erkennbaren äusseren Anomalien nur in der Überzeugung befestigt
werden, dass die ganze Erscheinung der Infektion von sehr komplizierter
Beschaffenheit ist und ein Phänomen, hei dem nicht nur die angestammte
Natur der beiden Kontralienten und deren zufällige Bescliaffenheit,
N O C H Z U B B S E I T I G E N n E Ü B B I . S T Ä N H E . 383
sondern auch die Beziehungen der äusseren Umgermng deren Gestaltung
nicht im Bereiclie unseres Könnens liegt, bestimmen, oh das Resultat dei
Infektion sich auf diese oder jen e Weise ku n d gehen soll. Machen sich
nun diese Übelstände der Zimmerkultur auf eme auffallende W eise bemeik-
h a r wenn es sich nm eine Inkubationsdauer von nur 1—2 M ochen handelt,
um ’ wie viel mehr muss uns nicht dieses Infektioiisverfahreu im Stiche las^-
sen wenn es solche Infektionen gilt, von denen wir vor Ablauf von 2 --.i
Monaten oder darüber nicht berechtigt sind, irgend ein, sei es positives odei
se i es iieii:atives, Resultat zu erwarten.
Man kan n also von diesem Verfahren keine experimeiite 1 beweisende
Antwort z. B. auf die wichtige Frag e erwarten, ob eine von den Lrsacheii
der Mitte oder Ende Ju li ausbrecheiideii ersten Pusteln der Lredo gram im s
an der entwickelten Saat in der direkten Sporidieninfektion der zartesten
Keimpflänzehen des Sommergetreides liegen könne. Diese sowie andere
ähnliche F ragen erheischen eine Zuchtmethode, die es uns ernioglichte.
die Versuchspflanze nicht nur wie bei der Zimmer- und speziell Glockeii-
kultiir von unversehens von aussen eindri.igenden, unseren Zwecken fremden
Äiisteckungsstoffeii unberührt zu halten, sondern ih r auch v a h ie n d
der ganzen Versuchszeit, wären es auch mehrere Monate oder sogar ein
J a h r lang, ein durchaus natürliches Leben zu sichern, eine Aiitgabe, aut deren
Lösung wir noch immer warten.