Menschenverstände ist, so haben doch noch neuere Schriftsteller
das Gegentheil vorgetragen.
Die Klebrigkeit des Wassers ist aber nicht allein in Rücksicht
der Tiefe von wesentlicher Einwirkung auf die Bewegung O ö O
der Flüsse, sondern auch in Hinsicht der Lage und Gestalt der
Strombahn. Sie erzeugt z. B. in einer engen Bahn, die sich unten
erweitert, eine Beschleunigung in der Bewegung, weil der
untere Strom den obern fortzieht, in diesem retardirt sie also
die Geschwindigkeit. Ueher einen stark abhängigen Boden
strömt daher auch der Flufs bey gleicher Neigung in der Oberfläche
stärker, als wenn der Boden nicht so abhängig wäre | denn
das untere Wasser beschleuniget das obere zugleich. In Canälen
wird endlich dem untern Wasser nur lediglich von dem
obern , vermöge der Cohäsion , Bewegung ertheilt. So urtheilte
auch bereits Guglielmini (£ J. Bernhard setzte aber diese in der
Ursprache citirte Stelle, mit unter diejenigen Irrthümer, die er
dem Guglielmini aufhürdet. Langsdorf hat ihm auch in der V o rrede
der Uebersetzung Seite XXXVIII. treflich geantwortet.
Aus allem folgt nun , w ir widerholen es , dafs die Summe
der Bewegung von der Klebrigkeit des Wassers verringert wird;
dafs sie also als ein Hindernifs der Bewegung im. Allgemeinen zu
betrachten ist; dafs sie aber auch eine wirkende Ursache wird,
welche solchen Wasserschichten Bewegung ertheilt, die ohne sie
stillstehendes Wasser bilden müfsten.
Wenn die Wassertheile aber nicht zusammen hingen , so
würden die obern Wasser über die untern mit ihrer ungestörten
Geschwindigkeit fließen ; müfsten dann aber nicht manche Flüsse
mit ungeheurer Schnelligkeit strömen ? würden sie nicht schnell
anwachsen und eben so schnell abfliefsen, würden nicht alle Untiefen
ausgefüllt, die Flufsbetten dergestalt erhöhet seyn, dafs die
CO Er sagt: La velocita della declivitl de essa c ne’ canali orizontali *n-
che della viscosita che si trova fra le parti dell' acqua. . Nuova Racc-
Vol. II. pag. 74.- Lecchi L. C. p. 206. ist auch dieser Meinung.
Strom freien den längstens in Seen und Moräste verwandelt wä-
ren ? Welches Ufer könnte dann wohl den schnellen Strömen
widerstehen ? W e r also die Einwirkung der Klebrigkeit auf den
Lauf der Flüsse nicht anerkennen w ill, der mufs ein neues Schöpfungssystem
erdenken ; wir wünschen ihm Glück dazu !
Die Adhäsion des "Wassers an den Ufern bringt eine wold-
tbätige Wirkung hervor, wodurch die Bewegung der Strommasse
längs den Ufern verzögert wird; ferner wirkt der Widerstand
, den der Boden und die Ufer dem strömenden Wasser entgegen
setzen , vermöge der Klebrigkeit, in die Strommasse hinein
, und so wird ihre Geschwindigkeit gehemmt , und die Bewegung
des sämmtlichen Stromes wird auf diese Weise gleichförmig.
Die Cohäsion des Wassers verdient also die Aufmerksamkeit
der Naturforscher in einem hohen Grade, und wir ljden sie zu
neuen Versuchen über die Natur des Wassers ein. Sollte jene
Eigenschaft nicht auch die vorzüglichste Ursache seyn, welche
das Verdunsten des Wassers mäfsigt? Und wenn dasselbe gleich
von der Temperatur des Wassers und von dem Drucke der Luft
abhängt; so ist es dann auch gewifs , dafs die Cohäsion bey veränderter
Temperatur auch verändert wird ! Es möchten also auch
wohl alle Flüsse, unter sonst gleichen Local - Umständen , in
warmen Climaten schneller, als in kalten fliefsen.
Von dem äufserst wichtigen Einflufse, den die Stromrinne (*)
auf den Lauf der Flüsse hat.
Die Stromrinne ist des Flusses Arterie, die der ganzen Flufs-
masse, wenn wir uns so ausdrücken dürfen , Leben und Bewe-
(*) Ihre Mitte ist auf den mehresten Stromkarten, die bey diesem Werke
ansgegebeu werden, punctirt oder ausgezogen. Da in ihr fast immer
die gröfste Geschwindigkeit Statt findet, so ist sie auf vielen Karten
(als Tab. I. II. III. IV. u. s. w.) beschrieben mit Stromstrich, Man
lese darüber Seite 84. 85. und 86. nach.