■ Ein solcher Stab wird mit der Geschwindigkeit des Wassers
aus demselben Grande, wie schwimmende Körper in der Oberfläche,
fortgehen. W enn aber das Wasser auf eine Tiefe, bis
zu welcher der Stab eingetaucht ist, nicht emerley Geschwindigkeit
haben sollte, so ist die Frage, mit welcher Geschwindigkeit
alsdann derselbe fortgehen werde. Man sieht leicht ein, dafs
der Stab, wenn er mit der gröfsten Geschwindigkeit die an irgend
einem Puncte in seiner ganzen Länge Statt hat , fortgehen
sollte, mit seinem übrigen Theile das Wasser mit einer gewissen
relativen Geschwindigkeit durchschneiden mufste ; dieses
würde mit einer gewissen Kraft widerstehen, d ir überwunden
werden müfste, wozu aber nirgends eine andere Kraft vorhanden
ist. Die Geschwindigkeit der Stange mufs demnach geringer
werden, als die gröfste Geschwindigkeit des Wassers in irgend
einem Puncte. Eben so würde das Wasser die Stange mit einer
relativen Geschwindigkeit stofsen, und sie beschleunigen, wenn
sie nur mit der kleinsten Geschwindigkeit fortgehen würde, weiche
das Wasser in irgend einem-Puncte längs ihrer ganzen Länge
hat , sie mufs also mit einer solchen Geschwindigkeit fortgehen,
dafs der Stofs des Wassers auf denjenigen Theil der Stange, wo
es schneller als diese fließt, eben so grofs ist, als der Widerstand
den das Wasser der Stange auf denjenigen Theil ihrer
Länge leistet, wo sie die Geschwindigkeit desselben übertrifft.
Da nun die Veränderungen der GeschwindigkeitenJcontinuir-
lich sind, so mufs es in der Tiefe bis zu welcher die Stange eingetauchtist,
wenigstens einen Punct geben , wo weder Stofs noch
Widerstand auf die Stange Statt hat. Nähme nun die Geschwindigkeit,
von oben nach unten, nach einer arithmetischen Progression
ab- so wäre die Scale der relativen Geschwindigkeit des
Wassers auf dem obern Theile , der Scale der relativen Geschwindigkeit
der Stange an dem untern Ende vollkommen ähnlich
, und da Stofs und Widerstand gleich seyn müssen, auch gleich
grofs Der Punct, wo weder Stofs noch Widerstand Statt hat,
hegt also in diesem Falle in der Mitte der Eintauchung, und folglich,
wird die Stange mit der mitllern Geschwindigkeit fortgehen. Da
nun die Stärke des Stofses und des Widerstandes sich wie die
Quadrate der relativen Geschwindigkeiten verhält; die mittlere
Geschwindigkeit aber blofs aus dem einfachen Verhältnisse der
relativen Geschwindigkeiten bestimmt wird , so ist es, für ein anderes
Gesetz der Zu- oder Abnahme der Geschwindigkeiten , als
nach einer arithmetischen Progression , zwar nicht absolut richtig
, dafs eine solche Stange die mittlere Geschwindigkeit mathematisch
genau angeben müsse, da aber in regulairen Bahnen,
die Verschiedenheit der Geschwindigkeiten überhaupt nicht so
beträchtlich ist , wodurch Stofs und Widerstand folglich nur
kleine Gröfsen werden , so wird man gewifs nie einen erheblichen
Fehler begehen , der in der Practik je von Folgen seyn
könnte, wenn man die Geschwindigkeit der Stange in solchen
regulairen Bahnen , für die wirkliche mittlere Geschwindigkeit
des Wassers., bis auf ihre ganze Eintauchung, annimmt.
Herr Woltmann (n ) erwähnt noch einer von Bonati , bey
diesem Stabe, unter dem Nahmen eines hydrometrischen Astes,
angebrachten Verbesserung )• Da wir dieses Buch nicht besitzen,
und auch zu dessen Besitz nicht gelangen konnten ; so
können wir nicht bestimmen , worin diese Verbesserung bestehen
mag. Herr Woltmann sagt, dafs die Theorie dieses Stabes
verwickelt und zweifelhaft sey. Wenn man von demselben
nicht mehr verlangt, als man billiger Weise nur von ihm
erwarten kann, das heifst, dafs man durch ihn nicht mehr als
die mittlere Geschwindigkeit auf diejenige Tiefe, bis zu welcher
er eingesenkt ist, mit einer Genauigkeit, die in der Practik jedes-
mahl gewifs hinreichend ist, in Erfahrung bringen will; so sehen
wir nicht ab , wie dem Stabe dieser Vorwurf kommt; w ir ver-
muthen daher, dafs Bonati es vielleicht unternimmt, aus seiner
(72) Th. und Gebr. des hydr. Flug, in der Vorrede S. II.
( o ) Saggio sopra .una nuova theoria del moviment^ delle acque etc. Pavia9
17S5.