sind! Wird man es jetzt noch wohl wagen wollen, Theorien
über die Bewegung des Wassers a priori aufzustellen, da es einem
Newton, d’Alembert, Euler, B'ernouilli, Bossut und Langsdorf
nicht hat gelingen wollen? Die Sucht des Theoretisirens,
ohne hinreichende Data zu haben, wird aber wohl noch nicht
so bald aufhören, da selbst noch Buat, der sonst so viel auf
Versuche hä lt, sich eine sehr unzureichende Theorie gemacht hat.
W o trift seine Normalgeschwindigkeit (Regime) ( * ) , seine Formel
über die mittlere Geschwindigkeit zu ? ■ Welchem Flusse kann
und darf man einen solchen schleichenden Lauf geben , dafs
er, bey den höchsten Ansehwellungen , weder von dem Material
des Bettes noch von den Ufern Abbruch verursachen könnte,
wenn nähmlich beydes, Ufer und Boden, nicht aus Felsen oder
aus Steinen besteht. Und wenn es wirklich in unserer Macht
stände, die Eisgänge ganz zu entfernen, und dem hohen Strome
eine solche langsame Bewegung zugeben ,- ( indem das Bett unterhalb
erhöhet oder die Bahn oberhalb erweitert und unten
verengt würde), so dafs er die Buatsche Normalgeschwindigkeit
erhielte, dürfte man sich wohl zu einer solchen Operation
entschliefsen, ohne befürchten zu müssen, dafs alle niedrigen
Flufsgegenden in Seen und Moräste verwandelt werden würden ?
W er xnufs über solche und ähnliche Verschlage und Definitionen
nicht erstaunen, und sich nicht wundern, wenn er noch in
den neuesten Schriften liefst, dafs man an dem Flusse so lange künsteln
und bauen müsse , bis das Bett die Stabilité erreicht habe, und
mit dem Regime fliefse. Die Erfinder solcher Vorschläge sehen
also die Flüsse für ein Instrument an, auf dem sie nach Belieben
( ’•) Regime nennt Buat diejenige Geschwindigkeit, womit der Strom flie-
fsen mufs, um in den Beharrungsstand (Stabilité), so wie er ihn erklärt
, wobey nähmlich das Bett nichts vom Material verlieren darf,
' zu kommen. , Er sagt „ d’ou l'on doit ’ conclure ( aus der Definition
des Regime ) qu’il a autant de régimes qu’il a autant des natures de
terrains propres à opposer plus ou moins de reffistance au courant de
l’eau “ etc,
spielen können. O ! wir befürchten, dafs wenn sie in der Prac-
tik etwas leisten sollten , die Saiten ihrer zu hoch gespannten
Theorie bald springen würden ; und es ist ein Glück wie sich
Silberschlag , dem man so gerne alles Verdienst absprechen möchte
, ausdrückt «dafs sich die Natur nach solchen Speculationen
nicht richtet, sondern ohne unsre Weisheit zu erwarten, nach
den Gesetzen, die ihr die allerhöchste Weisheit des Schöpfers eingeprägt
hat, in der Stille fortarbeitet.^ Ja! wir wiederholen es
noch qinmahl: Theorien, die brauchbar seyn sollen, müssen
auf die Natur der Flüsse gegründet seyn ; sie müssen aus Beobachtungen
hefgeleitet Werden, und nie dürfen sie mit der Natur
im Widerspruche stehen. Kästner rühmt auch vorzüglich, in dieser
Hinsicht, die Uebersicht des gesammten Wasserbaues von
Büsch , weil der Verfasser darin die Theorie mit Erfahrungen
erläutert, unterstützt und diese auf jene angewandt habe. Er
sagt ferner von diesem Buehe: « Es enthält eigentlich das Philosophische
der Wasserbaukunst, welches vor dem Rechnen muls
überdacht werden. Freylich hat man , besonders über die Bewegung
des Wassers und was dahin gehört, manches gerechn
e t, ehe man es gehörig überdacht hatte* (b). Lorgna drückt
sich in dieser Hinsicht so aus : « Die Mathematik kann uns, wo alle
Data fehlen,und wo man mit Berechnung keinen Schritt Weiter kann,
als allein unter Begünstigung von tausenderley Voraussetzungen,
die einen an sich selbst schon verwickelten Gegenstand nur noch
verworrener und unsicherer machen können , keinen großen
Dienst leisten. Vielfältige Versuche, ausführliche und genaue
Nachforschungen, unabgebrochene Beobachtungen, und reiflich
erwogene Schlüsse, werden vielleicht mit der Zeit einiges Licht
über den Lauf des Wassers verbreiten. Ein Gegenstand der
bloß der Physik, und nicht der Mathematik, zugehören kann* (c).
f é ) Kästners Hydrodynamik, qte Auflage Seite 691.
( c ) Ricerche interno alla distribuzione délia vélocité, p. 29.