Aber nicht allein durch Eisgänge und durch hohes Gewässer
hat die Natur für die Reinigung der Flufsbetten gesorgt , sondern
auch in Hinsicht der Uebereinstimmung des Abhanges mit
dem Material, welches in den Betten zerrieben und fortgerollt
wird. D a , wo die Flüsse einen starken Abhang haben, wo
also ihre Geschwindigkeit beträchtlich und grofs ist, nehmen sie
grobes Material auf, so wie aber der Abhang geringer wird,
führen die Nebenflüsse keinen groben Grand in den Hauptflufs;
denn sie entspringen und durchlaufen Gegenden, wo keine gro-?
be Kiesel angetroffen werden , und haben selbst nur einen geringen
Abhang, und also auch nicht Geschwindigkeit genug,-
um beträchtliche Steine, wenn sie auch welche fänden , fortzuwälzen.
Der Boden der Flufsbetten besteht auch in denjenigen
Gegenden, wo er stark abhängig ist, aus groben Kieseln , und
da, wo eres nicht ist, aus Thon und Erde, oder aus Sand.
V o n dieser Characteristik sind wir so vollkommen überzeugt t
dafs wir gleich von dem Material, welches der Flufs führt, auf
seine Geschwindigkeit und seinen Fall beyläufig schließen würden.
So ist z. B. die mittlere Geschwindigkeit des hiesigen Rheines
bey weitem nicht so beträchtlich, als längs dem Bergischen,
und hier führt er auch feines Material und dort Grand und Kies.
Von Strasburg bis Mannheim wird der Kies immer feiner, und
unterhalb Worms bildet sich bis zur Maynmündung ein Depot
von grobem Sand, der immer feiner w ird , je näher man dem
Mayn kömmt. Dieser Flufs bringt dann erst wieder Grand.
Aus diesen Erfahrungssätzen ist es demnach klar, dafs Gug-
lielmini sehr richtig über die Zermalmung der Kiesel geurtheilt
hat, indem er sagt : « dafs man es nicht für etwas Sonderbares
ansehn dürfte , wenn die Flufsbetten nicht mit Kiesel angefüllt
wären, weil diejenigen, welche in den Flufs kommen, und die,
welche darin zermalmet werden; gleich zahlreich sind *. Er behauptet
ferner, dafs der Abhang der Flüsse abnehme,, ■ je nachdem
die specifische Schwere des Materials , welches sie führen leichter
sey. (g) Er leitet dieses so ab : « Je leichter die Stoffe sind,,
desto weniger widerstehn sie dem Wasser , und mit desto glücklicherem
Erfolge kann der Flufs sein Bett aushöhlen (h). So
richtig auch das erste ist, so kann man es doch nicht dem Materiale
zuschreiben , wenn die Flüsse schnell oder langsam fliefsen,
sondern es trift nur in der Eigenschaft der Flüsse zu, dais diejenigen
, welche einen geringen Abhang haben , auch kein grobes
Material führen , wie diefs auch bereits hinlänglich gezeigt worden
ist. Die Natur kennt die Gesetze, wonach sich die Flüsse in
ihrem Laufe richten,, sie gab also demjenigen Theile einen
gröfsern Abhang , in welchem Kiesel geführt werden , damit eine
solche Geschwindigkeit entstünde , vermittelst welcher der Kiesel
fortgerollt werden könne. Uebrigens hängt auch der Widerstand
, den das Material leistet, von dem gröfsern oder geringem
Abhange des Bodens ab: denn auf einem stark abhängigen Boden
können die Kiesel leichter fortrollen , als auf einem wenig
abhängigen. Ungeachtet dieser richtigen Vorstellungsart, haben
einige dafür gehalten, dafs der Eisgang, bey gleicher Geschwindigkeit,
auf einen horizontalen Boden stärker als auf einen abhängigen
wirke. Diese werden aber nothwendig vorauszusetzen
gezwungen feyn , dafs eine jede Fläche , welche mit der Richtung
des Stofses parallel liegt, den gröfsten Stofs erhalten müsse.
Verdient diese Veraussetzung aber wohl widerlegt zu werden ?
Und dann ist ja noch auf einem stark abhängigen Boden die Geschwindigkeit
gröfser als auf einem horizontalen, wie aus den
(g ) Nu ovo Raccolta d'autori, che trattano del moto dell acqua Vol. II
Cap. V. prop. V.
(/:) Ibidem pag. 82. Er sagt: „ la prima cause- a stabilireralveo.de’ Fiumi
e la condizione della Materia , deila qualesonocomposte. ie ripe , et
il fondo , poiche le terre arenofe cedono piu facilmente alla forza dell’
acqua corrodente , che le cretose, e queste piu facilmente, che il sasso.
La feconda e la situazione del fondo , o delle ripe del fiume, effendo-
che quanto piü fari declive un fondo arenofo , o ghiajofo tanto pik la
medefimj forza dell’ acque farä potente ad efcavarlo,