Dieser Beharrungsstand der Flüsse ist derjenige Zustand, wo-
bey sich alle möglichen Profile (senkrechte Querschnitte) wie die
mittlern Geschwindigkeiten verhalten: denn das Profd, mit der
mittlern Geschwindigkeit multiplicirt, gibt die Wassermenge,
welche hier unveränderlich ist. Wenn demnach die Wassermengen
der Profde ungleich sind , so ist auch der Strom nicht
im Beharrungsstande.
Da nun das Profil aus der Breite und aus der mittlern Tiefe
bestimmt wird , so müssen sich , während des Beharrungsstandes
des Stromes, in zweyen Querschnitten die Producte aus der
mittlern Tiefe mit der Breite, umgekehrt gegeneinander verhalten,
wie die Geschwindigkeiten. Diese Gröfsen stehen also in einem umgekehrten
Verhältnisse. Oder welches einerley mit diesem Satze
is t, das Profil a. verhält sich, während des Beharrungsstandes.,
zu dem Profile b . , wie die mittlere Geschwindigkeit dieses Profiles
zu der mittlern Geschwindigkeit des Profiles a. Wollte
man also die Geschwindigkeit in einem Profile verstärken , so
müfste die Breite oder die Tiefe, oder beydes zugleich, verringert
werden. Sollte sie verringert werden, so müfste man die Breite
und Tiefe vermehren; denn in jedem Falle mufs ' nach der Erklärung
des Beharrungsstandes , dieselbe Wassermenge herauskommen.
W o also die Geschwindigkeit geschwächt werden
soll, und das Material keine sonderliche Vertiefung zuläfst, da
mufs man gleich anfänglich die Breite vermehren.
Von diesem hydrometrischen Axiom leitet man die Folgerung
ab, dafs in den engsten Stellen der Flüsse auch die gröfste
mittlere Tiefe Statt hat, nähmlich d a , wo das Material einer
Austiefung fähig ist, dafs heifst, wo die Gewalt, oder Geschwindigkeit
des Stromes, bis auf den Boden hinab, dergestalt wirken
kann, dafs sie kräftig genug is t, um in dem Bette eine solche
Vertiefung hervorzubringen, die sich durch den engen Strombezirk
erstreckt, denn es könnte auch der Fall eintreten , dafs an
dem Ausgange einer Enge, sich eine feste Erhöhung des Bettes
befände, welche die Vertiefung nicht zuliefse. In diesem Falle
müfste also die Oberfläche des Flusses einen Theil ihrer vorigen
Neigung, als die Bahn noch nicht so enge war , verlieren und
sich erhöhen.
Brünings Sagt in einer Abhandlung über' die Verbesserung
des Y ’s (p) §. 4. «Die Regel, dafs die gröfsten Tiefen in den engsten
Stellen eines Flusses gefunden werden, ist so allgemein, dafs
ich mich nicht zu erinnern weifs, ein derselben widersprechendes
Beyspiel je gesehen oder gelesen zu haben", und Zanotti («)
ist vielleicht der einzige, welcher die gröfsten Tiefen in den engsten
Profilen nicht für nothwendig hält, um das obere Wasser
frey durch zu lassen , indem er meinte, dafs , wenn die Tiefe
einmahl von dem Strome regulirt is t, alsdann das in diesen
tiefen Stellen stehende Wasser , nur zur Sicherung des Bodens
diene, und also eine fernere Abnahme desselben verhindere
(*). Doch wer sieht nicht, dafs diese Voraussetzung so lan-
■ ge ganz willkührlich ist, big. man durch Versuche gezeigt
hat: einen Theils , dafs das Wasser in den tiefsten Stellen stillstehe
, und'dafs zweytens die Geschwindigkeit in dem übrigen
Theile des Querschnittes so viel gröfser als die Geschwindigkeit
in den weitern Profilen sey, und zwar um so v ie l, damit die
nähmliche Wassermenge abgeführt werde. W o aber sind die
Versuche, die dieses beweisen, angestellt? Da in der Folge
(so viel als möglich) die Ursachen erklärt werden sollen, warum
der Rhein, so weit ich ihn in Rücksicht seiner Bahn seiner
Geschwindigkeit im Stromstriche , seiner Neigung und seines
Abhanges untersucht habe, so und nicht anders in seinem Bette
fliefst, so kehren wir zu der Betrachtung über den Beharrungs-
Stand zurück.
(yj) Verhandeling door de Hollands che Maatschappye. XXIV. Deel.
(<7) In seiner Raggionamento sopra la disposizione dell’ alyeo de’ Fuimi.
( * ) Zanotti glaubte also auch, dafs das Vasser über Wasser hingleite.