
von Einzelnen mit grösserer oder geringerer Beschränkung angenommene, von Anderen
verworfene Yerfärbungs- und Ergänzungs-Theorie Schlegels, nach welcher ein Nach-
wachsen der Feder-Bärte und Bärtchen statthaben soll, muss, wie wir glauben, mit
grösser Vorsicht und in sehr beschränktem Umfange angewendet werden, um die Frische
der Farben der sogenannten Hochzeitskleider darnach zu erklären. Zunächst bleibt i es
mir, selbst wenn ein Wiederbeleben des Federschaftes und der Fahnen vorausgesetzt
wird, doch ein vollkommenes Bäthsel, wie die abgeriebenen Spitzen des. Gefieders sich
dadurch ergänzen sollen, da weder Haare, noch Nägel, noch Federn an ihren Spitzen
wachsen, sondern vom Grunde her nur weiter hervo'rgeschoben werden. Es müssten
also jedenfalls', selbst bei gleichmässigster Abnutzung der einzelnen Federn, die Ränder
derselben ihr Alter kundthun. Dieses findet nun auch bei zweien sehr dunklen Männchen
vom 20sten und-29sten März 1860, die Herr Maximowicz am mittlem Ussuri
erlegte, statt, aber ein dritter Vogel, am 5! Mai 1858 im Bureja-Gebirge erlegt,
fügt sich dem nicht. An diesem interessanten Exemplare sprechen sowohl die Spitzen
der meisten Bauch- und Brustfedern, wie'auch ihre- sehr lebhafte carminrothe Farbe
anscheinend ganz für Schlegels Behauptung. Die Loupe erst ermöglicht es, auch
diesen Fall ohne jene Theorie zu erklären. Betrachten wir nämlich mit derselben
einige Brustfedern dieser Gimpelart auf schwarzem Grunde, so sehen wir, dass nach
der Herbstmauser des alten Männchens die Bärtchen der rothen, oft dunklen, oft
hellern Federschäftchen weiss sind und dass jene schöne Rosafarbe des Herbst- und
Winterkleides der alten M. daher rührt, dass in sehr1 dichter Reihenfolge stets ein
carminrother Schaft jederseits von 2- weissen,j silberglänzenden Fähnchen umgeben ist.
Nur die Spitze der SchäftcheU ist zu dieser Zeit weiss und bedingt dies dann die
helle, oft recht breite weisse- Randeinfassung der Federn. Beb weiterer Abnutzung
dieses Gefieders nun lichten sich, erstens die Fähnchen mehr oder minder, aber an
den Spitzen der einzelnen Schäftchen gewiss bedeutend. Gegen .Ende des Winters, und
so auch an beiden im März erlegten Exemplaren vom Ussuri, ist die weisse Spitze
der Schäftchen fast ganz verstossen und damit schon ein kräftigerer Zug des gesammten
Gefieders der untern Körperseite in’s Rothe bedingt. Die um diese Zeit
von der Brust genommenen Federn sind zweifelsohne alte; die Bärtchen der Nebenschafte
stehen im Allgemeinen gelichteter, als im Herbstkleide des Vogels,' sind auch
etwas schmäler,- so dass das geänderte Verhältniss ihrer Breiten zu dem der carinin-
rothen Schafte schon auf die Gesammtfarbe des Bauches und der Brust influirt. Im
Mai nun endlich ist die Abnutzung des Gefieders noch in ein weiteres Stadium getreten.
Mit herannahendem Frühlinge stellte sich grössere Lebhaftigkeit dieser Vögelchen
ein, die Vorrichtungen zürn Nestbau (brütet, wie ich später zeigen werde,
selbst noch im Bureja-Gebirge), die gegenseitigen,' oft sehr eifrigen Verfolgungen der
Männchen bringen sie-in die dichtesten Gebüsche und zwischen die Gräser des Bodens.
Daher wurden denn auch die Bärtchen der (Nebenschafte an ihren Spitzen oft
ganz vernichtet und so stehen denn nun die carminrothen Nebenschafte in reinster
Farbe bald mehr, bald weniger an den Spitzen der Brust- , und Bauchfedem und bedingen
die so auffallende Tiefe des Carminrothes im Hochzeitskleide. Das erwähnte M.
vom 5. Mai, an welchem ich dies deutlich sehe, kann nicht als ein, die Verfärbungstheorie
bekräftigendes Individuum angesehen werden; da, wenn eine Wiederbelebung und
Ernährung der Federn stattgefunden hätte, der Basaltheil der Federn zunächst sich an
der Ablagerung neuer Pigmente betheiligen müsste und nicht, wie es an unserm Vogel
deutlich ist, die Federränder und besonders ihre Spitzen das eclatante Roth aufzuweisen
hätten. Dadurch aber, dass allein die enthärteten Nebenschäftchen an der Federspitze
und an den Rändern stehen bliebpn, ist die durch den'Verbrauch des Gefieders hervorgerufene
Entstellung der einzelnen Federn nicht mehr so stark in die Augen fallend,,
und erst bei genauerer Durchsicht findet man sehr wohl die ungleiche Abnutzung der
Federränder bestätigt.
Von den weiblichen Exemplaren meiner Suite besitzt eines, welches der Grösse
nach ganz zum grosswüchsigen TJr. sibiricus gehört, die braungelbliche Tinte des Gefieders
in noch höherem Grade, als es die Abbildung (Taf. 36) für Ur. sanguinolentus
Bonpt. et Schlegel darstellt. Ausserdem sind die seitlichen Kopftheile sammt der Kehle
meiner weiblichen Vögel nie weiss, sondern schmutzig grau mit dunklern Schaftflecken;
diese letztem bilden sogar jederseits von den Mundwinkeln einen ziemlich deutlichen
Kehlstreifen, den ich in beiden Abbildungen des citirten Werkes (Tf. 34 und 36)
vermisse. Ein altes Weibchen, das am 17. April 1858 im Bureja-Gebirge erlegt
wurde, stimmt zwar in der Grösseyjzum Urg. sanguinolentus, trägt aber das, Kleid
des. Ur. sibiricus und besitzt den . rothen Anflug auf der Brust und an dem Bauche, so
wie um die Basis des Oberschnabels 'in recht bedeutendem Grade.
Ich gebe hier noch einige Maasse in Millimetern, um die Uebergänge in den
Grössenverhältnissen gleichfalls darzuthun:
Uragus sibiricus.
Baikal. Amur.
M. W. M. M. M. . W.
Totallänge ..................................... H . . ’ . . . ............................... 152 147 152 M 26 132. 142
Länge des zusammengelegten Flügels ..................................................... 79 72 7 0 ‘‘ 73 ' 65 66
„ des Schwanzes .................................................................................... 93 86 82 72 68 78
„ des Schnabels ,auf der F i r s t .......................................................... 7 9 8 . 7 7 -!■:
„ des Laufes Hl . s . , . . .V.^ . .......................... 16 16 16 16 16 16
„ der Mittelzehe mit dem Nagel.......................................................... ü 18 11 11 14 12
„ des Nagels an der Mittelzehe.. . . . . . . . . . . 5 5 - 5 5 5 4