
IV. GALLINACEAS
155. Columba liv ia Briss.
Vart. nqpieola daurica Pall. == C. nipestris Bp-1)-
Vergl. Zoögraphiä ross.-aat. T. I, p. 559*).'
Schon während meiner Rundreise um den Baikalsee (1858) traf ich diejenige
recht constante Varietät der C. livia, welche Pa llas als ausschliesslich in Daurien lebend
bezeichnet und sie, da er C. livia von G. öenas nicht trennt, unter der Vart. S
als C. oenas' vart. rupicola daurica bezeichnet und beschreibt. Freilich lebten recht
bedeutende Schwärme, deren Individuen durchaus sehr gleithmässig die charakteristische
Schwanzzeichnung besassen, auch an den ödesten, von menschlichen Ansiedelungen weit
entfernten Felsenufem des Sees, aber nichts desto weniger ist eine grosse Anzahl
deijenigen Tauben,’ die z. B. in Irkutsk' ein freies, ungehindertes Leben führen und
in der Stadt brüten,’ ganz ebenso gefärbt, wie diese Varietät. Auch' muss man überhaupt
bemerken, dass überall inTtussland, wo die Tauben sich zumal in den Städten
eines allgemeinen Schützes erfreuen, ja oftmals gepflegt nnd gefüttert werden, grössten-
theils die normal graue Färbung, wie sie die wilden Stammeitem tragen, besitzen.
Soll ich meinen Beobachtungen trauen, so nahm jenes Vorwalten der Normal-Tracht
im Osten Russland’s immer mehr und mehr zu. So z. B. sah ich in Kasan, wo
mufthiichft Tauben ein freies-Stadtleben führen, vielmehr graue, als z. B. in Moskau.
Jene Tauben aber, welche in den Städten und Dörfern Ostsibiriens leben und
unter denen, die. vart. rupicola daurica vorkommt, befinden sich dort in keiner directen
Abhängigkeit vom Menschen und wir dürfen diese Varietät also, um so mehr, da sie
in grösser Beständigkeit eich an den ganz wild I lebenden Individuen vererbt, als eine
normale bezeichnen, zu deren Existenz die künstliche Zucht nichts that. 2 Exemplare,
die ich Anfang November am Schamanenfelsen unweit des Dorfes Kultuk erlegte,
besitzen bei ihrer ansehnlichem Grösse im Vergleiche zu südeuropäischen G. livia die
gesammte graue Farbe des Körpers heller und reiner, namentlich macht sich das auf dem
Mantel und am Bauche kenntlich. Das charakteristische Abzeichen dieser Varietät wird
durch die nicht selten zollbreite weisse Querbinde auf dem Schwänze, die Oberhalb der
I) Consp. gener. avium, T. n , p. 48. .
* 2) Columba Palumbus, deren sehr seltenes Vorkommen in O s t-S ib ir ie n P a l l a s (1. c. p. ^5b4) nacn
M e s s e r s c hm id t erwähnt,,h ab e ,ich nicht anfflnden können: Znletzt sah ich säe im Mai 1865 bei der Passage
über das Ural-Gebirge.
grauschwarzen Endbinde beginnt, gebildet; ausserdem ist die gesammte Aussenfahne
der äussersten Steuerfedern, mit Ausschluss. der schwarzen Spitze, gleichfalls weiss.
Die nachstehenden Maasse, denen ich entsprechende, an der südeuropäischen C. livia
genommene, zur Seite stelle, werden einige Grössenunterschiede deutlich machen.
T o ta llä n g e ................................................... . .
Länge des zusâmmengelegtén Flügels . . .
dés Schwanzes .
des Schnabels, auf der First gemessen
des Laufes...............................................
der Mittelzehe ohne Nagel . . . .
des Nagels an der Mittelzehe . . .
europaea.
10" 2" '
1" 6 "
3" 9"'
1"
io V«"'
.8'"
Weder diese Varietät im wilden Zustande, noch die Haustaube sah ich am Amur.
Im Winter blieben die am Schamanenfelsen brütenden Tauben an ihren Nistorten,
besuchten ab und zu die Dreschplätze im Dorfe Kultuk, stellten zur Mittagszeit anhaltende
Flugübungen an und klammerten sich zum Ruhen auf kurze Zeit an die steilen
Pelsenränder fest', Am 19. April brüteten die zahmen Haustauben im Tunkinskischen
Posten bereits, obgleich hier noch käum der Winter geschieden war.
156. Columba ( IV r l s t e r a ) Turtur L.
Vairt. gelastis Temm.
Neuerdings hat H. Akad. L. v. Schrenck l) nochmals die grosswüchsige Varietät
der Turteltaube, welche Temminck und S c h le g e l2) artlich trennen, ausführlich besprochen
und sich der Ansicht Prév o st’s 8) und v. Middendorff’s *) angeschlossen, nach
welcher der C. gelastis Temm. nur die Bedeutung einer ausgezeichneten geographischen
Varietät beigelegt wird. Auch ich stimme dem bei. Das aus dem Buréja-Gebirge mitgebrachte
alte Männchen, welches am 4. Mai 1888 erlegt wurde, stimmt auch in der
dunkleren Färbung, namentlich der Kropfgegend, ganz zur Abbildung, wie sie die Tafel
LX B. der Fauna japónica giebt. Auf der Mitte des Rückens aber, namentlich auf-
1) Reisen und Forschungen etc. 1. c. p. 389.
2) Fauna japónica, Aves., p. 100.
8) Les Pigeons, par Mm. Knip, II, p. 53.
4)“Sib. Reise 1. c. p. 189.: