
wiederum lassen sich die Soprane einzelner Schwanengänse hören, wiederum ertönt der
bedächtige, warnende Anschlag alter Märzenten-Erpel. > So geht es fort. Erst gegen
Mitternacht beruhigt sich die Gesellschaft nach und nach. Man hat sich verstanden. Die
nahe bevorstehende Reise musste besprochen werden. Jetzt muss geruht werden. Im Delta
ist es still. Die Strudel der Angara rauschen leise. Die Nacht ist kühl. Der Mond steigt
höher. Eern umhüllt die Gebirge ein sanfter mildernder Schleier, und über den Sand am
Baikalufer läuft auch jetzt noch der, kleine Regenpfeifer, dessen langanhaltendes Pfeifen
allein die nächtliche Ruhe ab und zu unterbricht. ■
In unserer letzten, nunmehr folgenden Betrachtung soll der Zug durch den nördlichen
Theil der Mongolei genauer besprochen werden. Derselbe liegt in ganzer Klarheit vor
uns. Diese Deutlichkeit desselben; und die Unfehlbarkeit der darauf bezüglichen Beobachtungen
konnten nur dadurch erzielt werden^ dass das Terrain, auf welchem ich; mich zur
Zeit des Zuges befand, so aussergewöhnlich günstig für diesen Zweck beschaffen war, wie
es wohl nur selten anderweitig der Fall ist. Wir müssen also dieses Terrain .näher erst
beschreiben.
Verfolgt man die Reiseroute, vom Apfel-Gebirge kommend, über Tschita gegen Süden
und gelangt im Ilja-Thale bei Akschinsk und Mogoitui zum Onon-Flusse, so befindet man
sich hier noch in einer Landschaft, welche ganz dem bewuldeten Theile Dauriens entspricht
und man verspürt nur hie und da im 11 j a - Thale selbst einige Andeutungen der
wenig südlicher gelegenen kahlen Hochsteppen. Es treten nämlich schon im untern und
mittlern Thale des Ilja-Flüsschens auf recht bedeutende Strecken hin die Wälder weit'
seitwärts zurück und ganz so, wie am oberen Selengalaufe, oder an der Uda in Trans-
baikalien, weilt das Auge auch hier, ab und zu auf den harten Conturen kahler Höhenzüge.
Sehr bald, wenn wir von jenen oben erwähnten Orten am Onon dem Laufe dieses
Quellflusses des* Amur folgen, schwindet die. Wald-Landschaft mehr und mehr. Die hügeligen,
oft stark verwitterten Ufer, welche von vielen kleinen Querthälchen durchsetzt sind,
bieten nur hie und da dürftiges Gestrüpp und nur als breiter. Saum- legt sich bei der
Grenzwacht S’asutsche ein dichter Kiefern-Hochwald zwischen das rechte O.non-Ufer
im Norden und der baumlosen Mongolei im Süden. Einige dreissig Werste südwärts von
diesem Walde befinden wir uns am Nordrande des T arei-nor, eines jetzt fast ganz ausgetrockneten,
grossen Salzsees, dessen gleichmässig flaches Bette sich bis zur mongolischen Grenze
streckt und dessen Ufer besonders im nordöstlichen Winkel allmählich zu niedrigen Hügelketten
auslaufen. Hier stehen, wir auf dem Felde unserer Beobachtungen im Frühlinge 1856,. Die
Grenzwacht Kulussutajefsk mit ihren meistens dürftigen, hölzernen Häusern steht im
Norden des T are i-n o r auf der Höhe, von welcher aus der Blick das öde, leere, grauweisse
Tarei-Bette umfasst und südöstlich über die Höhen der sogenannten Blauen Berge (Kuku-
chada) irrt. Im Vordergründe, gleich am Füsse der Höhe, auf welcher die Grenzwacht
erbaut wurde, legten die Kosaken im lockern Sandboden einige dürftige Gemüse-
Gärten an, welche sie sorgsam mit herbeigeholtem Strauchwerk einheckten. Die jungen
Zitterpappeln aus dem Walde von S’asutsche geben dazu das vornehmlichste Material
und nicht selten sieht man diese todteri, oft 5—6' hohen Strauchwände auch mit Rohr
durchsetzt und hie und da sind einige Kiefernbäumchen zwischengesteckt. In dieser
Weise sind die neben einander liegenden Gemüsegärten vortheilhäft vor den heftigen
Stürmen, die oft anhaltend einsetzen. geschützt. So unwesentlich nun dergleichen in
bebuschten Gegenden sein mag, hier wird es während der Zugzeit für die kleinern
Zugvögel von höchster Bedeutung. Gerade an und in diesen Hecken fand ich ohne
Ausnahme stets die neuen kleinen Ankömmlinge. Hier ruheten sie, oder konnten sie
bis hierher nicht gelangen, so musste man'sie zwischen den hohen Garexhumpen und
Hügelchen suchen, die in einiger Entfernung von den Gemüsegärten die sumpfigen Ufer
einiger Süsswasserlachen bedecken. Es befinden sich nämlich im Nordostwinkel des Tarei-
beckens einige Quellen süssen Wassers, welche züsammensickernd neben einigen kleinen
Dümpeln auch eine grössere Lache bilden, deren Ufer theilweise mit hohem Rohr bewachsen
ist. Eben diesem Rohr verdankt die Gegend und das Grenzdorf den . Namen
Kulussutai, da Kulussun im Mongolischen gleichbedeutend mit . Rohr ist. Das süsse
Wasser aber, i welches sich hier in einem förmlichen kleinen Teichcomplexus sammelt,
wird für die Rast der Zugvögel im Frühlinge von, ebenso grösser Bedeutung, wie es überhaupt
entscheidend wurde für die Ansiedlung der Russen und für die Concentrirung der Nomaden
in dieset Gegend. Denn bleibend süsses Wasser ist in der Mongolei selten nur zu
finden und wir müssen nordwärts, wie auch südwärts von Kulussutai an 40 Werste reisen,
ehe wir darauf stossen. Dort gelangen wir dann zum Onon, hier zur Uldsa und Imalcha.
Erinnere ich nun noch daran, dass die hügeligen, nackten Steppen durchweg sehr spärlich
nur mit Kräutern bewachsen sind, dass überall in ihnen der kiesige’ Boden ganz deutlich
und unverdeckt dem Blicke sich zeigt, dass über diese Länder meistens ein frischer
Luftzug weht, der Winter lange anhält, wenig Schnee bringt und erst im Mai die Flora
erwachen kann, 'so habe ich “damit im Allgemeinen genug über die Verhältnisse gesagt,
die der Zugvogel hier trifft und kann nun die Beobachtungen selbst folgen lassen.
März 6 1). Corvus Monedula- vart. daurica und Otis Tarda, beide
direct aus Süden anziehend.
März 9. Tags zuvor und heute ziehen einzelne Thurmfalken (F.
tinnuncidus).
März 10. Syrrhaptes paradoxus in kleinen Gesellschaften. Die einzelnen
Paare trennen sich bald. Die Hoden der Männchen
sind schon stark geschwollen. Das Brutgeschäft beginnt sehr
1) Alle Daten werden nach altem Styl aufgeführt. Die Temperaturen gebe ich am Rande an, sie wurden
täglich dreimal, 6 Uhr früh, 2 Uhr Nachmittags und 10 Uhr Abends abgelesen. Bis zum 14. März wurden keine
meteorologischen Beobachtungen notirt. Man vergleiche übrigens meine Angaben in Bd. 23 der «Beiträge zur
Kenntniss des ßuss. Reiches», p. 372'et seqt.