
Amurgebiete wiederum eine bis jetzt nur in Indien und Ceylon vorgekommene Art
kennen lernen, und diese eine zwar sehr ausgezeichnete, aber doch wenig gekannte
ist. Es wird sich überhaupt die Verwandtschaft der Fauna des äussersten Südens
der neu acquirirten sibirischen Gebiete mit jener am Himalaya existirenden in allen
Thierabtheilungen direct nachweisen lassen, und wenngleich wir unter den Wirbel-
thieren nur hie und da jene Verwandtschaft angedeutet finden, so tritt sie unter den
wirbellosen Thieren und namentlich unter den Insecten deutlicher hervor, und es sind
keinesweges weder die Höhen des gebirgigen Südrandes von Centralasien, noch die
kahlen, weitgedehnten Hochländer der Mongolei als entschiedene Grenzen zu betrachten,
welche die organischen Schöpfungen südlich vom 30° nrdl. Br. von denen
etwa des 50° nrdl. Br. trennen. - » So bemerken wir denn von den Circas-Arten Ostindiens
den durch J. Fr. Gmelin') zuerst 1789 gutbenannten, von Pennant und
Latham gleichfalls gekannten Falco (Circus) melanoleucos Gml. nicht nur in den südlichen
Gebieten des mittlern Amurlaufes, sondern auch bis in sein hochgelegenes Quellland
das russische Grenzgebiet behaupten. Dadurch aber gewinnt die russische Fauna,
falls wir die gegenwärtig zwar schon zweifelhaft gewordene artliche Selbstständigkeit
von Circus pygargus und C. pallidus sammt der von Circus cineraceus einstweilen noch
festhalten, einen 5ten Repräsentanten der Weihen. Wir beginnen mit diesem Vogel die
Aufzählung und Besprechung der Circus-Arten Ostsibiriens.
19. Circus melanoleucos Gml.2) Taf. II. Fig. 1.
Bei den Birar-Tüngusen heissen die Circus-Arten Skadste.
Der Student Sokoloff, welcher den berühmten P a lla s 1772 in Daurien begleitete,
hat diesen Circus zuerst beobachtet, aber nicht erlegt; denn die Anmerkung, welche
P a lla s 3) bei Abschluss der Accipäres macht, wo es unter Anderem heisst: <caput supra
dorsumque inter alas et alarum bases nigra, vel fusco-nigra >, lässt keinen Zweifel darüber,
dass es Circus melanoleucos war, den Sokoloff am untern Argunj sah.
Das einzige Exemplar dieses Vogels, welches ich mitbrachte, ein altes Männchen, wurde
am 28. April alten Styls gleich oberhalb des Bureja-Gebirges in den Flachländern, welche
sich am rechten Ufer des Udirflüsschen hindehnen, erlegt. Dieser Vogel trägt das irische Kleid
ganz vollkommen, es lassen sich weder verblichene Spuren, noch abgeriebene Federn (bis auf
1) Syst naturae. Ed. XITT, T. I, p. 274.
2) Buteo melanoleucos Vieil., welcher in der Galerie des oiseaux p. 40 beschrieben und p. 14 abgebildet ist,
darf nicht mit Circus melanoleucos Gml. vereinigt werden.
3) Zoogr. ross.-äst. T. I, p. 372.
die Spitzen der Schwingen- und Steuerfedern) an ihm finden. In diesem ausgefärbten Kleide ist
der ganze Kopf sammt dem Halse und Rücken kohlschwarz. Das Schwarz erstreckt sich vorne
über die Mitte der Brust, wird aber seitwärts von Schneeweiss scharf umgrenzt, welche letztere
Farbe über die gesammte untere Körperseite, so wie über die Befiederung derFtisse und
die untern Flügeldecken verbreitet ist. Oben dagegen sind die verlängerten Schulter-Federn
tief schwarz, dagegen die kurzen am Ober- und Unterarm gestellten meistens weiss, die äussersten
von diesen ein wenig in Grau gemischt (hier steht auch noch eine Feder des voijährigen
Kleides). Die übrigen obern Flügeldecken, mit Ausnahme der äussersten auf der Handwurzel,
sind tief schwarz. Nur die innersten, den Schulterfedern an Länge fast gleichkommenden,
sind weiss und stark in Blaugrau bestäubt. Dieses findet auch an allen Schwingen 2ter
Ordnung statt, die grossen Schwingen sind nur im Basaltheile weiss, sonst schwarz. Die
obern Steissfedern sind schneeweiss, die verlängerten obern Schwanzdecken bläulich grau
bestäubt. Der ungebänderte Schwanz ist bläulich grau, wenig in’s Bräunliche ziehend, die
Innenfahnen der äussem Steuerfedem werden fast rein weiss. Betrachtet man die schwarzen
Federn des Kopfes genauer, so erweist sich, dass dieselben seitlich vom Ohr aufwärts
und nach vorne schon auf der Mitte des Schädels nur längliche schwarze Endflecken haben,
sonst aber rein weiss sind; dieses Weiss der Basalhälfte der einzelnen Federn zieht sich
bis tief in den Nacken, wird dann weniger rein und macht zuletzt dem Rauchgrau Platz,
welches man überall am übrigen schwarzen Gefieder dieses Vogels an dem Grundtheile der
Federn sieht. Der Schleier dieser Circus-Art ist recht deutlich ausgebildet.
Wie es L ev a illan t’s *) Abbildung deutlich zeigt und ich es auch an einem
Exemplare dieser Weihe, welches im Wiener Museum aufbewahrt wird, bemerkte, so ist
das Gefieder jüngerer Männchen mehr oder weniger in den schwarzen Parthien von
Dunkelbraun untermischt.
In Bezug auf die plastischen Verhältnisse erörtere ich an meinem Vogel Folgendes:
Die Schwingen sind frisch, daher hier normale Längenverhältnisse. Die 2te bis
5te Schwinge incl. sind auf der Aussenfahne deutlich verengt, die 3te und 4te
Schwinge gleich lang, die 2te und 5te fast gleich lang (die 2te überragt die 5te
um kaum 1 Linie), die 6te überragt die Iste um circa 15 Mmtr. Die Flügelspitzen
überragen den Schwanz um ein Geringes, der Schwanz ist gerade; die äusserste
Feder desselben kaum etwas kürzer als die 2te, alle ändern gleich lang. Am schlanken
Fusse ist der dünne Lauf länger, als bei C. cyaneus, worüber die gleich folgenden
Maasse Näheres geben; jdie Aussen- und Innenzehe sind fast gleich lang. Die Befiederung
des obern Theiles vom Laufe ist wie bei C. cyaneus. In nachstehender Tabelle
stelle ich die Maasse, die ich an meinem Vogel genommen, mit denen vom Wiener
Exemplare zusammen.
1) Hist, natrll. des oiseaux d’Afr., p. 32.