
Dahingegen lassen die befiederten Füsse in der Farbe sehr deutliche Uebergänge von
Bubo maximus europaeus zum Bubo sibiricus erkennen, denn selbst an dem jungen Uhu
vom Onon-Ufer (December 1856, ohne Zweifel im Jugendkleide) sehe ich auf der
vordem Seite der Läufe schon viel Weiss (ziemlich rein) unter das Gelb gemischt, wie
es St. Bubo in Europa besitzt. Bei ältern Individuen schwindet auch hier das Gelb
fast ganz, die spitzwinkelige grauschwärzliche Zeichnung aber hat der sibirische Uhu mit
dem europäischen auf dem Tarsus gemeinschaftlich. Auf der Rückenseite unserer Vögel
fällt nun aber das Vorwalten der weissen Spritzflecken gegen die dunklen Federfelder
sehr auf, und es lässt sich für die gesammte obere Körperseite, namentlich aber für
die Rückenfedern und obem Flügeldecken die Behauptung rechtfertigen, dass am sibirischen
Uhu nicht nur die Spritzflecken und Binden heller, meistens sogar weiss. sind,
sondern dass sie auch häufiger werden, als am europäischen Vogel, und die schwarzen
Zeichnungen bisweilen ganz verdrängen, bisweilen nur partiell beeinträchtigen. Auch
hier betheiligt sich das Alter des Vogels an dem Grade des Vorwaltens und der Verbreitung
von Weiss, obschon wiederum das Alter allein nicht die Ursache dafür ist,
sondern auch im Jugendkleide manche Abweichungen vom europäischen Uhu sich bemerken
lassen. Diese alle aber dürfen wir nicht als artliche Kennzeichen gelten lassen,
wenn wir nicht bei cönsequenter Befolgung und Durchführung eines solchen Princips
in die unhaltbarste Richtung der Systematik gerathen, und jede klimatisch-geographische
Varietät als selbstständige Art der Welt anpreisen wollen. Der Uhu Sibiriens hat
daher ebenso wenig das Recht, als Art zu existiren, wie eine grosse Anzahl anderer Vögel,
die in Folge ihrer weiten Verbreitung auf der Erde bald mehr, bald weniger den abändernden
Einflüssen des Klima’s, wie überhaupt ihrer Existenzbedingungen unterworfen sind.
Am 20. März brütete der Uhu bereits in den Blauen Bergen (ülan-chada) südöstlich
vom Tarei-nor. Die 3 gleichgrossen Eier, welche ich aus dem Neste nahm, haben eine
Längenaxe von 59 Mmtr. und einen Querdurchmesser von 49 Mmtr. Er kommt dort sowohl
wie überall im Süden Sibiriens häufig vor, und ist ebensowohl Wald-, als Hochsteppen
- Bewohner.
II. SCANSORES.
SO. Acanthylis caudacuta Lath.
Bei den Burjaten am mittlem Irkütlaufe: Morün-Charasagdi, d. h. die Pferde-Schwalbe;
diese Benennung gilt auch dem gemeinen Mauersegler.
Nachdem H. L. v. Schrenck bereits in seinem Reisewerke über das Amurland1)
sich über die wahrscheinliche Verwandtschaft der Hirundo Chris Pall, mit dem.Accmthylis
caudacuta Lath. ausgesprochen, bleibt mir in Bezug auf diesen Punkt nur zu bemerken
übrig, dass der von Steller beschriebene und von Pa llas nach dieser Beschreibung in
die Zoographia Rosso-asiatica als H. Oiris aufgenommene Vogel wahrscheinlich ein junges
Individuum gewesen ist. Denn, dass die weisse Farbe des Gefieders, so namentlich.
die der Kehle, der Innenfahnen der hintersten Schwingen, so wie die weisslich grauen
Federn des Rückens wohl erst mit zunehmendem Alter an Reinheit der Farben gewinnen,
so wie andererseits die Tiefe der schwarzen Farbe und der starke Metallglanz der Flügelund
Kopffedern mit zunehmendem Alter sich' steigert, unterliegt bei dieser Art kaum
einem Zweifel, da ganz dasselbe bei vielen ändern Vögeln stattfindet.
Wie schwankend aber, überhaupt ebensowohl in der Vertheilung, wie in der Reinheit
das Weiss bei diesem und auch bei ändern Seglern, ist, lässt sich aus den Abweichungen
entnehmen, deren H. L. v. ¡Schrenck unter den ihm vorliegenden 5 Exemplaren
erwähnt, so wie, dafür auch die Varietäten des gemeinen Mauerseglers sprechen. Es
bliebe also, strenge genommen, wohl nur die Zeichnung der untern Schwanzdecken des
S te lle r’schen Vogels, welche die artliche Trennung der H. Ciris vom Acanth. caudacuta
rechtfertigen würde. Üeberdies bietet ja der Acanth.. macroptera Swains schon eine vermittelnde
Üebergangsstufe zum Acanth. caudacuta, bei welcher wir theilweise das Weiss
des Gefieders verschwinden sehen:':
Die beiden männlichen Vögel dieser Art, welche ich mitbrachte, wurden am Ost-
abhange des Chingan am 2ten und 3ten Juni 1857 erlegt; sie zeigen namentlich auf
dem Kopfe und den Schwingen ein frisches, nicht abgetragenes Gefieder, wogegen die
hellen Rückenfedern stark verbraucht und auch wohl etwas verbleicht sind. Jedoch
finde, ich ' nirgends an beiden Exemplaren Maüserspuren. Diese Vögel waren ausserordentlich
fett. ''
S te lle r’s Angabe über das Vorkommen von Hirundo Ciris1) an den Ufern der
Angara sind wohl begründet und gelten also auch dem, nach unserer Meinung
1) Eeisen und Forschungen etc., T. I, p. 250 und flg.
2) Zoogr. ross.-ast, T. I, p. 541.