
Durch Gebier wurde das Vorkommen des Bartgeiers im russischen A l t a i ') schon
gegen das Ende der dreissiger Jahre unseres Jahrhunderts zuerst vermuthet und bald
darauf thatsächlich bestätigt *); dann von H. v. Brandt die Identität der Art mit dem
Lämmergeier Gentral-Europa’s und des Kaukasus (siehe ebenda p. 296) erwiesen. Oest-
licher die A lta i- und Sajan-Kette verfolgend, gelang es bis jetzt nur Nachrichten über das
Vorkommen des Lämmergeiers einzuziehen. In den von mir besuchten Gebirgsgegenden wurde
er auf russischem Boden nur im Gebiete dermittlem Oka, also in dem durch Karag a ssen
b e ja g t e n E rg ik -T a rg a k -T a ig an erkundet. Alle (ihrigen Nachrichten, welche am Baikal,
im Apfelgebirge, in Daurien und der Mandshurei einliefen, lauteten dahin, dass,
obgleich von den Jägern dem Namen nach fast überall gekannt, der Bartgeier dort.nicht
mehr lebe. So fehlt er denn auch jener bis 8300' hohen Abzweigung des Apfelgebirges
(Sochondo), deren Nordseite die Ingoda entspringt. Zwar findet sich an der Südseite
des Sochondo im Aguzakan-Thale ein Lämmergeierfelsen *) (<TeUobaiza der dortigen
Tungusen) und auch ein Bartgeierbächlein, allein der Vogel, welcher diese Oertlichkeiten
früher bewohnte, hat sie lange schon verlassen. Indessen ist es gewiss, dass im Kentei
jetzt noch Gypaetos lebt. Schon jenseits unserer Grenze, am mittlem Laufe des Kyrkun,
welcher vom Sochondo her den Bukukun aufnimmt, leben die Bartgeier jetzt noch. Es
wird nämlich das rechte Kyrkun-Ufer durch eine hohe Gebirgskette, die ro th en Berge
(ulan-chada der Mongolen), begrenzt; ein Theil dieser ro th en Berge führt den Nainen
Zongolok und auf diesem leben die Bartgeier. Leider aber blieben die Jagden, welche
ich dort im Juli 1856 des Vogels wegen anstellen liess, erfolglos. Im russischen Daurien
lebte Gy-paetos vor 31 Jahren (1830) noch an derselben Lokalität im Adontscholon-
Gebirge, wo er von P a lla s 1V72 .beobachtet wurde. Mit dem allmählichen Rückzuge der
Argalschafe *) in südöstlicher Richtung verschwand auch Gypaetos aus diesen Gegenden;
alte Jäger, die dort wohnen, wissen, dass sie nicht' vertilgt wurden, aber sie sagen, es
seien die häufigen Nachsuchungen, welche man im Adontscholon der Topase und Berylle
wegen früher gemacht habe, die Ursache gewesen, dass diese scheuen Vögel die
Brutplätze verlassen hätten. Im Chingan-Gebirge und am obem Amur erfuhr ich bei
den Eingebomen Nichts über Gypaetos, dagegen deuteten die B irar-Tungusen nach Süden
und erklärten, dass der grosse Vogel Salbar dort lebe.
Die Schwungfedern und besonders die des Schwanzes werden von den Mongolen
ebenso wie die entsprechenden Federn der Adlerarten theuer bezahlt. Die Leber und besonders
die Luftröhre und die Lungen finden in der lamaitischen Arzneikunde bei Schwindsüchtigen
Verwendung und haben einen hohen Preis. Die lamaitischen Priester lassen sie
sich sogar aus Tibeth kommen.
1) Mémoires des savants étrangers T. ni, St.-Ptbrg. 1837,' p. 528.
2) Bulletin scientifique T. Y l, St-Ptbrg. 1839, p. 293 und f.
3) Vergl. Beitr. sur Kenntniss d. 11. 11. B. XXIII, p. 467.
4) Vergl. Bd. I meiner Beise, p. 241.
î> A quillt imperialls Bechst.
Wird von den Burjaten und Tungusen der Hochsteppen zwar von Aq. naevia c. vart.
unterschieden, nicht aber von Aq. fulva, den sië Jiké-JBurgut (auch Jéke) "nennen.
Ein junges (noch nicht 2jähriges) Weibchen des Königadlers brachte ich aus den
daurischen Hochsteppen mit, es wurde dort am 1/13. April 1856 am Tarei-nor erlegt
und trägt ein durchweg stark abgeriebenes Jugend-Kleid, in welchem nur einige Schwingenfedern
zweiter Ordnung frisch sind. Von der Mauser auf dem Körper sind jetzt noch
gar keine Spuren vorhanden. Nach der Mauser dieses ersten Jugendkleides sollen nach
S?ewerzoff’s Untersuchungen *) bei den W.dieser Art die weissen Schülterfedern erscheinen,
während das an männlichen Thieren erst nach der. 2ten Mauser stattfindet. Am vorliegenden
Exemplare finde ich durchaus keine ' Andeutung dieser weissen Schülterfedern.
Im Vergleiche zu jungen Thieren dieses Adlers, wie ich sie in dem östlichen Steppen-
theile Tauriens selbst beobachtete und wie sie mir aus dem Orenburgischen durch
des verstorbenen Professors Eversmann Freundlichkeit in Kasan zur Benutzung gezeigt
wurden, ist das Weibchen aus Daurien namentlich auf der Brust dunkler braun,
obschon auf jeder Feder sich der hell' lehmgelbe, in’s Graue ziehende Schaftfleck deutlich
absetzt und keine Feder hier die Frische und das Dunkel; des 2ten Kleides besitzt. Nicht
minder spricht sich auf dem Rücken durchweg eine etwas dunklere Nüance dès braunen
Gefieders aus; die helleren Schaftflecken sind sehr schmal und in Folge der. ungemein
starken Abnutzung des Kleides schwanden, die helleren Ränder der einzelnen ' Federn
mehr oder weniger und fehlen hie und da schon ganz. Wenn man nun weiss, dass
dieses Kleid trotz seines Dunkels schon stark abgebleicht ist (I. April erlegt), so darf
man wohl behaupten, dass damals, als es wuchs, es sehr viel dunkler noch gewesen sein muss
und hierin, von dem Gefieder des jungen Königadlers Ostf-Europa’s abweicht. In Bezug
auf die Angaben S’ewerzoff’s über den Kleiderwechsel dieser Art (vergl. 1. c. p. 329
und flg.) bemerke ich, dass ein in der Mauser stehendes Orenburgisches Exemplar,
welches Eversmann der Akademie einsendete, diese Angaben entschieden bestätigt. Die
Mauser ist namentlich über den obem Körpertheil des Vogels; ' eben sowohl vorne als auch
hinten, stark verbreitet und zwischen die alten, abgertebenen, hellen Federn des Jugendkleides
schieben sich vom Unterschnabel an, den Hals abwärts über die Brust, die tief
dunkelbraunen, etwas violett schimmernden Federn des 2ten Kleides. Auch ist bereits
eine der langen weissen Schülterfedern vollkommen ausgebildet. Hiermit stehen die Angaben
Naumann’s jun. s), welcher bis zum fertigen Kleide eine viermalige Mauser im
1) Vergl. S ’e w e r z o f f , IlepiogHUecKia aßaeHis b i skhbhh 3Bhpefi, mann a ragu BopoaejKCEofi ryöepam, 1855,
p. 276—277.
2) I. A. N a um a n n ’s Naturgeschichte der Vögel Deutschlands, Bd. XD3, p. 24 und flg.