
wenig Geflügel in ihnen aufzufinden ist. Die kleinen Sänger verlieren sich in den coD
lossalen Waldbeständen so sehr, dass man eifrigst nach ihnen suchen muss. Die Tetrawien
ziehen sich schon mit dem Beginne des Frühlings an die entlegensten Brutplätze zurück.
Die Spechte sind vornehmlich nur am frühen Morgen thätig. Emberiza pithyornus
brütet in Birkenhainen und von den Spitzen krtippelnder Weissbirken, die im Thale
stehen, erschallt der angenehme Lockgesang von Sylvia kamtschatkmsis. In der nördlichen
Mandshurei und in geringerem Grade auch schon in Daurien werden wir im
Sommer sehr bald auf eine vielgestaltetere Ornis der Wälder hingewiesen. War es in
Daurien und am Baikalsee nur der gemeine Kukuk, der die sonnigen bestrauchten
Abhänge vornehmlich liebte und seinen Huf hören liess, so erschallt dagegen am mitt-
lern Amur der .sonderbare Ruf von noch zwei ändern Kukuksarten. Hier auch machen sich
die Nachtstimmen der Vögel, wie sie dem Süden so eigenthümlich, schon kenntlich, wenn
gleich wir immer bedenken müssen, dass die Zahl der Vertreter der südasiatischen Ornis,
die sich an diesen Nachttönen betheiligt, immerhin nur gering ist mid von dem
europäisch-sibirischen Elemente des Geflügels ganz beherrscht wird.
In den gemischten Wäldern des Bureja-Gebirges vernimmt man Nachts im Juli,
wenn leichte Nebel über den Waldlichtungen und auf den sumpfigen Wiesen lagern, von
allen Seiten her den leisen, pfeifenden Ruf junger Rehe, die mit der Mutter, zu den feuchten
Sumpfrändern kamen, und dazwischen klingt es, als ob kleine Luftblasen rasch hinter
einander im Wasser aufgeworfen würden. Dieses sanfte Trommeln verursacht ein Sumpfhuhn
(Rallina erytkrogastra), welches vor dem Jäger mit vorwärts geneigtem Körper so-
geschickt und leise zwischen den hohen Carexgräsern hinläuft, dass er selbst bei angestrengtestem
Suchen es doch nur sehr selten gewahr wird. Von den. Bäumen erschallt
allnächtlich, besonders im Mai und Juni, der leise gluckende und rasch sich folgende
Ruf der Nachtschwalbe {Cap. Jotaka), welchem dieser Vogel den populären Namen Kus-
netz (Schmidt) verdankt, und dazu donnert von naher Felsenwand der dumpfe Ruf des
Uhu’s im langsamen Tempo. Ich habe die Wälder um den Baikalsee und im Apfelgebirge
im Gegensätze zu denen des Bureja-Gebirges ganz ausserordentlich schweigsam gefunden.
Dort tummeln sich nach vollendetem Brutgeschäfte im zarten Laube der Lärche die
sibirischen Fliegenfänger und schlagen nur ab und zu schnarrend an, hier sonnt sich im
Gipfel der mongolischen Eiche eine lärmende Pmcrocotfws-Bande, die, aufgescheucht, im eifrigsten
Geschwätze davon.zieht; oder es steigt aus den Uferweiden eine förmliche Wolke
von Stumus dneraceus auf, in der sich fast immer einige Exemplare des Pastor sturni-
nus befinden. Auch diese Vögel verrathen sich schon aus weiter. Ferne durch die;zwar
grossartigen, aber stark monotonen Concerte, .bei welchen sich besonders die Jungen mit
heisem Stimmen betheiligen. Dazu vernehmen wir das Kollern der Turteltaube und vom
nahestehenden LespedezaStY&XLoh, dessen schön rothe Blüthenstände leicht im Bogen
abwärts hängen, flötet Ernb. elegans seine sanften Lieder. Ueberall, wo sich die Sonne
in diesen Wäldern eine Bahn im dichteil Laube der Baumkronen brach, wurden sie auch
mehr oder weniger durch Singvögel belebt. Nur den schattigen, dtistern Nordabhängen der
Gebirge, den ganz bewachsenen Thalhöhen fphlen sie. Finden wir aber in den Ebenen,
welche oberhalb und unterhalb des Bureja-Gebirges sich dehnen, aus denen nur hie
und da in weiter Ferne niedrige, bisweilen ganz isolirte Höhenzüge auftauchen, oder im
grössem Zusammenhänge bis in den Vordergrund der Landschaft zum Amur mit bewaldetem
Vorgebirge treten, finden wir hier einen grossen Theil der eigentlichen Waldvögel
nicht, so bietet sich uns dagegen viel Uebereinstimmendes im ornithologischen Gesammtbilde
mit dem der daurischen Hochsteppen. In den seichten Armen und Buchten des Amur wandern
die Löffelreiher umher und auf dem weichen Sandufer, welches bei rücktretendem Wasser
entblösst wurde, laufen die kleinen Strandläufer umher, oder es drückten sich die kräftigen
Zehen einzeln lebender Totanus-Arten ab. Ernst und unbeweglich steht der graue
Reiher zum Fischfänge bereit am langsam dahinfliessenden Strome, aber in oft höchst possir-
licher Haltung klammert sich, wie die kleine Rohrdommel bei uns es zu thun pflegt, Ardea
virescens bald an das hohe Rohr, bald an die Weidenruthen, bis ihn unser Nahen zur Flucht
in die nächste Bucht treibt. Die hohen Geröhre, welche dem fadenhohen Ufer entlang an
vielen Stellen des mittlern Amur ein förmliches Band bilden, welches steif und undurchdringlich
ist, dienen den Rohrsängern zum beliebten Aufenthaltsorte und auf weit vorragendem
Luftwurzeltriebe sitzt in unveränderlicher Haltung der europäische Eisvogel
und fixirt die trübe Fluth, welche unter ihm dahin schleicht.
In dieser Jahreszeit wird man weder hier am Amur, noch anderweitig in Sib irien
das rege gesellschaftliche Leben gewahr, welches brütende Larus-, Sterna-, Totanus-Axtm
und andere kleine Stelzer zur Zeit der Brut führen, wenn wir ihnen dahin folgen, wo sie
in unzähliger Menge dem Brutgeschäfte gemeinsam nachgehen. Aehnliche Bilder, wie
ich sie vor Jahren während des Sommers an den Mündungen der grossen südrussischen
Ströme, oder in noch grösserm Umfange am faulen Meere an der Ostküste Tauriens
kennen lernte, fehlen in den bewaldeten Gegenden Ostsibiriens gänzlich. Die Hochsteppen
"der Mongolei aber bieten sie1 in etwas abweichenden Farben auch im Sommer
an einzelnen, ganz bestimmten Lokalitäten und gedenke ich des Spätsommers am oberen
Baikalsee,' wo der Zug schon Ende Juli beginnt, so weilen im Delta der nördlichen
Angara meine Blipke ebenfalls auf einem stark belebten, concertirenden Ornisbilde,
welches aber, beständig abändernd, nicht mehr der Sommerperiode angehört, sondern die
Elemente des zeitigen Herbstzuges in sich schliesst. Es scheint, wie im Süden Russlands,
so auch im Norden Sibiriens, das Brutgeschäft der meisten Grallat&res und Na-
tatores vornehmlich in der Nähe der grossen Strommündungen vollführt zu werden. Dort
mag die nahe gelegene Tundra, oder die jüngst angeschwemmte Landzunge, die kaum
aus dem Wasserspiegel hervortauchende Sandbank den Sammelplatz für brütende Anati-
den und Scolopaciden bilden; die südlicheren Landstriche Sibiriens besitzen ebenfalls
ächte Tündern, Moore und Sümpfe in weiter Ausdehung, mitten in Wäldern gelegen,
welche Schutz gewähren und wo das Brutgeschäft ungestört vollzogen werden könnte,