
die Aussicht lohnte reichlich alle Mühe. Den Gipfel bilden steile
Klippen; die Abhänge darunter sind namentlich nach Osten mit
dichtem Waldgebüsch bewachsen. Westlich steht unter der Fels--
kuppe ein aus roll behauenen Steinschwellen aufgebautes Tempel-
chen, und rings auf den Klippen thronen Diminutiv-Götzen, welche
unsere ausgelassenen Cadetten sämmtlich umdrehten, damit sie die
Aussicht genössen.
Wir lagerten auf der schmalen Kuppe, angehaucht von
würziger Bergluft. Nur im Steigen drückend schien uns die Sonne
je tz t milde und angenehm. Die neue Aussicht nach Osten erschloss
sich erst auf dem Gipfel überraschend und herrlich: über dicht-'
bewaldete Berge und Thäler schweift der- Blick nach der fernen
Bucht von O m u ra . Südwestlich N a n g a s a k i mit der vielarmigen
Bai, am westlichen Horizonte schwimmend die lange Reihe der
G o t t o -In se ln , im Südosten der Golf von A r im a mit der Halbinsel
S im a b a r a . Gesäumt von tausend Inseln und Klippen streckt das
Land überall lange Arme in die See hinaus. Zwischen den Waldgebirgen
liegen fruchtbare Thäler eingebettet, der Landbau steigt
in zahllosen Terrassen die Hänge hinan; von der glänzenden Meeresfläche
gleitet der Blick in tiefgeschnittene stille Buchten oder schweift
von Gipfel au Gipfel in duftige Ferne.
In jenem Tempel, wo wir frühstückten, erwartete die Zurückkehrenden
eine leckere Mahlzeit. Das Musikcbrps der Arkona
spielte im Garten; in zahlreichen Trinksprüchen ergin sich der
Dank der Gäste gegen ihre liebenswürdigen Wirthe, denen sie wieder
einen heiteren genussreichen Tag schuldeten. Zur Heimkehr
schlugen wir einen anderen, schöneren Weg ein, und der Abend
vereinigte Alle bei dem niederländischen Vice - Consul Herrn Met-
mann, wo weiter getäfelt wurde. Die ausgelassene Lustigkeit bemächtigte
sich auch unserer Musiker, die womöglich Jeder ein anderes
Stück in der eigenen Tonart blasen wollten, so dass der
treffliche Kapellmeister, den seine müden Beine kaum noch trugen,
oft ganz zwecklos in der Luft herumtactirte.
Am 29. October wurde der Geburtstag Seiner Königlichen
Hoheit des Prinzen Adalbert durch ein Diner an Bord der Arkona
gefeiert.
Für den 30. October hatte der Commandant des Cachelot,
Capitän van Gogh, eine Bootsfahrt nach der zwischen Papen-Eiland
und dem Festlande gelegenen- Ratteninsel veranstaltet. Obwohl es
in der Nacht stark geregnet hatte und noch keineswegs hell wurde,
vertraute sich die eingeladene Gesellschaft doch Morgens den
Booten der beiden Kriegsschiffe an. Graue Wolken verhüllten den
Gipfel. — Auf der Spitze der kleinen Ratteninsel war ein Zelt aufgeschlagen
, aus dem die Gesellschaft alsbald durch heftige Güsse
'vertrieben wurde; man setzte nach einem bewohnten Inselchen .über
und suchte Schutz im Hause des Ortsvorstehers, wo mit der bei
verregneten Landparthieen üblichen heiteren Laune gefrühstückt
wurde. Unsere Musik lockte das ganze Dörfchen h e rb e i; Einer
nach dem Anderen schlich sich ein, bis das Haus gepfropft voll
Japaner war. Unterdessen goss es sachte weiter, man kehrte schon
früh nach D e s im a zurück. v ■
Am Vormittag des 31. October machte der Gouverneur
T a k a h a s i mit seinem O - m e t s k e , dem Vice - Gouverneur und
grossem Gefolge einen Besuch an Bord der Arkona. Capitän Sundewall
führte ihn nach der Begrüssung im Schiffe herum und liess
die Seesoldaten einige Exercitien machen. Einem jungen S a m r a i,
welcher begonnen hatte, bei einem deutschen Kaufmann unsere
Sprache zu lernen um sich als Dolmetscher auszubilden, war erlaubt
worden an Bord zu kommen. E r bedurfte zum Eintritt in
den Dolmetscherdienst der Gunst des Gouverneurs, dem er
je tz t am Boden liegend seine Wünsche demüthig vortrug. T a k a h
a s i gab gütigen Bescheid. Beim Frühstück in der Kajüte zeigte
sich derselbe sehr aufgeräumt und sprach ganz männlich dem Champagner
zu; beim Abschied erklärte er lachend, dass er noch etwas
auf Deck herumwandeln müsse um mit Sicherheit die Schiffstreppe
hinabzusteigen.
Nach einem Tempelchen, dessen Lage in dichtbewachsener
Felsschlucht uns beim Vorbeifahren oft gelockt h a tte , unternahm
Graf Eulenburg mit einigen Begleitern am Nachmittag des 1. November
eine Bootsfahrt. Gegen zwanzig rothgestrichene Holz-
pförtchen schmücken den kurzen steilen Weg vom Ufer bis zur Capelle,
in der rohe Bildwerke von Füchsen und Pferden stehen.
Im Fuchs, I n a r i , ist nach dem japanischen Volksglauben ein Dämon
verkörpert, dem alles mögliche Unheil, aber auch wohlthätige Einwirkungen
auf die Schicksale der Menschen angedichtet werden.
Der Glauben an seine bezaubernde Kraft ist allgemein auch bei
gebildeten Japanern eingewurzelt. —■ Von dem Fuchstempel fuhren
wir nach dem .südöstlichen Ufer der Bai, wo sich aus der Ab-
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