
Jeder an seine Beschäftigung. Der Abend pflegte den grössten
Theil der diplomatischen Gesellschaft im Salon der Frau von Bour-
boulon zu vereinigen. So wurden die Tage in P e - k in , begünstigt
von Wetter und Jahreszeit, voll reicher fremdartiger Eindrücke, gewürzt
durch die angenehmste Geselligkeit, eine rechte Erquickung
nach den Qualen von T ien- tsin. ,
Herr von Balluzek wohnte, obwohl der Archimandrit und
alle russischen Geistlichen nach dem im Norden der Tartarenstadt
gelegenen Missionshause übergesiedelt waren, in seinen auf mehrere
kleine Gebäude vertheilten Räumen recht beschränkt; ein grösseres
Haus europäischer Bauart sollte im schattigen Garten aufgeführt
werden. Glänzend war dagegen die Einrichtung der englischen
Gesandtschaft. Wie alle chinesischen Anlagen dieser Art zeichnet
sich auch der von Kaiser Kia - kin erbaute Palast des Prinzen von
Li a n , welcher ein Staatsamt in der Provinz bekleidete, mehr durch
Breiten- als durch Höhen-Dimensionen aus, denn alle Hauptgebäude
sind einstöckig. Durch Gassen und Gänge geschieden gruppiren
sie sich um mehrere grosse Höfe und bilden mit den Nebengebäuden
und Dependenzen ein ganzes Stadtviertel. Herr Bruce übernahm
das »Fu« im Zustande argen Verfalles, voll Schmutz und
faustdickem Staub, unter welchem die reiche Ornamentik sich kaum
ahnen liess, beschränkte sich auf deren sorgfältige Restaurirung
und passte die innere Einrichtung, soweit europäisches Bedürfniss
erlaubt, dem chinesischen Geschmack an. So gab allein der Palast
der englischen Gesandtschaft in P e -k in einen Begriff von der
Pracht, dem Reichthum und - Geschmack einer unlängst vergangenen
Blüthezeit; alle anderen öffentlichen Gebäude, die wir sahen, waren
zu verwittert, beschmutzt und verfallen, um die alte Herrlichkeit
errathen zu lassen, und wirkten nur noch durch imposante Raum-
vertheilung.
Nach der Strasse verräth kein Zeichen den Palast. Durch
die schlichteste Pforte tritt man in einen Vorhof mit Ställen und
Schuppen; die Seite rechts vom Eingang schliesst ein einstöckiges
Gebäude von grossen Verhältnissen ab, zu dessen erhöhtem Estrich
eine Treppe hinanführt. Colossale steinerne Löwenthiere mit grimmig
verzerrtem Antlitz bewachen den Aufgang. Die Stufen sind
aus Quadern, den Maassen des Hauses gemäss von unbequemer
Höhe und Breite. Das schwere geschwungene Ziegeldach stützen
ringsum ro th lackirte Säulen von Holz, eine schattige Veranda
bildend. Das Innere ist ein einziger weiter Saal mit mächtigen
Flügelthoren in der Mitte der beiden langen Seiten; der kaiserliche
Drachen schmückt hundertfach wiederholt die bunte Täfelung der
Decke. Die Engländer bestimmten diesen Raum zum Ballspiel und
körperlichen üebungen und liessen ihn in seinem alten Zustande.
Zum zweiten mit Quadern belegten Hof steigt man wieder mehrere
Stufen h inab: rechts und links stehen zweistöckige Gebäude, gegenüber
ein dem ersten ganz ähnliches Haus auf steinernem Sockel.
Das Innere bildet wieder eine mächtige Halle mit gegenüberliegenden
Flügelthoren; es diente den Mitgliedern der Legation als Lese-
und Billard - S a a l; der Raum zwischen den Thüren war frei; rechts
standen bequeme Divans und Sessel, Tische mit Büchern und Zeitungen,
links das grosse Billard. Der dritte Hof, zu welchem man
von da hinabsteigt, ist viel grösser als die e rsten; auf den kürzeren
Seiten rechts und links stehen wieder zweistöckige Häuser, nicht
höher als jene einstöckigen, dem Billardsaal gegenüber das Hauptgebäude
der ganzen Anlage, zu dessen Breite eine Treppenflucht
aus Quadern hinanführt. Es ist in drei Räume abgetheilt: ein
Empfangzimmer in der Mitte, links das grosse Speisezimmer, rechts
der Salon des Gesandten. Auf vier Fuss Höhe sind hier die
Wände boisirt, darüber bis zur Decke mit gitterartig durchbrochenem
Schnitzwerk belegt, und zwar im Salon auf hellrother, im Esszimmer
auf strohgelber Unterlage. Die einfachen Möbel stören
nicht die Wirkung der chinesischen Decoration; das lebensgrosse
Bildniss der Königin Victoria erscheint fast winzig, so gewaltig ist
die Höhe der schönen Räume. Den Boden decken feine Matten;
der bunte und reich vergoldete Plafond wirkt in der Höhe durchaus
harmonisch, und der dunkelbraune Ton des Holzwerks giebt
dem Ganzen bei aller echten Pra ch t und Kostbarkeit einen Anstrich
behaglicher Wärme. Nicht wenig trägt das milde durch reich
vergitterte Papierfenster einströmende Licht zum wohnlichen Eindruck
bei.
Das früher beschriebene Mattendach gab dem grossen Hofe
das Ansehn eines mächtigen Zeltes; um Licht und Luft einzulassen
konnte man die Matten durch Seile nach Bedürfniss aufrollen; es
war dort immer kühl und dämmerig. Aus dem Boden hatte Herr
Bruce einen Theil der Quadern ausheben und den gewonnenen
Raum mit feinem Rasen belegen lassen, auf welchem blühende
Sträucher grünten. Alle diesen Hof umschliessenden Gebäude waren