
Da nun nach Graf Eulenburgs Entwurf der Vertrag überhaupt nur
zehn Jahre ohne Aenderung und Revision bestehen sollte, so hätte
die Aufnahme des Gesandtschaftsrechtes bei solchem Zugeständniss
überhaupt keinen Werth gehabt. Auch dieser Schritt der Mandarinen
stimmte wieder genau zu einem eben eingelaufenen Vorschlag
des Graten Kleczkowski. Der Gedanken, uns in dieser Weise zu
nützen, war sehr unglücklich; denn bei der beständig urgirten Solidarität
der Interessen aller civilisirten Völker musste die chinesische
Regierung glauben, dass ein von dem Gesandten einer europäischen
Macht ausgehender Vorschlag von dem Vertreter einer anderen unbedenklich
anzunehmen sei. Es war gewiss keine Eifersucht darüber,
dass Preussen ohne weiteres erlangen sollte, was England und
Frankreich durch langjährige Unterhandlungen im Kriege erkämpft
hatten; man g l a u b t e eben nicht, dass die preussischen Forderungen
auf friedlichem Wege durchzusetzen wären, und sann deshalb auf
Auswege. Solche konnten nun wohl den Chinesen, nicht aber dem
preussischen Bevollmächtigten Zusagen, der gewissermaasen trotz
denselben, nur durch zähe Beharrlichkeit und energisches Auftreten
zu seinem Ziele gelangte und alle wesentlichen Punete durchsetzte.
T stjn- l u e n bestand hartnäckig auf der zehnjährigen Frist
und beantwortete alle Argumente des Gesandten mit den schon
zum Ueberdruss wiederholten Bedenken: P e - k in werde mit Gesandten
überschwemmt werden; in D z e h o l herrsche maassloses
Misstrauen gegen den Prinzen und seine Amtsgenossen, denen es
nicht gelingen werde, den allerdings richtigen Gesichtspuncten des
Grafen beim Kaiser und seinen Räthen Geltung zu verschaffen; die
Unruhen im Inneren verböten weiteres Anknüpfen auswärtiger Beziehungen
u. s. w. Da T st jn- l u e n auf letzteren Punct immer wieder
zurückkam und es keineswegs für ausgemacht h ie lt, dass die Rebellen
in fünf Jahren besiegt wären, so zeigte ihm Graf Eulenburg die
Kehrseite dieser Auffassung: die kaiserliche Regierung dürfe sich
bei feindlicher Politik gegen die fremden Mächte nicht wundern,
wenn diese sich an eine so starke Gegenparthei hielten; es gebe
Beispiele von Dynastieen, die bei Bekämpfung innerer Unruhen n u r
wegen ihrer schlechten Beziehungen zu fremden Mächten unterlegen
seien. —■ Dies möge nur als Beispiel der Argumente dienen, deren
der Gesandte sich in den alle menschliche Geduld erschöpfenden
Besprechungen oft bedienen musste. — T s u n - i .u e n kam im m e r wieder
auf die zehnjährige Frist zurück: er könne dann auch ohne Bericht
an den Kaiser d enV e rtrag zum Abschluss bringen. Da Graf Eülen-
burg aber fest blieb, so h a t T s u n - l u e n ihn endlich, die eben behandelten
Fragen zum Gegenstände eines amtlichen Schreibens zu
machen.D
er Gesandte erklärte nun den Commissaren schriftlich auf das
bündigste, die Frist von fünf Jahren nicht um einen Monat verlängern
zu wollen, und ersuchte Herrn Marques, ihnen auch mündlich
die Ueberzeugung beizubringen, dass es ernst gemeint sei, dass kein
Vertrag zu Stande kommen werde, wenn sie nicht jene Vorschläge
zur Geltung brächten. Iin vertrauten Gespräch mit dem Dolmetscher
äusserten die Commissare, alle Schwierigkeit entspringe nur daraus,
dass man sieh über die preussischen Forderungen anfangs nicht
klar gewesen sei. Auf die erste Eröffnung des Grafen hatte Prinz
Kun die Gesandten von England und Frankreich über Preussens
Stellung befragt, und erfahren, dass es eine Grossmacht, sein Herrscher
mit der Königin von England verwandt sei; auf die Frage
aber, ob wohl die Errichtung einer Gesandtschaft in P e - k in beansprucht
werde, hätten die Dolmetscher geantwortet: davon sei
keine Rede. In diesem Sinne sei nach D z e h o l berichtet, und
darauf die Ernennung der Commissare befohlen worden. Nun könne
man schwer dem Kaiser vorstellen, dass des Prinzen Bericht auf
Irrthum beruhe, noch schwerer aber nachträglich die Gewährung
des Gesandtschaftsrechtes erwirken.
Den Tag nach dieser Unterredung — am dritten Juli — lief
ein Schreiben des Grafen Kleczkowski ein, in welchem die Bedingungen
des Prinzen für Gewährung des Gesandtschaftsrechtes näher
bezeichnet waren: 1. sollte Preussen sich verpflichten, dieses Recht
zehn Jahre lang nicht auszuüben; 2. sollte diese Verpflichtung nicht
in einem geheimen, sondern in einem Additional-Artikel ausgesprochen
werden, welcher in China zu publiciren sei; 3. sollte
Preussen nicht auf Accreditirung eines chinesischen Gesandten bestehen,
wenn ein solcher nach London, Paris und Petersburg ginge;
4. sollten die Ratificationen des Vertrages nach einem Jahre in
S h a n g - h a e durch den preussischen General-Consul und den chinesischen
Intendanten der geöffneten Häfen ausgetauscht werden;
5. dürften aiis der Installirung eines preussischen Gesandten in
P e - k in der chinesischen Regierung niemals Kosten erwachsen;
6. dürfe der preussische Vertrag keinen Artikel enthalten gleich
denjenigen des englischen und französischen, nach welchen der