
Hals eine lange Kette grösser Email-Perlen hing. Seine Hände
waren weiss und g latt, die Nägel wohl gepflegt, der des kleinen
Fingers fast einen Zoll lang: das sind in China Zeichen des vornehmen
Mannes, der seine Hände nicht brauchen darf. Am Daumen
trug T’su n - h a u einen breiten Ring von weissem Jade. E r
unterhielt sich mit dem zu seiner Linken sitzenden Gesandten ungezwungen
über Landessitten, Natur und Kunst. Die Collation aus
Früchten, Backwerk, Gemüse, Schinken und Süssigkeiten war auf
zierlichen Schüsselchen angerichtet; das Eingemachte und überzuckerte
Mandeln schmeckten gut, die meisten Gerichte aber recht
fade. Einige Tage nach diesem Besuch schickte T s u n - u a u dem
Gesandten ein gebratenes Spanferkel, zwei gebratene Enten, Kuchen,
Früchte und candirte Nüsse, und erhielt als Gegengabe einen Korb
Champagner.
Am 8. Mai tra f der erste Commissar T s u n - l u e n in T i e s - t s in
ein und besuchte am folgenden Tage den Gesandten; ein kleiner
beweglicher Mann von siebzig-Jahren, dessen Antecedentien von
schlechter Vorbedeutung für die Verhandlungen waren. Ihn hatte
man schon früher ins Feuer geschickt, wo es sich um Abweisung
von Gesandten handelte; seine Berichte an den Kaiser über die
1854 mit Sir John Bowring gepflogenen Berathungen gaben angenehmen
Aufschluss über seine Schätzung der Barbaren; Kaiser
H i e n - f o n wusste, dass er sich keiner Inconsequenz, keines Wo rtbruches
schämte, wo es seinen Vortheil und Ueberlistung der Fremden
galt, ;— Beim ersten Besuch sprach er mit grösser Volubilität
von seinen Geschäften: neben den.Functionen im Ministerium des
Auswärtigen läge ihm die Versorgung der Hauptstadt mit Getreide
ab; die Unsicherheit der Zufuhren, welche die Rebellen häufig ab-
schnitten, machte ihm viel Sorge; P e - k in brauche jährlich
4,000,000 Pi - k u l Reis. Auf die Frage, warum die Regierung nicht
kräftiger einschreite, antwortete T s u n - l u e n , dass sie kein Geld
habe, deutete auch an, dass der Himmel selbst sich- einmischen
werde. E r th a t überhaupt sehr fromm, verdrehte bei Erwähnung
der angeordneten Gebete um Regen die Augen und erhob feierlich
die H än d e : die furchtbare Dürre lasse schlechte Ernten befürchten.
Die Rede kam auf die grosse Gefahr, in welcher die Stadt beim
Brande der französischen Artillerie-Ställe schwebte: wer ein reines
Gewissen habe, meinte T s u n - l u e n , dürfe getrost dem Schutze des
Himmels vertrauen. — Eine Sentenz jagte die andere. — Als der
Gesandte nach den Vollmachten forschte, betheuerte der Commissar,
dass er deren nicht besitze: nach Constituirung eines Ministeriums
der auswärtigen Angelegenheiten, welches mit den fremden Gesandten
zu verhandeln habe, sei speeielle Ermächtigung.einzelner
■ Mitglieder desselben nicht mehr erforderlich. Graf Eulenburg
suchte ihm darauf den Unterschied in den Attributionen eines
Ministerialrathes und eines zum Abschluss von Verträgen bevollmächtigten
Commissars zu erkläTen: ausdrücklicher Vollmachten
bedürfe es um so mehr, als T s u n - h a u gar nicht Mitglied des Ministeriums
sei; Vorbesprechungen möchten ohne Aufschub sta ttfinden;
der Gesandte müsse aber den Prinzen von K u h um ausdrückliche
und formelle Bevollmächtigung der Commissare ersuchen,
ehe er zu den Verhandlungen schritte. Das fand TsuN-nuEN durchaus
billig: es werde auch keine Umstände machen, den Kaiser dahin
zu vermögen; man wolle gewiss dem Reiche Preussen nicht
versagen, was anderen Mächten gewährt sei. E r wünsche sehnlichst
und hoffe, die Verhandlungen schnell zu glücklichem Ende
zu führen, da ihn wichtige Geschäfte nach P e - k in riefen. —
T s u n - l u e n hätte grosses Gefolge von Mandarinen bei sich, deren
mehrere bei den Attaches im Hintergebäude eintraten. — Als Graf
Euleuburg am 10. Mai den Besuch erwiederte, machte T s u n - l u e n
den höflichsten Wirth; er wohnte bei T s u n - h a u . Musik und Frühstück
glichen den früheren Leistungen. Der Gesandte fragte viel
über chinesische Verhältnisse, ohne sonderlichen Erfolg. Politisches
kam nicht zur Sprache.
Die-Schreiben, welche Graf Eulenburg bei seiner Ankunft in
T i e n - t s in von den Gesandten Englands und Frankreichs erhielt,
athmeten gleiche Bedenken wie die. früheren. Den Kaiser umgaben
in D z e h o l lauter Männer der retrograden Parthei, welche seinem
Machtbewusstsein schmeichelten und die Ausführung der Verträge
zu hintertreiben suchten. Der Prinz von K u n und seine Räthe in
P e - k in trugen den Ereignissen Rechnung und strebten das freundschaftliche
Verhältniss zu fördern, bedurften aber zu jed e r wichtigen
Handlung der kaiserlichen Sanction und mussten jed e offene Begünstigung
der Fremden vermeiden. Den Kaiser zur Rückkehr zu
vermögen, dem Prinzen von K u n die Wege zu ebnen, damit die
Beziehungen zu seinem Bruder nicht getrübt würden, war das
eifrige Streben der Gesandten; sie fürchteten, dass der Prinz seines
Amtes müde würde; an/seiner Person hing die Erhaltung des Frie