
man zunächst in einen hübschen Garten tritt; hier stehen chinesisch
verzierte Denksteine und kleine Löwen von weissem Marmor auf
beiden Seiten des zum Thor des Friedhofes führenden Weinlau.ben-
ganges. Das schöne Portal ist aus mächtigen Marmorplatten gefügt.
Hier betritt man einen graden Weg, an dessen anderem Ende
ein Altar mit grossein Crucifix steh t, davor die üblichen Altargeräthe
buddistischer Tempel, zwei Leuchter, zwei Vasen und ein Rauch-
gefäss in der Mitte, beredte Zeugen der von Ricci den chinesischen
Bräuchen gezollten Rücksicht. Alle diese Gegenstände sind, wie
der Altar, das Crucifix und die Grabmale von grobkörnigem weissem
Marmor. Rechts und links vom Eingang stehen innerhalb zwei
Altarmonumente, den Heiligen Maria und Joseph geweiht; zu
beiden Seiten des Weges hegen regelmässig geordnet die Gräber
von achtzig Jesuiten, die in P e - k in starben, darunter die der'Väter
Ricci, Adam Schall, Verbiest und Pereira, niedrige Sarcophage mit
gewölbter Decke, vor welchen Denksteine stehen; je grösser die
Entfernung der Denksteine vom Grabe, desto grösser soll die E h rfurcht
vor dem Bestatteten sein. Fünf dieser Gräber liegen zu
jed e r Seite des Weges in einer Reihe; die der Väter Ricci, Schall,
Verbiest und einiger anderen Jesuiten wurden von Kaisern gestiftet;
die Denksteine davor sind gegen zehn Fuss hoch und ruhen auf
dem Rücken riesiger Schildkröten, dem Emblem der kaiserlichen
Gnade. Alle Inschriften sind lateinisch und chinesisch, die reiche
Bildhauerarbeit des Ornamentes fast durchgängig in chinesischem
Styl, dessen Vermischung mit der Kreuzesform und der lateinischen
Schrift den sonderbarsten Eindruck macht. So ist dieser Friedh
o f ein merkwürdiges Denkmal der einflussreichen Thätigkeit 'der
Jesuiten und der Achtung, deren auch ihr Andenken genossen haben
muss; denn die vollkommene Erhaltung der Denkmäler beweist,
dass sie auch in den Zeiten grausamer Christenverfolgung unangetastet
blieben. — Zwischen den Gräbern wuchert üppiges Grün
und rankt sich in dichte Wipfel hinauf, welche sie über und über
beschatten; auch der Altar mit dem Crucifix leuchtet, von spielenden
Strahlen der Sonne behaucht; aus einem Rahmen dunkelen
Gezweiges hervor. Zauberische Anmuth lagert auf dem stillen
Garten, den man ungern verlässt.
Vor dem GAN-rm-Thore liegt neben dem Exercirplatz der
Garnison der Tempel der Erde, in dessen Ringmauer die englischen
Truppen 1860 Schiessscharten brachen, um die Mauer der Tartarenstadt
in Bresche zu legen; der Boden zeigt hier Spuren einer
alten Umwallung von P e - k in . Jenseit des freien Platzes stehn in
schattigem Hain die Lamatempel, wo Sir Hope Grant am 6. October
1860 mit der englischen Infanterie sein Lager aufschlug, während
seine Cavallerie mit der französischen Colonne nach Y u a n - m in - y u a n
zog. Es ist eine ganze Reihe von Gebäuden, die verschiedene Höfe
umschliessen und von mongolischen Mönchen bewohnt werden.
Mongolische Fürsten des 17. Jahrhunderts sollen sie gegründet
haben. In einem nur den Mönchen zugänglichen Saale des Tempels
der Fruchtbarkeit waren vor den Altären unzüchtige Gruppen
aufgestellt, welche der fromme Eifer eines englischen Officiers hat
vernichten lassen. — Der von uns besuchte Tempel, ein längliches
Rechteck, zwei Stockwerke hoch aus Backstein gebaut, zeichnet
sich äusserlich durch schöne Holzsculpturen aus, die gegen Zudringlichkeiten
der Vögel durch Netze verwahrt sind. Im saalartigen
Innern, dessen farbenreiche Ornamentirung angenehm h a rmonisch
wirkt, sitzen mehrere Götzen mit Altären davor. Trotz
einer gewissen Uebereinstimmung wirkt diese Cultusstätte der mongolischen
Lamas doch typisch ganz anders als andere buddistische
Tempel, etwa wie eine dem griechischen Ritus dienende Kirche
sich von einer römisch-katholischen unterscheidet. In diesem Tempel
verschied 1780 zum Aergerniss aller gläubigen Lamas der unsterbliche
Oberpriester dieser Secte, welcher auf den Wink des grossen
K i e n - l o n mit prunkendem Gefolge aus Tibet gekommen war, um
den Kaiser zu segnen und sich anbeten zu lassen. Das Lager, auf
welchem er an den Blattern starb, wird in einem Zimmer des Obergeschosses
gezeigt. Zu seinem Gedächtniss soll auf kaiserlichen
Befehl das grosse Marmor-Denkmal errichtet worden sein, das
hinter dem Tempel in einem Hain dunkelen Nadelholzes steht. Ein
aufgemauerter breiter Gang fü h rt, mit Steinplatten belegt, von der
Hinterfront nach dem Denkmal. Das freistehende dreifache Portal
aus weissem Marmor, dessen oberer Theil den hölzernen chinesischen
Dachstuhl nachahmt, zeigt in der Bildhauerarbeit die
höchste technische Vollendung. Eine Freitreppe fü h rt auf den
Unterbau, auf welchem von vier zierlichen Thürmen umgeben das
Denkmal steht. Der achteckige Sockel h a t ein reiches Profil; die
ringsum laufenden Reliefdarstellungen, wahrscheinlich aus dem Leben
des Budda, können in der Behandlung recht wohl mit italienischen
Arbeiten des 14. Jahrhunderts verglichen werden und geben