
ein für solche Zwecke eingerichtetes Gemach geführt: der Ver-
urtheilte tritt auf einen Schemel und steckt das Haupt in eine von
der Decke herabhangende Schlinge, worauf der Schemel fortgezogen
wird. Diese Strafe zieht nicht Confiscirung der Güter nach sich
wie die Enthauptung; der fürstliche Rang der Prinzen von Ei und
T s in wurde jedoch ihren Neffen mit üebergehung der eigenen
Söhne zuerkannt.
S u - t s u e n wurde am Nachmittag des 8. November auf dem
Richtplatz für gemeine Verbrecher in der Chinesenstadt enthauptet.
Vorher soll man ihn in das Kerkergemach geführt haben, wo die
entseelten Leiber seines Bruders und des Prinzen von Ei hingen.
Zur Richtstätte wurde er in unbedecktem Karren gefahren,
vor ihm her zwei Scharfrichter auf ähnlichem Fuhrwerk. In elegantem
Ueberwurf von weissem Lammfell soll er mit unbekümmerter
Miene im Karren gesessen, sich zuweilen vornehm den Staub
abgeschüttelt und dem Kärrner seine Achtlosigkeit verwiesen haben,
wenn er gegen einen Stein fuhr. Ein Vice - Präsident des Strafgerichtshofes
las ihm auf dem Richtplatz noch einmal sein Urtheil
vor; S u - t s u e n aber bestritt bis zum letzten Augenblick die Com-
petenz seiner Richter. »Statt sich niederzuwerfen bei Verlesung
des kaiserlichen Namens,« sagte ein chinesischer Literat der englischen
Gesandtschaft, »und wie ein Ehrenmann zu sterben, stiess
er bis zum letzten Augenblick Laute aus, die nicht ehrfurchtsvoll
waren.« Der Zudrang und die Verwünschungen des Volkes sollen
unbeschreiblich gewesen sein.
Am Tage der Hinrichtung erschien in der Zeitung von P e -
k i n ein kaiserlicher Erlass, welcher die Angeklagten des Aufruhrs
zeiht und das Urtheil bestätigt. T s a e - y u e n , T w a n - w a und Su-
t s u e n werden beschuldigt, sich eigenmächtig als Regentschaftsrath
constituirt zu haben; H i e n - f u n hätte sie in der Todesstunde nur
mündlich angewiesen, seinen Sohn zum Nachfolger einzusetzen; ein
Decret sei weder ausgefertigt, noch der Befehl dazu ertheilt worden.
Auf Grund eines gefälschten Documentes hätten sich die Angeklagten
die höchste Gewalt angemaasst, den allerhöchsten Willen
aber niemals befragt. Das die Vorschläge des Censors T u n - y u e n -
t s u n billigende Rescript hätten sie willkürlich geändert, und, vor
die Kaiserin-Wittwe berufen, in frechem Ton erklärt, sie hätten von
ih r keine Befehle zu empfangen, in Regierungssachen würde die
Kaiserin nicht gefragt. Auch durch andere Handlungen hätten sie
bewiesen, dass sie keinen Herrn über sich erkennten; sie hätten in
ungebührlicher Weise die dem Throne zunächst stehenden Prinzen
von Geblüt von der Kaiserin-Wittwe zu entfernen gesucht. f— Su-
t s u e n wird ausserdem beschuldigt, sich gegen alles geheiligte Herkommen
auf den kaiserlichen Thron gesetzt zu haben, auf unschickliche
Weise in den inneren kaiserlichen Gemächern ein- und ausgegangen
zu sein u. s. w. Ferner wird er des Versuches bezüchtigt,
die beiden Kaiserinnen durch Ohrenbläsereien mit einander zu
verfeinden.
Von den fünf anderen Mitgliedern des Regentschaftsrathes
wurde nur M u - y i n , T s a e - y u e n ’s Genosse bei den Verhandlungen
in T u n - t s a u — nach den Militärposten in der Mongolei verbannt;
allen übrigen erliess ein Gnadenact die von den Richtern ausgesprochene
Verbannung; nur ihrer Aemter wurden sie entsetzt.
Der Prinz von K u n erhielt den Titel eines E i- t s i n - w a n oder
Prinzen-Ministers, den Posten als Präsident und Schatzmeister des
höchsten Gerichtshofes, und andere Würden, welche ihm den gröss-
ten Einfluss sicherten. Die ihm angetragene Gnade des erblichen
Fürstentitels für seine Nachkommen schlug er aus, der junge Kaiser
erklärte aber, »geleitet durch die Kaiserin-Wittwe«, in einem amtlichen
E rla s s, dass er nach erlangter Selbstständigkeit seinen Oheim
zu dieser Ehre zwingen, werde. K w e i - l i a n , W e n - s i a n und der
Prinz von T sün erhielten hohe einflussreiche Aemter.
Die verwittwete Kaiserin galt als eine Frau von strengem
Rechtsgefühl, deren Charakter für die Zukunft gute Bürgschaft
leistete; mit dem Prinzen von K un scheint sie'die Seele der Bewegung
gewesen zu sein. In Pe - k i n . angelangt erklärte sie sogar
öffentlich das Regentschaftsdecret für eine Fälschung: am Tage
seiner Ausfertigung sei der Kaiser schon sprachlos gewesen, sie
selbst keinen Augenblick von seiner Seite gewichen. —
Der Staatsstreich des Jahres 1861 bezeichnet für China den
Beginn einer neuen Aera. Zum ersten Male griff der Westen gestaltend
in das Schicksal des Reiches e in , auf das die früheren
Kriege nur zersetzend gewirkt^ hatten. Der alte Wahn von der
Weltherrschaft des Himmelssohnes wurde durch die Einnahme seiner
Hauptstadt gebrochen; zur Geltung kam die neue Ordnung aber
erst durch den Staatsstreich, welcher deren Bekenner an das Ruder
brachte. Damit wird nicht behauptet, dass der alte Dünkel ausgero
tte t sei; aber die Thatkraft und Würde der europäischen Völker
mt