
sehe Text aber noch von zwei Missionaren zu collationiren seien;
da nun die Bevollmächtigten zunächst den Leichenfeierlichkeiten
für einen Bruder des Königs beiwohnen müssten, der folgende
Sonnabend auch kein glücklicher Tag wäre, so wünschte der Prinz
die Unterzeichnung noch eine "Woche zu verschieben. Der Gesandte
erklärte dagegen, seine Zeit sei kurz gemessen, und bat um
Beschleunigung.
Am 6. Februar wohnte der Legationssecretär Pieschel beim
1 rinzen Khhoma-luan der Gollationirung der Vertragsexemplare hei
und musste die beiden für S iam bestimmten Abschriften dort lassen,
da der treffliche Prinz erklärte, dass eine neue Collationirung stattfinden
müsse, wenn er dieselben aus den Händen gäbe. Die Unterzeichnung
geschah am folgenden Tage. Morgens um neun Uhr
verfügten sich der Legationssecretär und die Attaches in des Prinzen
Palast, um die Vorbereitungen zu treffen; der Prinz .erwartete sie
im offenen Pavillon am Flussufer, ^ aber die anderen Coramis-
sare, und noch schlimmer deren Secretäre fehlten, denen nicht nur
das Geschäft des Stempelns, sondern auch das Unterschreiben
zufiel, weil die Herren das so schön nicht konnten. E rs t nach
einigen Stunden waren Alle versammelt und die Arbeit kam in
Gang; die grossen hölzernen Stempel wurden mit röther Farbe bestrichen
und die gegenseitige Stellung der Siegel verabredet. Da
aber der Prinz eben noch einen Contract für Salzlieferungen unterzeichnen
musste, so kehrten die preussischen Diplomaten nach
Hause zurück, um zu frühstücken. — Nachher fuhr mit dem Gesandten
auch Herr Bismark zum Prinzen und photographirte zuerst
jeden einzelnen Bevollmächtigten, dann eine Gruppe derselben, zu
der sich auch Graf Eulenbiirg setzte; des Verzuges müde, schüttelte
Letzterer ungeduldig mit dem Kopf, und sass auf dem Bilde
ganz unkenntlich zwischen den langathmigen Siamesen.
Die zwölf Vertragsexemplare- erhielten je dreimal Unterschrift
und Siegel jedes Bevollmächtigten, — für den Vertrag, die
Handelsbestimmungen und den Tarif, — also im Ganzen 216 Siegel
und ebenso viele Unterschriften; ausserdem wurde dag königliche
Siegel auf die zum Heften gebrauchte Seidenschnur gedrückt. Das
dauerte bis drei Uhr Nachmittags. Unterdessen plauderten, kauten
und spieen die Siamesen, — Herren und Diener, fc- nach Herzenslust.
Das letzte Exemplar wurde unter den Klängen des Hohenfriedberger
Marsches und eines königlichen Salutes von der Uferbatterie
unterzeichnet. Der grosse P h k a p r a n von W a t ü z e n , Siam's schönstes
Bauwerk, ragt kaum hundert Schritte von des Prinzen Palast
in die Lüfte; gegenüber spiegelten sich die goldenen Giebel und
Spitzen von W a t P o und der Palaststadt im prächtigen vielbelebten
Strom. Es war ungewöhnlich kühl; die Siamesen zitterten an
allen Gliedern, wir selbst mussten wollene Kleider anlegen.
Graf Eulenburg theilte den Vertretern der anderen Mächte
die neuen Bestimmungen des preussischen Vertrages mit, deren
Vortheile sie mittelst der Clausel der meistbegünstigten Nation
genossen, und ärntete ihren wärmsten Dank.
Der Zweite König, der bis dahin unzugänglich war, liess
den Gesandten auf den 12. Februar zu einer Privataudienz bescheiden:
den feierlichen Empfang erlaube seine Gesundheit nicht,
das königliche Schreiben solle jedoch mit denselben Ceremonieen
abgeholt werden, wie das an den Ersten König gerichtete. Zwei
Tage vor der anberaumtén Audienz besuchte den Gesandten des
Zweiten Königs ältester Sohn, der neben seinem siamesischen den
Namen Georges W ashington führte, ein junger Mann von freimüthi-
g em ,'d o c h bescheidenem Auftreten, der etwas englisch sprach.
E r wollte am Abend auf einem Dampfer seines Vaters nach der
Rhede fahren, um die preussischen Kriegsschiffe zu sehen und
Capitän Sundewall zur Theilnahme an der Audienz einzuladen. Graf
Eulenburg ersuchte ih n , den Attache von Brandt mitzunehmen, der
auf der Thetis mit den Originalen der Verträge nach Singapore,
von da auf dem englischen Postdampfer direct nach der Heimath
reisen sollte. Prinz Georges sagte mit sichtlichem Vergnügen zu
und holte Abends den Attache a b , mit welchem sich auch
Dr. Maron und der Gärtner Schottmüller auf der Thetis einschifften.
Am 12. Februar ging die Fregatte unter Segel. — Der
Prinz brachte am Abend des 11. Februar den Commodore und
zwei Offiziere der Arkona mit zurück; er schien erfreut über den
ihm bereiteten Empfang.
Am Morgen des 12. Februar erschienen die Staatsboote
des Zweiten Königs: das Schreiben Seiner Preussischen Majestät
erhielt auf goldener Schale unter dem prächtigen Baldachin
des Hauptbootes den Ehrenplatz. Vom Landungsplatz wurden