
dem Gesetz, der Obrigkeit, dem Alter, und ihre Kindesliebe werden allgemein
gerühmt: Ihresgleichen sollen sie selten belügen, desto häufiger
ihre Herren und Vorgesetzten aus Furcht vorStrafe oder Misshandlung.
Von den Gebräuchen und Sitten ihres häuslichen Lebens,
wie die Siamesen wohnen und schlafen, essen und trinken, giebt
Pallegoix anziehende Schilderungen, die nacherzählt jeden Reiz
verlören. Eine Gewohnheit, die sicher auf den Volkscharakter
wirkt und sich nur in rein buddistischen Ländern findet, ist das
Betelkauen. Jeder Siamese führt beständig ein Bündel frischer
Blätter des Bete'l-Pfefiers (Chavica Betel), einige Nüsse der Areca-
Palme (Areca Catechu) und ein Döschen mit Kalkbrei bei sich, der
aus geriebenen Muscheln bereitet und mit Curcuma roth gefärbt
wird. Eine Erbse gross von letzterem streicht der Siamese auf ein
Betel-Blatt, rollt es wie eine Cigarre zusammen, beisst davon ab
und kaut es mit einem Stück Areca-Nuss. Die Folgen sind schwarze
Zahne, aufgeschwollene ziegelrothe Lippen und übermässige Absonderung
ziegelröthen Speichels, den der Kauende beständig um sich
wirft. Sie kauen aber den ganzen Tag und sollen in Stumpfheit
versinken, wenn sie es unterlassen; daraus dürfte man schliessen,
dass die beständige Reizung erschlaffend wirkt. In der Th at gehören
wohl die betelkauenden Inder und Singalesen zu den weichlichsten
Völkern, was nicht allein der Enthaltung vom Fleischgenuss
und dem Klima zuzuschreiben ist: denn der Japaner isst ebensowenig
Fleisch, und anderen Vegetarianern in den Tropen fehlt es keineswegs
an Thatkraft. Aerzte haben behauptet, dass Betel, Areca-
Nuss und Kalk dem Organismus die nothwendigen Stoffe zuführen,
die wir aus der Fleischnahrung ziehen; aber der Japaner lebt doch
a u ch , wie der Siamese, fast lediglich von Fischen und Reis, und
bedarf keines Betels. Wahrscheinlich ist das Bedürfniss des Körpers
nach Reizung im erschlaffenden Tropenklima grösser, als in
gemässigten Zonen; das zeigt sich auch im stärkeren Gebrauche
des Tabaks. In S iam rauchen die Knaben vom fünften Jahre an
Cigarren von einheimischem Tabak, deren Decke ein Stück Bananenblatt
bildet. Nach fremdem und dem stärksten Tabak waren
unsere Bootsleute so lüstern, dass sie sich gierig auf jeden weggeworfenen
Cigarrenstummel stürzten, nicht aus Bedürftigkeit, denn
der einheimische Tabak ist für Jeden erschwinglich, sondern aus
Leckerei. - Frauen und Mädchen rauchen meist nicht, aber kauen
desto fleissiger Tabak.
Die meisten Siamesen trinken nur Thee, den die Chinesen
importiren, und meiden alle geistigen Getränke; der Genuss des
landesüblichen aus Reis gebrannten Arrac soll jedoch Fortschritte
machen. Der Opium-Einfuhr wehrte die Regierung lange Zeit vergebens
und übertrug dann das Monopol einem Chinesen. Nur Chinesen
ist der Gebrauch erlaubt; trptz der darauf gesetzten Todesstrafe
soll er aber auch bei reichen Siamesen einreissen.
Alle Familienereignisse sind von abergläubischen Gebräuchen
begleitet. Neben jed e r gebärenden Frau wird ein Feuer angezündet
und mehrere Wochen lang unterhalten; die dadurch erzeugte Hitze
muss im tropischen Klima unerträglich sein, oft verbrennen auch
Mutter und Kind, und Haus und Hof dazu. Die Mutter näh rt ihre
Kinder bis zum dritten und vierten Jah re , giebt ihnen aber auch
Reis und Bananen; in diesem Alter können die meisten schon
schwimmen. Bis zum fünften Jah r wird das ganze Haupthaar
rasirt; nachher bleibt auf der Scheitel ein langer Schopf stehen,
der in einen festen Knoten geschlungen und mit einer Nadel zusammengehalten
wird. Bei ein^retender Pubertät wird den Knaben
wie den Mädchen der Schopf unter grossen Festlichkeiten kurz geschnitten;
die Bonzen singen dazu ihre Litaneien und waschen dem
geschmückten Festkinde den Kopf mit Weihwasser; alle Verwandten
bringen reiche Gaben; man schmaust, zecht, raucht, kaut
Betelft,spielt Karten und Würfel den ganzen Tag. Bei den
Grossen dauern die Festlichkeiten mehrere Tage; die Haarbeschneidung
der Königskinder ist mit feierlichen Processionen, allegorischen
Spielen, theatralischen Aufführungen und vielerlei Hocuspocus der
Bonzen und Brahminen verbunden.
Nach der Haarbeschneidung werden die meisten Knaben
einige Jahre in die Klöster geschickt, wo sie den prassenden
Bonzen als Ruderer und Aufwärter dienen und dafür im Lesen,
Schreiben und den Glaubenslehren unterrichtet werden sollen, aber
nur Müssiggang, Schleckerei u n d ' Unsitte. lernen. »Es ist That-
sache, dass von hundert Knaben, die zehn bis zwölf Jahre im
Tempel zubrachten, nicht zwanzig lesen und etwa zehn schreiben
können, wenn sie diese Teüfelsklöster verlassen. Die empfangene
Erziehung besteht vorzüglich darin, dass sie Trägheit, Sittenver-
derbniss und tausend abgeschmackte Mährchen gelernt haben.
Nicht genug, dass sie Diener der Bonzen gewesen sind; die bud-
distische Religion fordert auch, dass diese Knaben wenigstens auf