
Karren mit Waaren für diese oder jene Gesandtschaft befrachtet
seien. Diesem Missbrauch zu steuern schlug Herr Bruce dem
Prinzen vor, dass ein Beamter solche Karren jedesmal nach der
betreffenden Legation geleiten solle, damit ihr Inhalt untersucht'
würde; der Prinz aber rief halb verzweifelt: Glaubt ih r denn, dass
der Beamte uns nicht bestehlen, nicht ein Geschäft machen würde
aus dem Einschwärzen der Waaren? ^ Auch von der Gewissenlosigkeit
ihrer eigenen Landsleute, unter welchen, wie in der Blüthe-
zeit des Opium-Schmuggels, die Repräsentanten der angesehensten
Hauser besonders glänzten, hatten die Gesandten in dieser Hinsicht
zu leiden. Ein Vertreter des Hauses Dent in T ien- tsin sandte
mit eherner Stirn eine Menge Kisten unter Adresse des Herrn Bruce
nach Pe - kiA, der natürlich den Betrug anzeigte. Solcher Unfug
schädigte wesentlich die Stellung der Fremden; denn die Spione
der feindlichen Parthei berichteten nach Dzehol, dass die Diplomaten
dem Vertrage entgegen in Pe -kiA heimlich Handel trieben,
und der Prinz hatte Noth diese Anklage zu entkräften.
Auch in anderen Dingen beriefen sich Chinesen oft mit
frevelhaftem Leichtsinn auf die Fremden. Nach dem Landesgesetz
scheint in Pe -kiA Niemand ohne Erlaubniss der Behörden sein Haus
niederreissen und ein neues bauen zu dürfen. Ein Nachbar der Missionare
in P e - taA hatte es trotzdem gethan und erklärte, von der Polizei ’
belangt, die Missionare hätten es ihm erlaubt. Abgesehen von deren
Competenz war die Aussage falsch und wurde am Schuldigen schwer
geahndet. Dieselben Missionare hatten ein Haus der chinesischen
Stad t auf den Abbruch gekauft, um das Material zu benutzen; die
damit betrauten Arbeiter schleppten aber, auf ihre Autorität fussend,
auch noch die Steine und Balken eines alten Tempels zu eigenem
Gebrauche fort und verwirkten durch diese Schändung die härtesten
Strafen. Die Missionare selbst hatten zum Einreissen jenes
Hauses nicht die Erlaubniss der Behörden eingeholt, und die Sache
machte das peinlichste Aufsehn.
Im Ganzen gestaltete sich das Verhältniss der Fremden zur
Bevölkerung im Sommer 1861 vortrefflich. Pöbel , giebt es in jeder
grossen Stad t: der chinesische ist aber nicht schlimmer, als der
civilisirte in Europa. In schlechten Stadtvierteln geschah es wohl,
dass junge Burschen aus dem Volkshaufen, der sich fast überall
um einzelne Reiter schaarte, ihnen Schimpfworte zuriefen,, auch mit
Steinen oder, sonderbar genug, mit Kupfermünzen nach ihnen
warfen; in solchen Fällen legten sich aber meist Leute aus den
besseren Ständen in’s Mittel und verwiesen die Lümmel nachdrücklich
zur Ruhe. Verletzt wurde Niemand, obgleich die Mitglieder
der Gesandtschaften täglich zu Fuss und zu Pferde die Stadt
durchstreiften. Auf ihren Ausflügen in die Umgegend wurden sie
überall freundlich aufgenommen, mit zuvorkommender Artigkeit be-
wirthet und bedient. In voller Sicherheit reiste ein Einzelner weit
und breit durch das Land.
Einen näheren Einblick in das chinesische Leben gewannen
die Bewohner der Legationen im Umgang mit Männern aus der
Classe der Studirten, die ihnen als Schreiber, Sprachlehrer und
Gehülfen beim Uebersetzen dienten; auf der englischen Gesandtschaft
war der damit verbundenen Dolmetscherschule wegen eine
beträchtliche Zahl derselben angestellt. Die ärztliche Hülfe, welche
der zur Gesandtschaft commandirte Dr. Rennie gern überall leistete,
führte ihn vielfach in die Häuser dieser Linguisten, ihrer Verwandten
und Freunde; er sah dabei ih r glückliches Familienleben
und erhielt den günstigsten Eindruck von der Gesittung der Mittel-
classen, die ja den maassgebenden Kern jed e r Bevölkerung bilden.
Nach seinen Schilderungen wären alle guten ^Regungen des Menschen
in seinen Beziehungen zum Nächsten bei ihnen auf das zarteste
entwickelt; er erzählt, rtf nicht als Ausnahmen, sondern als
tägliche. Erfahrung, |— Beispiele rührender Krankenpflege, dankbarer
Liebe und Selbstlosigkeit, welche beweisen, dass ihnen die
besten Seiten des menschlichen Daseins aufgegangen sind, dass die
sittlichen Keime ihrer Cultur trotz allem äusseren Verfall und der
Maske sonderbarer Convenienz noch heut die schönsten Blüthen
tragen. An unbegreiflichen Anomalieen, welche deren Lücken aufdecken,
hat unsere eigene Gesittung eine zu reiche Fülle, um mit
der chinesischen rechten zu dürfen.
Der Austausch der Gedanken und Beobachtungen mit den
chinesischen Schriftgelehrten führte oft zu den lustigsten Erörterungen.
Sie bekannten täglich offener ihre Ueberrasehung, in den
Fremden, an deren Seehunds-Natur sie geständlich noch bis vor
Kurzem glaubten, Männer von Bildung und Zartgefühl zu finden.
Allmälig gewannen sie hohe Achtung vor der europäischen Cultur,
konnten jedoch über gewisse Aeusserlichkeiten nicht hinwegkommen.
So verletzte sie au fs tiefste, dass Herr Bruce, der einen Wagen
mit nach Pe - kiA brachte, eigenhändig die Zügel führte: der erhabene