
Verfügung, dass der Regentschaftsrath nur den Thronerben unterstützen,
nicht selbst regieren solle; seine Stellung sei die frühere
des Grossen Staatsraths, der dem Kaiser alle Angelegenheiten vorgetragen,
seinen Willen erfahren und danach* die Decrete ausgefertigt
habe, welche dem Kaiser noch zur Bestätigung vorgelegt
wurden. Was der Erhabene darin missbilligte, habe er mit dem
Zinoberstift geändert. Bei dieser Einrichtung bleibe die höchste
Macht wirklich in Händen des Herrschers; eine Fälschung seines
Willens, eine Vertretung seiner Person sei dadurch ausgeschlossen.
Der Regentschaftsrath dagegen beschliesse ganz selbstständig,
zeige dem Kaiser nur einen Augenblick die ausgefertigten Decrete
und versehe sie dann mit dem kaiserlichen Siegel, das ihnen
bindende Kraft verleiht. So übten diese Räthe in Wahrheit die
kaiserliche Macht, was mit der Zeit im ganzen Reiche Besorgniss
und Zweifel erregen müsse. Die einzige angemessene Auskunft
unter den waltenden Umständen wäre die Einsetzung der Kaiserin-
Wittwe zur Regentin; dann hätte die Staatsverwaltung wieder einen
persönlichen Mittelpunct, an den sie berichten, von dem sie Ent-
Scheidungen einholen könne. Nur solche Regentschaft wäre eine
effective, keine fingirte. Nun werden Beispiele von Regentinnen
aus der älteren chinesischen Geschichte aufgeführt. — Der junge
Kaiser müsse nothwendig einige Jahre ganz dem Studium der Geschichte
und Poesie leben, dann aber selbst das Scepter ergreifen.
Ob die Formen des Empfanges der Staatsdiener durch die Regentin
dieselben wie unter den Kaisern bleiben oder geändert werden sollten,
darüber müssten die Räthe der Krone ihre Vorschläge machen,
T s e n - p a o , der immer ein heftiger Gegner des S u - t s u e n ge-
gewesen sein soll, spricht in demselben Sinne noch unumwundener.
Der Regentschaftsrath begehe Handlungen, die nur dem Kaiser
oder der Kaiserin Wittwe ziemten. Die Zurückweisung der Denkschrift
des Censors T u n - y ü e n - t s u n verrathe seine selbstsüchtigen
Zwecke. Trotz allen Bemühungen des Regentschaftsrathes, seinen
Decreten Ansehn zu geben, habe das Volk doch keine Achtung
davor und betrachte sie nicht als Ausfluss des kaiserlichen Willens.
Allgemein herrsche die Neigung ihnen zu widerstreben u. s. w.
Rebellionen müssten unterdrückt werden, aber grössere Gefahren
drohten im Palaste.
Beide Denkschriften scheinen mehrere Tage vor dem Staatsstreich
überreicht worden zu sein. Der Prinz von T sun, des Prinzen
K o t jüngerer Bruder, muss in D z e h o l seine Fäden sehr fein gesponnen
haben, um die feindliche Parthei so sicher zu machen.
T s e n - p a o hielt sich wahrscheinlich zur Zeit des Staatsstreiches-
heimlich in P e - k in auf: nach des Kaisers Tode war e r, offenbar
mit politischen Zwecken, nach D z e h o l geeilt, vom Regentschaftsra
th aber mit grobem Verweis, dass er ohne Erlaubniss seinen
Posten verlassen habe, fortgeschickt worden, und kam am.l. October
wieder in P e - k in an. W a r er am 1. November nicht selbst dort,
so hatte er wohl seine Maassregeln getroffen; denn die Prinzen von
K o t und T su n handelten mit voller Sicherheit des Erfolges.
T s a e - y u e n und T w a n - w a wurden am 2. November ohne
Umstände verhaftet. S u - t s u e n , welcher die kaiserliche Leiche zu
geleiten h atte, war mit derselben eine Tagereise zurückgeblieben.
Der Prinz von T su n eilt ihm mit einem Trupp zuverlässiger Reiter .
entgegen und trifft ihn wenige Meilen von P e - k in in einem Y a -
mum übernachtend'; er schreitet durch die Wachen und ruft S u -
t s u e n durch die verschlossene T h ü r des Schlafgemaches zu, er
solle öffnen und sich verhaften lassen. S u - t s u e n höhnt das kaiserliche
Decret, da nur der Regentschaftsrath zu befehlen habe,
worauf der Prinz die T h ü r einschlägt und den Würdigen beim
Kragen packt: »Dann verhafte ich dich auf eigene Hand.« S u -
t s u e n , der eine Frau seines Harems bei sich h a tte , leistete weiter
keinen Widerstand und wurde nach P e - k in geschleppt. Der Umstand,
dass er, die kaiserliche Leiche geleitend, sein Harem mit
sich führte, war in den Augen des Volkes ein Capitalverbrechen.
In P e - k in herrschte die freudigste Erregung; nun die Frevler
verhaftet waren, schwand alle Fu rch t und Scheu. Das bündige
Verfahren ihrer Gegner entzückte nun gar die Menge, die ja überall
Gefallen findet an der K ra ft, und erhöhte die Popularität der
Prinzen von K u n und von T su n . — Am 5. November begann der Prozess
und am 7. Nachmittags wurde der Spruch gefällt, der auf
langsame Hinrichtung aller drei Angeklagten, nach chinesischer
Anschauung die schmachvollste Todesart lautete; er sollte der
Kaiserin-Wittwe Anlass zu einem Gnadenact geben und wurde von
ih r gemildert, für S u - t s u e n auf schleunige Enthauptung, für T s a e -
y u e n und T w a n - w a auf Selbstentleibung im Kerker. Am Morgen
des 8 . November müssten ihnen die Fürsten von W u i und Su,
welche in D z e h o l zu ihrer Parthei gestanden hatten, das Urtheil mittheilen.
T s a e - y u e n und T w a n - w a wurden unmittelbar darauf in
iv. M