
Den persönlichen Oberbefehl über das Heer darf der Kaiser
nicht leichtfertig übernehmen. Als im Jah re 1853 die kantonesischen
Rebellen das Land überschwemmten und ungestüm gegen Norden vordrangen,
war die Bestürzung in der Stadt vielmal heftiger als die je tz t
kundgegebene. Deine Majestät ernannte zum Glück F eldherren, fähig
sich mit dem Feinde zu messen, und d e r herankriechende Aufruhr
wurde e rd rü c k t Warum sollten nicht je tz t die Barbaren, kaum 10,000
an Z ah l, durch die mehrfach stärkere Armee unter unseren Generalen
leicht besiegt u n d aus dem Lande gejagt werden können? Wäre nicht
die Uebernahme des Befehles für die kaiserliche Würde unziemlich,
und sollte sie nicht Alle befremden, die davon hörten? F e rn e r: nachdem
einmal die Absicht Deiner Majestät, eine Jagdreise anzutreten,
vorher kundgemacht worden war, sollte wohl die Verkündung des geänderten
Vorhabens sicher sein allgemeinen Glauben zu finden?
Wiederum: die Ruhe im Gemüthe des Volkes hängt von Deiner Maje
s tä t Gegenwart am Sitze der Regierung ab und würde durch Deine
Abreise von da gestört werden. Und wenn Deine Majestät sich nach
dem Norden begiebt, während der Feind südlich steh t, so wäre das
wieder ein Umstand, d e r viel Zweifel und Unruhe erweckte.
Bei früheren Reisen des Kaisers war es Gebrauch, verschiedene
Prinzen und Würdenträger mit der Verwaltung der Angelegenheiten
während seiner Abwesenheit zu betrauen, während Dinge von grösser
Wichtigkeit immer noch an Seine Majestät berichtet wurden. Aber
diese unruhige Zeit ist gamicht mit friedlichen Zeitläuften zu vergleichen.
Es wäre sehr schwierig Männer zu finden, welchen die Verwaltung
des Staates mit Sicherheit anvertraut werden könnte. Würde
ihnen etwas zu viel Autorität verliehen, so könnten die schwersten
Uebel entstehen. Während ein aus Nachlässigkeit erwachsener Schaden
leicht geheilt werden möchte, wäre es schwer, den aus Missbrauch
d e r Gewalt entspringenden zu bewachen, und es ist furchtbar n u r daran
zu denken.
Alle diese Puncte haben Deine Diener reiflich erwogen u. s. w.
7. Mond. 28. Tag.« (13.; September).
6 . Denkschrift von T s a o - t a n - y u n , Ex-Censor der H u k
w a n - Provinzen.
»Dein Minister T sao - ta n - yun überreicht knieend eine Denkschrift.
Da die Barbaren nach der Hauptstadt vorrücken und die Pläne
für den Frieden sich als schwer ausführbar ■ erweisen, so bittet er Deine
Majestät dringend, naeh Deiner Hauptstadt zurückzukehren, damit die
Wünsche des Volkes erfüllt, die W ürde des Thrones gewahrt, die
Seelen Deiner Ahnen und die Schutzgeister besänftigt werden.
Seit dem diebischen Eindringen der rebellischen Barbaren in
den Bezirk T i e n - t s in sin d , obwohl die kaiserlichen Rathschlüsse in
Geheimniss gehüllt und dem Publicum unbekannt waren, verworrene
Gerüchte jed e r Art überall in Umlauf gewesen und haben grosse Bestürzung
erweckt. Kürzlich berichtete die Zeitung, dass S a n - k o - l i n s
in sich nach Y a n - t s u n , dann nach T a i - t s u n zurückgezogen habe;
dann wieder, dass e r seiner Stellung enthoben worden se i; ferner,
dass Seine Majestät K w e i - l ia n und H a n - f u zu kaiserlichen Com-
missaren ernannt habe, um die Angelegenheiten zu ordnen. Dann
kamen unablässig Couriere mit der Schnelligkeit von 600 Li.6Si) Ein
Gerücht sagte, dass Frieden um jed en Preis beschlossen se i, ein
anderer, dass 20,000,000 T a e l versprochen, die Baarzahlurig von
2,000,000 T a e l aber noch unentschieden sei; dann, dass mehrere Zehntausend
Mongolen-Krieger herbeigerüfen se ien , dass der Krieg beschlossen
sei; ferne r, dass dem Vorhaben Deiner Majestät, den Krieg
fortzusetzen, von einigen Personen Widerstand bereitet werde. Die
- Verwirrung und Bestürzung waren unbeschreiblich; aber nichts befremdete
so sehr als das je tz t verbreitete Gerücht, dass Deine Majestä
t eine Reise nach ü z eh o l machen wolle. Das hat die schrecklichste
Bestürzung verursacht; • aber Dein Diener glaubt nicht daran.
Und doch, da mehrere Minister Deine Majestät wiederholt angefleht
haben zu Deinem Palast zurückzukehren, ohne eine günstige Antwort
zu erhalten? so kann man sich einer unbeschreiblichen F urcht nicht
entschlagen. Wenn das Gerücht wirklich wahr ist, so wird die W irkung
sein wie ein gewaltsamer Ausbruch der N a tu r, und der„ Schaden muss
unersetzlich sein. In welchem Lichte betrachtet Deine Majestät sein
Volk, in welchem Lichte die Altäre Deiner Vorfahren, den Schrein der
Schutzgötter? Willst Du das Erbe Deiner Ahnen wie einen zerrissenen
Schuh fortwerfen? Was würde in tausend nachfolgenden Generationen
die Geschichte von Deiner Majestät sagen ? Niemals war
es e rh ö rt, dass ein F ü rs t eine Zeit der .Gefahr und des Elendes zu
einer Jagdreise auswählen und glauben sollte , dadurch Unheil abzuwenden.
Wenn die Ruhe in der Hauptstadt gestört wird, — was
würde dann verhindern, dass auch in D z e h o l die Ruhe gestört würde ?
Deine Majestät wird angefleht,, ohne Verzug in Deinen Palast zurückzukehren,
damit das Gemüth des Volkes beschwichtigt werde. Die
Hauptstadt ist streng bewacht, der Geist aller ihrer Bewohner auf die
höchste Spannung getrieben; selbst Frauen und Kinder sind entschlossen
bis zum Letzten zu kämpfen. Vor Allem steht je tz t S a n - k o -
l i n - s i n an der Spitze mehrerer Zehntausende mongolischer T ruppen,
52) Der gewöhnliche Ausdruck für die schnellste Art der Courier-Beförderung.
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