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rüstig an die Arbeit. In wenig Tagen sollte das Haus bewohnbar
sein; die nöthigen Möbel zu kaufen übernahm der Comprador
des englischen Gesandten. — Gegen zwei Uhr Nachmittags brachte'
Herr Papow die Nachricht, dass der Adjutant des Prinzen von
K u n ihn aufgesucht und erklärt habe, das Eindringen der Preussen
in die Hauptstadt sei ungesetzlich; sie hätten sich obendrein mit
Gewalt eines Hauses bemächtigt; verliessen sie P e - e in nicht sofort,
so werde die Regierung sie dazu zwingen. Herr von Brandt er-
wiederte, dass wir solche Eröffnung einer Mittelsperson ohne amtliche
Stellung als ungeschehen betrachten und eine direete Mittheilung
der kaiserlichen Regierung, entweder schriftlich oder mündlich,
durch einen Beamten von angemessenem Range erwarten
müssten. ‘W ir baten Herrn Papow, dem Adjutanten das zu sagen
und die Verantwortung vorzustellen, die man durch Anwendung
von Gewalt gegen Mitglieder einer fremden Gesandtschaft auf sich
laden möchte.
Bald darauf fuhr Herr von Brandt zum Grafen Kleczkowski.
Ich war allein in einem der hinteren Höfe und sah den Arbeitern
zu, als der beim Pförtner postirte Seesoldat die Ankunft eines
Mandarinen mit grossem Gefolge meldete. Im Vorderhause fand
ich einen jungen Mann mit glattem rundem Gesicht, in eleganter
Kleidung; zwei Dolmetscher, von der englischen und der französischen
Gesandtschaft, begleiteten ihn; das Gefolge füllte den
ganzen Hof. Nach höflicher Begrüssung setzten wir uns; ich liess
Champagner und Cigarren bringen und das Gespräch begann im
freundschaftlichsten Ton. Der Chinese nannte sich T sa n und Adjutanten
des Prinzen von 'K u n . Ich überreichte dagegen auf sein
Befragen die chinesische Visitenkarte, auf der Graf Eulenburg mich
als Mitglied der Gesandtschaft legitimirte. T sa n erklärte nun mit
dem heitersten Gesicht, der Vertrag mit Preussen sei noch nicht
geschlossen; das Eindringen von Fremden, denen es nicht durch
Verträge ausdrücklich erlaubt sei, streite gegen das chinesische
Gesetz; dazu hätten wir uns mit Gewalt eines Hauses bemächtigt;
der Prinz von K u n ersuche un s, die Hauptstadt sofort zu verlassen.
Ich erwiederte eben so freundlich, dass wir auf Befehl des Gesandten
handelten, dass es uns nicht zustehe, die Gesetzlichkeit
seiner Anordnungen zu erörtern; wir hätten gehört, das Haus sei
zu vermiethen, und dem Besitzer sagen lassen, dass wir jeden Zins
in den Grenzen der Billigkeit zahlen wollten; darauf habe der
XV. Höfliche Ausweisung und Widerstand. 53
Pförtner uns bereitwillig aufgenommen, unsere Sachen hereingetragen
und den angeordneten Arbeiten jeden Vorschub geleistet. Wir
seien angewiesen, bis auf Weiteres in P e - e in z u bleiben, und müssten
gehorchen. Wünsche die kaiserliche Regierung unsere Abreise, so
möge sie an den Gesandten schreiben; nur auf seinen Befehl dürften
wir die Hauptstadt verlassen. — T sa n berührte darauf die E rstü rmung
des Hauses nicht weiter, — die Anklage musste ihm lächerlich
s c h e i n e n b e h a u p t e t e aber, der Prinz könne nicht an den
Gesandten schreiben, da alle Mittheilungen durch die Commissare
in T i e n - t s in gehen müssten. E r schlürfte dabei sein Glas mit Behagen
und Verständniss, rauchte in vollen Zügen und verlor keinen
Augenblick die gute Laune. — Alsbald kam Herr von Brandt nach
Hause u nd bekräftigte meine Aeusserungen. W ir erklärten höflich,
dass wir bleiben w ü rd en ; T sa n meinte' läche lnd, wir müssten
reisen. E r fragte, ob Graf Eulenburg selbst nach P e - k in kommen
wolle, und erhielt die Antwort, dass uns dessen Entschlüsse unbekannt
seien. T sa n erzählte ferner, dass der Prinz von K u n allen
Würdenträgern verboten habe, die Preussen oder deren Mittheilungen
zu empfangen; er fragte nach dem Zweck unserer Anwesenheit
und wurde freundlich bedeutet, dass wir Anstand nähmen
ihn darüber zu unterrichten. Auch das verstimmte ihn nicht. Die
Unterhaltung drehte sich lange im Kreise; offenbar wünschte T sa n
uns in Gutem los zu werden und war von seinem Erfolge schlecht
erbaut; er ging aber nicht über die höfliche Aufforderung hinaus
und schied gutmüthig lachend, wie er kam. Die beiden jungen
Dolmetscher der englischen und der französischen Gesandtschaft
förderten bestens den freundschaftlichen Ton der Unterhaltung.
Der Nachmittag verging ohne Zwischenfall. Einige Mitglieder
der englischen Legation besuchten die tapferen Preussen,
die an der Spitze eines Seesoldaten P e - k in überrumpelt hatten,
und gaben aus ihrer Erfahrung nützliche Rathschläge für Einrichtung
des Hauses. Gegen Abend kam noch Herr Papow, um
nach T sa n ’s Eröffnungen zu fragen; der russische Archimandrit
habe demselben dringende Vorstellungen über die falsche Auffassung
der chinesischen Regierung und die schlimmen Folgen gemacht,
die jed e r Gewaltschritt gegen Mitglieder einer Gesandtschaft
nach sich ziehen müsse. W ir nahmen wieder am späten Diner
des Herrn Bruce Theil und verschwatzten den Abend mit den
Briten auf ihrem schönen Hofe, der, durch ein Mattendach gegen