
BANKOK.
VOM 23. NOVEMBER 1861 BIS 30. JANUAR 1862.
S e in e r Majestät Ire g a tte Thetis, welche mit dem Legationssecre-
tä r Herrn Pieschel, den Naturforschern Herren von Martens, von
Richthofen und Wichura und den Kaufleuten Herren Grube und
Jacob an Bord von S h a n g - h a e aus im März 1861 eine Uebungsreise
nach den Philippinen, den Seen von Celebes und Java angetreten
hatte, ging von Singapore kommend nach achtzehntägiger durch
widrige Winde verzögerter F ah rt am 22. November 1861 vor der
Mündung des M e n am zu Anker. Da Herr Pieschel das preussische
Kriegsschiff der siamesischen Regierung brieflich angekündigt hatte,
so war in B a n k o k Alles vorbereitet: schon am 23. November erschien
auf der Rhede ein kleiner Dampfer des Prinzen K h r o m a - L u a n W o n sa
mit dessen Sohn und zwei Vertretern der deutschen Firmen Markwald
und Thies-Pickenpack, welche den Officieren und Reisenden
der Thetis die Gastfreundschaft ih re r’Häuser anboten. Capitän
Jachmann, mehrere Officiere, die Herren Pieschel, von Martens, von
Richthofen und Grube nahmen die Einladung dankbar a n , gingen
noch an demselben Abend auf dem kleinen Dampfer über die Barre
und weiter den Strom hinauf, und erreichten B a n k o k am frohen
Morgen.
Die Consulate und die Häuser der meisten fremden Kaufleute
liegen unterhalb der eigentlichen Stadt am linken Stromufer. Von
hübschen Gärten, Arbeitsschnppen und Speichern umgeben stehen
sie ziemlich weit von einander; der Verkehr ist schwierig, denn
Strassen giebt es' in dieser Vorstadt nicht; die engen morastigen
Pfade sind vom wuchernden Pflanzenwuchs stellenweise fast versperrt
und von brückenlosen Gräben durchschnitten. Diese, die
breiteren Canäle und die Flussarme bilden die eigentlichen Verkehrswege
für Handel und Wandel, ein Netz bequemer Wasserstrassen.
Das Boot ersetzt in B a n k o k nicht den Wagen, sondern die Beine;
denn die meisten Reviere dieser Waldstadt, wo es mehr Palmen als
Häuser geben mag, sind auch in der trockenen Jahreszeit nur zu
Wasser zugänglich.
Herr Pieschel besuchte sogleich die Consuln von England
und Frankreich, Sir Robert Sehomburgk und Comte de Castelnau,
und liess sich durch Ersteren am 25. November dem P h r a - K l a n
oder Minister des Auswärtigen ,**) T sa u P h y a R a w e M o n s K o s a d b i -
p u t i vorstellen, der ihn freundschaftlich empfing und im voraus die
Erfüllung aller Wünsche verhiess. E r stellte sofort eine hinreichende
Zahl königlicher Boote zur Verfügung, wollte alle Anordnungen für
die Reisen der Naturforscher treffen und das für die preussische
Gesandtschaft bestimmte Gebäude sofort in Bereitschaft setzen. Dort
wurde schon rüstig gearbeitet. Der P h r a - K l a n , ein wohlgenährter
Herr mit breitem pockennarbigem Antlitz, zeigte Herrn Pieschel die
Räumlichkeiten und entschuldigte sich wegen deren Unzulänglichkeit:
S ia m sei ein armes Land und könne es nicht besser geben. — Er
trug den S a r o n ,54) ein viereckiges Stück gemusterten Baumwollenzeuges,
das um die Hüften gewunden und mit einem zwischen den
Lenden rückwärts durch den Gürtel gezogenen Zipfel festgehalten
wird, und eine graue Merino - Jacke. Das ist die gewöhnliche Tracht
der Siamesen; Schuh, Strümpfe und Wäsche mögen sie nicht; auch
die Jacke legen zur heissen Tageszeit selbst die Vornehmsten ab,
so dass nur jener Schurz übrig bleibt. Bei Festlichkeiten tragen
die Grossen oft kostbare Gewänder, auch wohl europäische Uniformen;
im gewöhnlichen Leben unterscheiden sie sich kaum von ihren
Trabanten, die gesenkten Hauptes im Staube kriechen. — Das Haar
wird bei Männern und Frauen rings um den Kopf geschoren; auf
dem Scheitel bleibt etwa handgross ein Schopf stehen, der zolllang
geschnitten, bürstenartig aufrecht steht.
Prinz K h r om a - L u a n W o n s a D ir a i S n id , ein Halbbruder der
beiden Könige, der schon seinen Sohn auf die Rhede hinausschickte,
erschien mit zwei Töchtern wenige Stünden nach Herrn Pieschel’s
Ankunft zu dessen Begrüssung im Hause des Herrn Markwald.
Bei Erwiederung des Besuches fand ihn der Legationssecretär in
dem schwimmenden Hause vor seinem Palast, das er am liebsten
53) P h r a - K lan heisst Grossschatzmeister; S iam’s Beziehungen zu fremden Völkern
scheinen zu allen Zeiten durch Träger dieser Würde vermittelt worden zu sein.
54) Bo nennen gewöhnlich die Fremden dieses Kleidungsstück, dessen siamesischer
Namen nach Pallegoix L anguti lautet.