
hoher Brüstung umgeben werden; sie bietet nämlich über den See
hinweg die Aussicht in die kaiserlichen Gärten. Den Himmelssohn
a rf aber auch aus der Ferne kein ungeweihtes Auge schauen: bei
seinen Reisen sollen drei ganz gleiche geschlossene Sänften rnit-
gefuhrt werden, so dass ■ selbst die Träger nicht wissen, wo der
Kaiser ist. Auch die Frauen des Kaiserhofes bleiben unsichtbar.
Wahrend unserer Anwesenheit wurden die Diplomaten eines Tages
ersucht, die nördlichen Stadttheile zu meiden, weil H i e n - f u n ’s
Mutter, die kaiserliche Wittwe des längst verstorbenen T a u - k w a n ,
mit ihren Damen in P e - k in einzöge. Alle Läden auf ihrem Wege
wurden geschlossen, die Strassen abgesperrt, Niemand durfte sich
blicken lassen; selbst die spalierbildenden Truppen mussten dem
Zuge der Kaiserin den Rücken wenden.
Die Lazaristen richteten in P e - t a n eine Schule ein und
hatten bei unserem Besuch schon 46 Zöglinge, die in der Anstalt
wohnten. Die einstöckigen Gebäude mit den Schulstuben, . Wohn-
und Schlafräumen umgeben mehrere Höfe; die Zöglinge schienen
gesund und heiter. Wie die Jesuiten haben auch die Missionare
in P e - k in den Zopf und chinesische Tracht angelegt, scheinen aber
nicht allen heimathlichen Gewohnheiten entsagt zu haben: sie be-
wirtheten uns mit köstlichem Kaffee und selbstgemachten Li-
queuren.
Trotz der langen Unterbrechung der Missionsarbeit fanden
die Lazaristen in P e - k in noch über 5000 Christen, welche unter
einheimischen Seelsorgern dem Ritus der römischen Kirche treu
geblieben waren. In vielen Stücken soll noch heut bei den Katholiken
in P e - k in eine Nachwirkung der Concessionen des Vater
Ricci und seiner verständigen Anhänger an die alten in den Anschauungen
der chinesischen -Cultur begründeten Bräuche und Vor-
urtheile zu spüren sein: so dürfen Frauen dem kirchlichen Gottesdienst
nicht beiwohnen, in gesonderten Betsälen wird ihnen-Messe
gelesen. Die ersten Franzosen, die 1861 am Stillen Freitag in der
Cathedrale N a n - t a n eine von chinesischen Geistlichen administrirte
Messe hörten, waren seltsam überrascht, als bei Erhebung der
Hostie ein knallendes Feuerwerk am Altar losging. — Bei zufälligen
Begegnungen der Europäer mit chinesischen Christen pflegen diese
sogleich ein Kreuz zu schlagen, um ihre Gemeinschaft geltend zu
machen. Sonderbarer Weise fühlen sich auch die zahlreichen Moslems
in China den Iremden glaubensverwandt und suchen deren
Nähe. — Dass in P e - k in alle Uhrmacher Christen sind, erklärt sich
aus der Berührung ihrer Ahnen mit den geschickten Jesuitem Ihre
Uhren, Gläser und Instrumente sind schweizer Arbeit, gelten aber,
von Russen eingeführt, als russische.
Die griechisch-katholische Gemeinde unter dem russischen
Archimandriten scheint weniger zahlreich zu sein, als die römische;
die Mission bestand 1860 aus vier Geistlichen und sechs Laien,
welche dem Studium der Sprache, der chinesischen Institutionen
und Wissenschaften lebten. Seit Jahrhunderten strebten die Czaaren
nach Erweiterung der Handelsbeziehungen zum chinesischen Reich,
Vorschiebung ihrer Grenzen nach Süden und Einrichtung einer
stehenden Gesandtschaft in P e - k in , erlangten aber die Anerkennung
ihrer politischen Gleichberechtigung nicht früher als England und
Frankreich. — Die erste russische Gesandtschaft scheint 1656, also
bald nach dem Sturz der M in nach China gekommen zu sein: »Der
König der Oros«, berichten die chinesischen Annalen, »schickte einige
Grosse seines Hofes nach P e - k in , um Handelsfreiheit zwischen beiden
Staaten einzurichten. Der Kaiser befahl sie ehrenvoll zu behandeln
und liess ihnen ein Haus anweisen, vor welchem Wachen
aufgestellt wurden. Die Soldaten hatten Befehl sie zu begleiten,
so oft sie ausgingen. Der Hof von P e - k in forderte als Vorbedingung,
dass der russische Monarch China’s Oberhoheit anerkenne und seine
Geschenke als Tribut einsende. Auf diese Bedingung gingen die
Russen nicht ein und kehrten unverrichteter Sache in die Heimath
zurück.«26) — Die Holländer, welche zu derselben Zeit in P e - k in
waren, bezeugen, dass die Russen die Verrichtung der K o -x o beharrlich
verweigerten.
16884 kam eine russische Gesandtschaft an die chinesische
Grenze und meldete ihre Ankunft nach . P e - k i n ; Kaiser K a n - g i
schickte einige Mandschu-Fürsten nach »Selinga«, welche ein p o rtugiesischer
und ein französischer Missionar als Dolmetscher begleiteten.
Bei N i p - t s u , dem N e r t s i n s k der Russen, trafen die Bevollmächtigten
am 22. August 1688 zusammen; der Gesandte des
Czaaren forderte schon damals, was Russland ersjt 170 Jahre später
im Vertrage von T i e n - t s i n erlangte: dass der S a k a l i e n - u l a oder
A mu r in der ganzen Ausdehnung seines Laufes als Grenze beider
Reiche angesehen werde. Am 8. September 1688 Unterzeichnete
55> S. Pauthier, Histoire des relations de la Chine avec les puissances ocei-
dentales.