
der zahlreichsten und nützlichsten Classe seiner Unterthanen einverleibt
wird und ihre Interessen zu theilen scheint.« Der höhere symbolische
Sinn des alten Brauches ist wohl, dass der Sohn des Himmels
den Boden des Reiches bestellt und der Ernte den Segen
des Himmels sichert; er ist ja verantwortlich für das Wohl der
Menschheit. — Das Grundstück des Ackerbautempels h a t von
Norden nach Süden dieselbe Länge, aber geringere Breite als das
des Himmelstempels; sein Umfang beträgt etwa zwei englische
Meilen.
N e i - t s e n , die innere oder Tarta renstadt, wird noch immer
als Festung behandelt; Abends schliesst man die Thore, kein Soldat
darf die Nacht ausserhalb zuhringen. Die erobernden Mand-
schu sollen den ganzen Grund und Boden an stammverwandte
Kriegerfamilien ausgethan haben; je tz t -scheinen Kaufleute die
Masse der ansässigen Bevölkerung zu bilden. Sämmtliehe Häuser
der Hauptstrassen, — die auch hier schnurgerade entweder von
Nord nach Süden oder von Ost nach Westen laufen, — enthalten
Kaufläden, deren Fagaden sehr elegant, oft mit verschwenderischer
P ra ch t ausgestattet sind. Ihre B a u a r t gleicht weder der süd- oder
mittelchinesischen, noch, soviel dem Verfasser bekannt, irgend einer
anderen; sie scheint Pe - kin allein eigen und sich hier selbstständig,
wahrscheinlich in der letzten Blütheperiode unter dem Einfluss
begabter Meister entwickelt zu haben. - Das saubere Mauerwerk
der meist einstöckigen Häuser unterscheidet sich kaum von dem
anderer chinesischen Städte, ist aber nur an den Giebelwänden
sichtbar; die Strassenfront bekleidet ein reicher phantastischer
Holzbau. Bei vielen Läden bilden zwei bis vier mastenartige Hölz-
säulen von etwa dreissig Fuss Höhe den Rahmen; manche sind
über und über vergoldet, andere roth und schwarz gestrichen, mit
goldenem Zierrath, einige g la tt, andere bambusartig ahgetheilt; die
Spitze krönt ein birnenförmiger Knopf oder eine Thiergestalt. Ueber
der Thürhöhe verbinden Füllungen von reichem durchbrochenem
Schnitzwerk diese Säulen, bis zum letzten Drittel ihrer Höhe hinanreichend;
darüber läuft gewöhnlich von Säule zu Säule eine zierlich
geschwungene Bedachung mit geschnitzten bunt gemalten
Sparren und Stützen. Aus den Säulen treten symmetrisch Drachenköpfe
hervor, an vergoldeten Ketten eine bunte Reihe sinnbildlicher
Ladenzeichen tragend, die von reich geschnitztem Balken herabhangen.
Die Ladenschilder sind entweder senkrecht vor den Säulen
befestigt, oder schief in der Mitte der Füllungen zwischen den
Säulen, mit goldener Schrift auf blauem oder Scharlachgrund. Die
ganze Façade lehnt sich als freistehendes Gerüst an die versteckte
Dachkante; rückwärts hinter den Säulen stehen die hölzernen
Pfeiler des Hauses, oben mit geschnitzten Friesen verbunden, die
schreinartig unter den vorderen Füllungen hervorsehen. Die Pfeiler
sowohl als der untere Theil der Säulen sind mit reichen Mustern
in grünem, rothem, gelbem Gold auf dunkelem Grunde bemalt.
Vorhänge von schwerem indigo-blauem oder braunrothem Baum-
wollenstoff mit grossen weissen Schriftzeichen verdecken den Eingang.
— Die vergoldete Schnitzarbeit der Füllungen, meist Blätterwerk
mit eingeflochtenen Thiergestalten, zeigt die reichste Erfindung,
grosse. Schönheit der Zeichnung und vollendete Meisterschaft
der Arbeit. In den Friesen finden sich reizende Linearmotive; die
Drachenköpfe und andere Embleme sind breit und markig geschnitten.
Der ausgeprägte Typus des Ganzen ist auch im Einzelnen
durchgehildet; es wirkt trotz aller bunten Linien und Farben
durchaus harmonisch.20)
Die säulenlosen Façaden haben ebenfalls reich verzierte Füllungen,
Friese und Dachgesimse; letztere tragen gewöhnlich ein
buntes geschnitztes Geländer. Aus vielen Läden ragen lange Stangen
mit vergoldetem Knauf, an welchem Laternen, Fahnen und andere
Embleme hängen, in schräger Lage über die Strasse, —r An den
Kreuzungen stehen prächtige Portale mit fünffachem T h o r, Ehrenpforten
gleichend. Viele der älteren Bauten sind aus dem Winkel
gewichen, ihre Farben und Vergoldung verstaubt und verwittert,
das Schnitzwerk zerbrochen; im Ganzen aber zeigen die von Kaufleuten
bewohnten Viertel bessere Erhaltung, Pflege und Reinlichkeit
als alle öffentlichen Gebäude. Die phantastische Willkür, mit welcher
die einfachen Elemente dieser Architectur in endloser Abwechselung
behandelt sind, verleiht den Strassen von P e -kin grossen Reiz: es
giebt dort Perspectiven von der reichsten malerischen Wirkung. —
Auch in der Tartarenstadt läuft häufig ein budengesäumter Damm
in der Mitte der Strasse hin ; die mächtigen Steinplatten der Pflasterung
sind theils fusstief ausgefahren, theils nur in geringen Resten
vorhanden; hei trockenem Wetter watet man in tiefem Sande, der
Staub ist erstickend.