
einem Netz übersponnen, das Mauerwerk zugleich auseinandertreibend
und zusammenhaltend.
Gewiss liegen im Waldesdickicht noch viele Ruinen zerstreut,
das Gestrüpp ist aber undurchdringlich. A y u t ia , das die Franzosen
des 17. Jahrhunderts gewöhnlich »Siam« nennen, war seit
seiner Gründung 1350, mit welcher die siamesische Geschichte beginnt,
bis zur Zerstörung dnrch die Birmanen 1767 Hauptstadt des
Reiches und Mittelpunct der Herrschaft in der glänzendsten Periode
seiner Geschichte. Alle seefahrenden Nationen hatten dort
ihre lactoreien; der Handel muss im 17. Jahrhundert geblüht haben,
wie kaum jemals nachher in diesem Lande. La Loubére, der S iam
1687 als Gesandter Ludwig XIV. besuchte, giebt in seinem Werke
den Plan der Stad t, die an einem vom M e n am und mehreren Zuflüssen
gebildeten Wassernetz lag. . Die Ufer sind hier höher als in
B a n k o k und werden wohl kaum beim höchsten Wasserstande überschwemmt.
Die eigentliche Stad t, nach dem Plan zu urtheilen eine
von graden Strassen durchschnittene compacte Hausermassé, war von
zwei Hauptarmen des M e n am umflossen und nur durch eine Brücke
mit dem anderen Ufer verbunden. Auf kleineren Inseln und Landzungen
ringsum sind die Niederlassungen oder »Lager« der Chinesen,
Peguaner, Cochinchinesen, Macassaren, Malayen, Japaner,
Portugiesen, die Seminare und Häuser der französiqhen und portugiesischen
Missionare verzeichnet. Die Hauptinsel soll anderthalb
deutsche Meilen im Umkreise haben. Die 40,000 Einwohner, die
A y u t ia 1862 noch zählen sollte, merkte man nicht; sie müssen
weit zerstrent wohnen. König M a b a - m o ñ k u t liess damals einen
Palast und mehrere Tempel dort bauen.
Am 4. Februar holten L u a ñ S e n n a P a g d i und der zw;eite
Gouverneur von A y u t ia den Gesandten zu Besichtigung einiger
alten Bauten ab. Der Tempel W a t D z o ñ mit fünfzig Fuss hohem
vergoldetem Buddabilde war noch gut erhalten; dort opferten
grade einige Chinesen unter schrecklicher Musik Glimmkferzen und
Silberpapier, klebten auch Stückchen Blattgold an die Bildsäule.
Einer nahm ein Paar Holzstäbchen aus dem Wahrsagebecher auf
dem Altar und warf sie mehrmals auf die Erde; sie wollten aber
nicht in der gewünschten Lage niederfallen, sein Gesicht wurde
immer wehmüthiger, und nach kurzem Gebet ging er von dannen.
— Ein anderer gut erhaltener Tempel am Fluss heisst W a t P u t a i ;
gleich unterhalb desselben bogen die Boote in einen engeren Flussarm
ein und gelangten nach einer starken Stunde zu dem grossen
P h r a p r a n von W a t - p u - k a u - t o n , dem berühmtesten Wunderwerk
der alten Residenz. Auf 60 Fuss hohem Unterbau steht eine gegen
120 Fuss hohe Pyramide von reichem Profil mit spindelförmiger
vergoldeter Spitze; auf der Plateform des Unterbaues, zu der vier
Freitreppen hinansteigen, führt von jeder Seite ein räumiger Gang
in das Innere, wo unter hoher Wölbung ein colossaler vergoldeter
Budda sitzt. Der ganz aus Marmor gebaute und gut erhaltene
P h k a p r a n wurde 1387 gegründet und heisst gewöhnlich der
Goldberg.70)
Bald nach eins kehrten die Reisenden zu ihren Dampfern
zurück; Arrow lichtete um halb vier Uhr die Anker und holte
gegen sechs den Royal Seat e in * der vorausgefahren war. Viele
Boote mit Pilgern und Bonzen gingen stromaufwärts; auf einigen
waren auch Frauen und Kinder, anscheinend vornehmen Standes;
ihre Ruderer in bunte seidene Jacken gekleidet, vielfarbige Flaggen
und Wedel von Pfauenfedern gaben den Booten das festlichste
Aussehn. — Wir dampften im Mondschein bis gegen neun Uhr
stromabwärts und warfen dann Anker.
Am folgenden Morgen gingen die Schiffe, da die Ffuth entgegentrieb,
durch einen schmalen Nebenarm mit hübschen Ufern;
Tempel und Hütten lagen auch hier in dichten Wald gebettet und
gruppirten sich in endlosem Wechsel zu reizenden Bildern; hier
und da wurde ein Blick auf nasse grüne Flächen frei, wo Reiher
und Marabu-Störche wateten. Je näher der Hauptstadt, desto
dichter sind die Ufer bebaut ; Tausende von Booten liessen sich von
der Fluth stromaufwärts schieben, Gegen neun Uhr Morgens legten
die Dampfer bei dem Gesandtschaftshause an. Vor dem von einem
chinesischen Grosshändler bewohnten Nebenhause lag dessen
Dampfer T s a u - p h y a mit der Flagge auf Halbmast: er hatte von
S in g a p o r e die Trauerkunde vom Ableben Seiner königlichen Hoheit
des Prinzen Albert, des Gemahls Ihrer Majestät der Königin Victoria
gebracht.
Graf Eulenburg liess dem Prinzen K h r o m a - l u a n und dem
P h r a - k l a n seine Rückkehr melden, erfuhr aber von Ersterem, dass
zwar die Abschriften der Verträge fertig, der englische und der siamesi-
™) Pallegoix schätzt die ganze H ö h e , wohl zu s ta rk , au f 400 F u ss , .