
Eulenburg, der sie besonders lieb gewonnen hatte, einen rührenden
Brief über ihren kurzen Lebenslauf.
Leidenschaftlicher Jähzorn scheint nur allzuoft die besseren
Gefühle des Königs übermannt zu haben; die Frauen seines Harem
mussten vorzüglich darunter leiden. Ihre Zahl belief sich auf
mehrere Hunderte. Jede, auch die vornehmste Familie des Landes
und der abhängigen Nachbarstämme rechnet es sich zur höchsten
E h re , ihre Töchter in des Königs Harem aufgenommen zu sehen;
Maha.-monktjt hatte ausserdem Heiraths-Agenten in verschiedenen
Städten von China und Bengalen, die ihn reichlich versahen; sein
sehnlichster Wunsch war aber, eine Engländerin von guter Familie
zu besitzen; er soll dafür grosse Schätze geboten haben, erhielt
auch von seinen Agenten viele Photographieen und wurde um namhafte
Summen geprellt; die Originale trafen aber niemals ein. Dagegen
wünschten, nach Aeusserungen der englischen Gouvernante,
die ihre Briete und Photographieen sah , etwa zwanzig Französinnen
in das Harem einzutreten, wurden aber abgewiesen, da der König
gallosiamesische Erben fürchtete.
Das tägliche Leben der Harem - Damen und ihrer zahlreichen
Dienerinnen soll ganz vergnüglich sein; sie haben schöne Gärten, wo
sie mit ihren Kindern lustwandeln, Blumen pflücken, Kränze
winden, die Vögel in den Volieren füttern, musiciren, tanzen und
baden; sie lassen sich von Sclavinnen vorlesen, spielen Schach,
Trictrac, Würfel und Karten, oft, wie es scheint, um hohe Summen.
Die Kinder haben, wie bei uns, das mannigfaltigste Spielzeug, und
vollziehen z. B. an ihren Puppen mit grossem Ernst die Ceremonie
der Haarbeschneidung.
Der Fluch des Harem war des Königs despotische Laune,
vor deren vernichtendem Wink man beständig zitterte. Mrs. Leonowens
erlebte, dass er die Tochter eines peguanischen Fürsten
und andere Frauen aus geringem Anlass in Gegenwart ihrer Kinder
von den Amazonen peitschen, dann in finstere Kerker werfen liess.
Solche Wuthausbrüche wurden nicht etwa durch den Verdacht der
Untreue, sondern durch Vergehen wie hohes Spiel, oft auch durch
unschuldige Bitten hervorgerufen, die des Königs Laune verletzten. —
Unter sich und mit ihren älteren Aufseherinnen und Ehrendamen
sollen die Frauen in schwesterlicher Eintracht gelebt haben.
Nicht nur von den königlichen Frauen, sondern auch von
deren Dienerinnen wird die strengste Keuschheit verlangt; auf jeden
Fehltritt steht selbst bei letzteren der Tod. Sir Robert Schomburgk
äusserte sich einst bei einem Aufzuge gegen einen vornehmen
Siamesen beifällig über die Art, wie eine junge Hofdame zu Pferde
sass. Wenige Wochen darauf erhielt er eine Zuschrift von unbekannter
Hand: er möge beim König für jenes Mädchen interce-
diren, um ihr Leben zu retten. Sie h a tte , in eine Hofintrigue verwickelt,
wiederholt mit einem verheiratheten Manne geheime Besprechungen;
eines Tages wurde ein Zettel bei ih r gefunden, in
welchem Jener sie zu einer Zusammenkunft bestellte. Das zum
Tode verurtheilte Mädchen begnadigte der König zwar zu einer
Gefängnissstrafe; ihr Mitschuldiger aber und sogar dessen Frau
wurden enthauptet.
Der Beifall der Fremden war dem König Bedürfniss; er las
jede in Singapore erscheinende Zeitung, schrieb, wenn er darin getadelt
wurde, geharnischte Antworten und liess sie sofort im P a läste
drucken. Sein heissester Wunsch war Beherrschung des
Englischen; er lernte den ganzen Webster auswendig, ohne doch
den Geist der Sprache zu erfassen. Oftdiess er mitten in der Nacht
den englischen Cónsul oder einen der Missionare wecken und in
höchster Eile zu sich bescheiden, um über diesen und jenen englischen
Ausdruck zu fragen, welcher vorzuziehen wäre; entschied
sich der Gefragte für den einfacheren oder tadelte den geschraubten,
so entliess ihn der König mit verächtlichem Mitleid. Der Ruhm
der Gelehrsamkeit und geistigen Verfeinerung ging ihm über Alles ;
in seiner eigenen Sprache, dem Pali, Sanskrit und ihrer Literatur
soll er umfassende Kenntnisse gehabt haben; die englische Orthographie
asiatischer Namen reizte ihn zum höchsten Zorn. — In
anderen Disciplinen scheint er eine Art Vielwisser gewesen zu sein.
Früh um fünf Uhr pflegte der König aufzustehn und ein
leichtes Frühstück zu nehmen, das die Damen der Nachtwache ihm
auftrugen. Dann stieg er mit seinen Schwestern und älteren Kindern
in eine Halle h in ab , von wo ein langer mattenbelegter Gang
bis zu einem der Palastthore führte. Am Ende der Matte setzte
sich der König; zunächst zu seiner Linken sassen die älteren Kinder,
dann die Schwestern des Königs, die Frauen des Harem, deren
Hofdamen und Dienerinnen, jede mit einer silbernen Schüssel voll
gekochtem Reis, Früchten, Kuchen, auch frischen Betelblättern und
Cigarren vor sich. Nun öffnete sich das »Thor des Verdienstes«,
die Amazonengarde marschirte herein und bildete Spalier, durch