
hatte unter dem Baldachin einen reichen goldenen Schrein, in
welchen die goldene Schüssel mit dem königlichen Schreiben gesetzt
wurde; wohl achtzig Fuss lang, wurde es von vierzig Ruderern,
die je zwei neben einander sassen, mit kurzen Schaufelrudern
fortbewegt; die anderen hatten 'je zwanzig bis dreissig Ruderer.
Von weitem erschien der Aufzug prächtig, die passende Staff'üge
für die bunten Prachtgebäude an beiden Ufern; in der Nähe war
es schmutziger Theaterprunk, das vergoldete Schnitzwerk verstaubt
und abgestossen, die goldgestickten Vorhänge und die rothen Jacken
zerfetzt und verblichen. Beim Landen am Thor der Königsstadt
gab es zuerst ein wildes Durcheinander, dann ordnete sich der
Zug: voran eine siamesische Procession mit Musik und Fahnen,
das königliche Schreiben geleitend, das je tz t mit 21 Schüssen salu-
tirt wurde; dann das Musikcorps der Arkona, 40 Mann preussische
Seesoldaten, der Gesandte in hohem schwankendem Sessel auf
Schultern getragen, die Commandanten und Officiere der Kriegsschiffe
und die Begleiter des Gesandten theils auf ähnlichen .Tragstühlen,
auf denen sie rittlings sassen, theils auf kleinen struppigen
Pferden mit zerrissenem Sattelzeug. Anfangs drängte sich der
Zug durch dichte Volkshaufen; weiterhin bildeten die königlichen
Garden Spalier, die weder königlich noch kriegerisch aussahen:
bunte, ungleiche, keineswegs saubere Kleidung, angestrichene Blechhelme,
verrostete Spiesse, Hellebarden, Säbel, kein Stück gleich
dem anderen.
Am Palastthor, wo wir abstiegen, standen fünf Elephanten,
im inneren Hofe jene drei Compagnieen Leibgarde, die schon bei
der Privataudienz figurirten, auch königliche Streitrosse und eine
ganze Reihe Elephanten im Prachtgeschirr. In die Halle, wo der
Gesandte vor der Privataudienz wartete, hatte sich ein ziemlich
nacktes siamesisches Publicum gedrängt, machte jedoch Platz, als
ein Büttel aus seinem Ruthenbündel den derben Prügel zog und
tüchtig dreinschlug. Prinz K iirom a - l u a n und der P h r a - kxam be-
grüssten den Gesandten; ausser Cigarren wurde diesmal auch Betel
servirt. Nach einiger Zeit verkündete Musik, dass der König sich
nach der Audienzhalle begebe; gleich darauf wurde gemeldet, dass
er den Gesandten erwarte. Geführt vom P h r a - k x a n traten Graf
Eulenburg und seine Begleiter in einen zweiten, dann durch ein
Spalier holländisch uniformirter Soldaten und Musikanten in den
dritten Schlosshof, wo eine breite Freitreppe zur Audienzhalle,
einem länglichen Saale hinansteigt, dessen Eingang in der Mitte
einer langen Seite liegt. Den Boden deckt ein weicher Teppich,
zwei Säulenreihen laufen, schmale Nebenschiffe abtheilend, die langen
Wände entlang. Die Säulen sind aus kostbaren Hölzern und
tragen viele Wandleuchten; an der getäfelten Decke hängen zwanzig
Kronen und etwa achtzig Lampen; rings an den Wänden stehen
seidene Baldachine. Licht fällt durch eine doppelte Fensterreihe
in das weite Gemach, dessen aTchitectonische Gliederung angenehm,
dessen Schmuck prächtig .ohne Ueberladung, farbenreich aber harmonisch
ist. Dem Eingang gegenüber liegen drei in Spitzbogen
auslaufende von der Rückseite zugängliche Nischen; in der mittelsten
steht, zwischen den mehrstöckigen nach oben verjüngten Schirmen,
den Insignien der höchsten 'Würde, golden wie die umgebende
Architectur, auf einer Platefonn der altarähnliche Thron, auf welchem
der goldene König sass.
Wir glaubten einen Goldgötzen zu sehen, ein Buddabild, wie
sie in den Tempeln sitzen. Rechts und links lagen am Fuss des
Thrones, durch Geländer halb v ersteckt, einige Frauen, Kinder
und Waffenträger des Königs in malerischer Gruppirung, unten im
Saale die Prinzen und Grossen, die vornehmsten Siamesen, Chinesen,
P arsen, Hindu,Birmanen, Peguaner, Malayen, Laos,Kambodjer
und Cochinchinesen , die königlichen Prinzen auf seidene Kissen gestützt,
alle anderen auf dem Teppich hingestreckt, mit Kopf und
Händen am Boden, das Gesicht etwas seitwärts, zum Throne aufblickend.
Der Fussboden war dicht bedeckt mit diesen in die prächtigsten
Stoffe gehüllten Gestalten; nur in der Mitte, dem Thron gegenüb
e r, lagen Polster für den Gesandten und seine Begleiter; denn
Stehen in Gegenwart des Königs ist in S ia m Majestätsverbrechen;
alle Unterthanen, selbst die tributpflichtigen Fürsten, müssen sich
niederwerfen und auf allen Vieren kriechen; davon ist .nur der Zweite
König, aber keiner der Prinzen, Minister und Grossen befreit.
Nach einer Verbeugung, die der König erwiederte, setzten
wir uns auf die Kissen; Legationssecretär Pieschel stellte die Goldschale
mit dem königlichen Schreiben auf einen vor dem Thron
stehenden Tisch; an diesen herantretend verlas der Gesandte in
englischer Sprache folgende Anrede:
»Königliche Majestät!
Mir wurde die hohe Ehre zu T h e i l,v o n Seiner Ma je stä t' dem
'Könige von Preu ssen , meinem allergnädigsten H e rrn , auserwählt