
bei den Erklärungen ihres Schreibens vom 30. Mai bleiben müssten:
nur Handelsbestimmungen könnten verabredet werden; der chinesische
Text müsse gelten. Nicht China, sondern Preussen suche
den Vertrag und könne nicht verlangen, dass man sich' an ein Do-
cument binde, dessen Sinn man nicht kenne. — Da der Gesandte
nicht sogleieh antwortete, so verarbeiteten sie dasselbe Thema in
einem neuen Schreiben am 7., dann abermals am 10. Ju n i: sein Schw.ei-
gen sei unerklärlich; die Verhandlungen möchten beginnen, sonst
trage Graf Eulenburg die Sphuld am Scheitern seiner Wünsche.
Der Gesandte wollte jedoch den Bescheid aus P e - k in abwarten.
Ein Schreiben des Herrn Bruce sagte ihm, dass der Kaiser allem
Anschein nach seine Empfindlichkeit über die Anwesenheit fremder
Gesandten in P e - k in keineswegs verwunden habe, dass die Unsicherheit
darüber alle Bewegungen der Diplomaten hemme. — Graf
Eulenburg durfte vermuthen, dass zwischen P e - k in und D z b h o l
Verhandlungen schwebten, dass Prinz K u n seinen Anträgen im
Grunde nicht- abgeneigt sei. Leicht konnte sein Erscheinen in
P e - k in den Kaiser irritiren, der nach den letzten Nachrichten bedenklich
erkrankt war. Man vermuthete, dass Seinem Oheim
H u - w a e , — der Ende Mai von D z e h o l nach P e - k in kam, — und
dem Prinzen von K u n die Regentschaft für den minderjährigen
Thronerben zufallen würde, eine Eventualität, die dem Abschluss
unseres Vertrages günstig gewesen wäre. — Ueber die Stellung der
Gesandten von England und Frankreich erhielt Graf Eulenburg
einigen Aufschluss durch den Secretär des General-Gouverneurs
von Ost-Sibirien, Herrn von Bützow, der auf einer Urlaubsreise
nach P e - k in kam und einen Abstecher nach T i e n - t s in machte.
Aeusserungen desselben, welche seine Vermuthungen bestärkten,
uüd das lange Ausbleiben der Antwort des Grafen Kleczkowski
brachten den Gedanken, bald nach P e - k in aufzubrechen, zu
grösserer Reife, während doch auch viele Gründe dagegen
sprachen. Es war ein Zustand der peinlichsten' Unklarheit, verschlimmert
durch die Qualen des" Klimas und gezwungene Un-
thätigkeit.
Am 11. Juni antwortete endlich Graf Eulenburg den Com-
missaren, dass er auf dem Rechte der Gesandtschaft fest bestehe,
auch wenn diese Forderung zu Abbruch der Verhandlungen führen
sollte. Nach einigen Tagen kam ein Schreiben in vorwurfsvollem
Ton: England, Frankreich und America ständen seit zwanzig
Jahren in Vertragsbeziehungen zu China, die Freundschaft mit
Russland dauere schon zweihundert Jah re, und je tz t erst sei ihnen
das. Recht der Gesandtschaft in P e - k in gewährt worden. Nun
komme Preussen und verlange dasselbe sofort. Die Commissare
hätten die Vollmachten des Gesandten nochmals geprüft und nichts
darin gefunden, was ihn zu jener Forderung berechtige; allein vom
Abschluss eines Freundschafts- und Handelsvertrages sei die Rede.
Ä | I n diesem Schreiben brauchten die Commissare auffallender
Weise wieder das Zeichen für »Freundschaftsvertrag«, das in den
früheren sorgfältig vermieden w a r; nur'von »Handelsbestimmungen«
sprachen sie dort. Da sie um eine Unterredung baten, so empfing
Graf Eulenburg sie am 16. Juni zum Frühstück. Nachdem beide
Theile ih r Bedauern über die lange Unterbrechung des persönlichen
Verkehrs geäussert, kam der Vertrag zur Sprache. Der Gesandte
erklärte wieder, dass er nur auf Grundlage des Gesandtschaftsrechtes
unterhandeln werde, fügte jedoch hinzu, dass auf Gewährung
desselben nicht nothwendig die Absendung eines preussischen Vertreters
an den Hof von P e - k in sofort erfolgen müsse. T s u n - l u e n
hielt darauf lange Reden, deren Gedankengang ebenso naiv als
unlogisch war: man habe von Preussens Existenz gar nichts gewusst;
da aber die Gesandten in P e - k in versicherten, es sei eine
bedeutende Macht,- so habe der Kaiser b e fo h len ,. einen Handelsvertrag
mit ihm zu schliessen u. s. w .; die Commissare wollten
nicht sämmtliche ihnen vorgelegte Artikel verwerfen, sondern nur
einige Aenderungen treffen. Graf Eulenburg erwiederte, dass der
Vertrag gewiss ein Werk gegenseitiger Uebereinkunft sein müsse;
ohne Einigung über die wesentlichen Grundlagen könnten aber die
Berathungen zu keinem Ziele führen. — T su n - i .u e n ba t, die Forderung
des Gesandtschaftsrechtes fallen zu lassen, dann werde man
in wenig Tagen im Reinen sein. E r tischte die alten Argumente
auf und fügte ganz offen hinzu, England und Frankreich hätten
jenes Zugeständniss nur durch Kriege erzwungen. Nach einigem
Hin- und Herreden entwand ihm Graf Eulenburg die Aeusserung,
dass Preussen mit der Zeit das Gesandtschaftsrecht gewiss erlangen
werde, ja, dass es vielleicht je tz t schon zu gewähren sei, wenn
die Ausübung auf einige Zeit verschoben würde. Dann kamen wieder
Bedenken, dass viele andere Staaten dasselbe verlangen möchten.
Der Gesandte verwies auf Preussens Stellung als Grossmacht und
hatte manche naive Frage über die Zahl, Natur und Bedeutung der