
38 Bedingungen der Chinesen. XY.
Frankreich vereint darauf beständen, so wäre das Recht der Vertretung
für Preussen gewiss zu erlangen; das würde aber den
Sturz des Prinzen von Ki;S bewirken, dessen Folgen sich nicht ab-
sehen Hessen; deshalb dürften sie solche Pression nicht üben,
ohne welche Preussen das Gesandtschaftsrecht unmöglich erlangen
könne. In einigen Monaten hoffe man den Kaiser zur Rückkehr zu
vermögen; dann würde ein politischer Vertrag vielleicht durchzusetzen
sein. Graf Eulenburg erklärte dagegen, dass er ungesäumt
auf sein Ziel losgehen müsse, und sprach die Hoffnung aus, dass
die französische Gesandtschaft ihm wenigstens nicht entgegentreten
werde.
Am 16. Mai schickten die Commissare ein langes Schreiben,
welches zunächst die schwierige Stellung des Prinzen zu den
preussischen Anträgen b e sp ra ch : der Gesandte trete im Namen
vieler Staaten auf; 'andere kleinere Reiche würden gleiche Forderungen
stellen; dieses Bedenken sei nur durch den Bericht über
Graf Eulenburg’s Persönlichkeit und die Erklärung der anderen
Gesandten überwunden worden, dass Preussen eine Grossmacht sei.
Die grosse Tsns-Dynastie könne aber keinen politischen, sondern
nur einen Handelsvertrag mit ihm abschliessen, dessen Grundlagen
in sieben weitschweifigen Artikeln folgenden Inlialts formu-
lirt waren.
Preussen verzichtet auf das Recht, einen diplomatischen Vertreter
nach P e -k iñ z u schicken.
Alle contrahirenden deutschen Staaten werden in Handels-
angelegenheiten nur von den preussischen Consuln vertreten; diese
stehen unter einem General-Consul, welcher mit einem chinesischen
Regierungs - Commissar verhandelt und in wichtigen Fällen durch
diesen an das Ministerium des Auswärtigen in P e - k iñ berichtet.
Nur unbescholtene Beamten, nicht Kaufleute, werden zu Consuln
ernannt, da chinesische Beamte nur solche als gleichberechtigt
ansehen und mit Achtung behandeln können.
Nicht der deutsche, sondern der chinesische Text des Vertrages
is t maassgebend.
Die .Clausel der »meistbegünstigten Nation« bezieht sich nur
auf commercielle, nicht auf politische Vortheile, welche China anderen
Völkern gewähren wird.
Graf Eulenburg antwortete umgehend, dass vor Allem die
Commissare mit Vollmachten versehen sein müssten; die chinesische
XV. Schriftwechsel. 39
Regierung dürfe Preussen ferner nicht von vorn herein Alles versagen,
was sie anderen Völkern zugestanden habe. E r könne keine
ihrer Bedingungen annehmen und mache als Vertreter einer Grossmacht
auf dieselben politischen Rechte Anspruch, welche anderen
Mächten gewährt seien; verweigere die kaiserliche Regierung .die
Ausstellung von Vollmachten und beginne sie mit Aufzählung der
Puncte, die sie nicht gewähren wolle, so zeige sie dadurch, dass
sie mit Preussen und Deutschland überhaupt nicht in freundschaftliche
Beziehungen zu treten wünsche.
Eine Note des Prinzen vom 18. Mai erklärte gleichfalls, dass
nur ein Handelsvertrag abgeschlossen werden könne; die Commissare
seien durch kaiserlichen Befehl zu den Verhandlungen beauftragt;
T s u ñ - l u e k habe als Mitglied des Auswärtigen Amtes hinreichende
Vollmacht, T s ü ñ - h a u sei ausdrücklich dazu ermächtigt.
Was,sie billig gewähren könnten, werde die Regierung annehmen;
was darüber hinausgehe, könne weder er selbst genehmigen, noch
dem Kaiser vortragen. — Die hier zuerst auftauchende Erklärung
des Prinzen von K tjñ , dass nur ein Handelsvertrag geschlossen
werden könne, widersprach gradezu seinen früheren Noten, in
welchen die Anträge des Gesandten auf Abschluss eines »Freundschafts
und Handels-«, also eines politischen Vertrages, ohne Einspruch
hingenommen, und Unterhandlungen auf dieser Basis ver-
heissen wurden. Ebenso hatte T s u ñ - l u e n bei seinem ersten Besuch
aus freien Stücken erklärt, dass China keinen Grund habe,
Preussen und Deutschland die anderen Staaten gewährten Rechte
zu versagen. Jetzt sprachen sie anders. Das Zusammentreffen jener
Schreiben mit den Aeusserungen des Herrn Bruce und des Grafen
Kleczkowski erweckte den unwillkürlichen Gedanken, dass fremder
Einfluss den Umschlag bewirkt habe. Graf Eulenburg
richtete am 23. Mai abermals eine Note an den Prinzen von
K u ñ , in welcher e r sich gegen den Abschluss eines blossen Handelsvertrages
verwahrt, und, durch undeutliche Uehersetzung der
letzten Note des Prinzen irre geleitet, noch einmal jede Verhandlung
mit Commissaren ablehnt, die nicht mit Special-Vollmachten
versehen seien. Der G.esandte bespricht in dieser Note eingehend
Preussens europäische Stellung, und die Unmöglichkeit, hinter anderen
Grossmächten zurückzustehen. E r betont, dass er die Beilegung
des Zwistes mit. den Westmächten abgewartet habe, je tz t
aber nicht einsehe, warum China nicht in Vertragsbeziehungen