
E rst verfolgten wir die gepflasterte Hauptstrasse und erreichten
nach halbstündigem Ritt die Brücke von P a - l i k - a o , nach
welcher die Schlacht vom 21. September 1860 benannt wurde, ein
stattliches Bauwerk von weissem Marmor. Die Truppen der Alliir-
ten müssen hier arg gehaust haben: ein armer Landmann erzählte
Herrn de Meritens, französische Soldaten hätten seine ganze Familie
umg eb rach t.l^ä Wir holten bei der Brücke T su n - l u e n ein,
der kurz vor dem Gesandten in T u n - t s a i j eintraf und die Reise
bis zum Thor der Hauptstadt in seiner Sänfte fortsetzte, dann aber
einen Karren besteigen wollte; denn nur Petsonen aus der kaiserlichen
Familie dürften sich in P e - k in der Sänften bedienen.
Herr de Meritens führte den Gesandten zu einem abseits der Strasse
gelegenen Familiengrab: eine Brücke von weissem Marmor, die,
wohl symbolisch, bei solchen Anlagen auch wo der Boden ganz
trocken ist niemals fehlt, bildet den Zugang; dann folgen zu beiden
Seiten in regelmässigen Abständen von etwa fünfzehn Fuss zuerst
mehrere Säulen, dann riesige Schildkröten mit Löwenköpfen, auf
dem Rücken verzierte Pfeiler mit Inschriften tragend, dann ein
schönes Portal, das Alles aus weissem Marmor. Bäume stehen auf
beiden Seiten dieses Ganges, der zu einem von dichten Wipfeln
beschatteten Rasenplatz führt. Jenseit mündet das Thor des
mauerumschlossenen Hofes, wo unter dunkelen Kiefern fünf backofenartige
roth gestrichene Gfäber schmucklos auf grünem Moosteppich
ruhen. Das Ganze ist gut gehalten, der Eindruck ernst und feierlich,
nicht trübe. Aehnliche Familiengräber, bei denen oft Widder-,
Pferde-, Löwen- und Menschenbilder den Zugang bewachen, giebt
es bei P e - k in viele. .
Bei der Brücke von P a - l i k - a o verliessen wir die grosse
Strasse und folgten auf Feldwegen dem Südufer des Canales, der
von P e - k in her starkes Gefälle hat;- mehrere Schleusen auf dieser
Strecke waren beim Anmarsch des Barbarenheeres 1860 vermauert
worden, so dass Boote in kurzen Zwischenräumen umgeladen werden
mussten. Dörfer und Tempel säumen die gartenartig angebauten
buschigen Ufer. Ein thurmartiger Thorbau tauchte schon auf weite
Entfernung vor uns auf; gegen zwölf ritten wir durch das nordöstliche
Eckthor der Chinesenstadt ein, dann innerhalb unter der
Südmauer der Tartarenstadt hin bis zu deren östlichem Thore
H a i a - m e n , in welches wir einbogen. Gleich links von der dort
mündenden Hauptstrasse liegt an einer Nebengasse der französische
Y amum T s i n - k u n - f u , w o der Gesandte, die Attaches Graf Eulen-
burg, von Brandt und der Maler Berg abstiegen, während der
Attache von Bunsen und Dr. Lucius in der wenige hundert Schritt
weiter in derselben Strasse gelegenen russischen Gesandtschaft
gastli'che Aufnahme fanden. Der Weg dahin fü h rt über den Komi
canai, der mit dem unter der Südmauer der Tartarenstadt hinlaufenden
Graben und durch diesen mit dem nach T u n - t s a u führenden Canal
verbunden, aber ohne Wasser ist. Eine Strecke weiter nördlich
liegt am Korncanal die englische Legation, fast in gleicher Entfernung
von der französischen und der russischen.
Die Hauptgebäude der französischen Legation, welche die
Wohnräume des Gesandten und einige Fremdenzimmer enthielten;
umgeben zwei grosse durch einen Querbau getrennte Höfe. Die
Secretäre und Dolmetscher wohnten in abgesonderten Häuschen
und Pavillons, die in dem weiten Garten zerstreut liegen. Herr
und Frau von Bourboulon hatten sich ganz europäisch eingerichtet’;
im Salon erinnerten nur einige seltene Erzeugnisse des Kunstfleisses
an China; die zwanglose anregende Geselligkeit verwischte besonders
Abends den Eindruck der Fremde. Am Tage unserer Ankunft
kamen Herr Bruce, Herr Wade, und ein der englischen Gesandtschaft
attachirter geistvoller Arzt, Dr. Rennie, zum späten Mittagsmahl
; zum Thee erschienen auch der russische Minister - Resident,
Herr von Balluzek und seine Gemahlin ; so verfloss schon der erste
Abend im unbefangenen, belebenden Austausch der Gedanken,
welcher, die beste Würze des civilisirten Lebens, in der Fremde so
schwer entbehrt wird. Frau von Bourboulon, eine Schottin aus
dem Hochland, hatte lange in Nordamerica, Mexico und Spanien
gelebt; sie verband seltene gesellige Begabung mit musikalischem
Talent. Oberst von Balluzek und seine Gattin liebten deutsche
Musik, und übten sie mit Geschmack und Fertigkeit. Herr Bruce,
Herr Wade und andere Mitglieder der englischen Gesandtschaft
hatten in China ereignissreiche Jahre verlebt ; so sprudelten ringsum
ergiebige Quellen der Unterhaltung.
Morgens um sechs waren wir meist im Sattel und machten,
geführt von Herrn und Frau von Bourboulon, Ausflüge durch die
ungeheure Stadt oder ihre nächste Umgebung, denen sich Mitglieder
der anderen Gesandtschaften anzuschliessen pflegten. Gegen zehn
kehrte man hungrig zurück; nach dem gemeinsamen Frühstück ging