
köstliche Weintrauben4) vom letzten Jahre, die, in Eishäusern auf-
bewahrt, bis zum Herbst so fest und saftig wie friscbgeschnittene
bleiben. Das Eis wird im Winter systematisch in viereckige Blöcke
geschnitten und in steilwandigen Gruben aufgeschichtet, die etwa
hundert Fuss lang, fünfzig breit und zwanzig Fuss tief sind. Die
Früchte, — Aepfel, Birnen und Weintrauben, — packt man in
Eimer und ausgeliöhlte Kürbisse, setzt sie in diese Gruben und
füllt auch die Zwischenräume mit Eis. Ein Mattendach mit einer
dichten Erdschicht darauf bedeckt das Ganze. Der Vorrath ist
unerschöpflich: selbst auf dem Markt liegt jed e r Fisch und jedes
Stück Fleisch auf Eis; jed e Fischerdschunke geht eisbeladen in
See und bringt ihren Fang eingefroren nach T i e n - t s i n ; so gross
ist der Vorrath.
Wein und Bier brachten wir mit; Sodawasser bereitete ein
Engländer zu massigem Preise; man trank es eimerweise, denn der
Durst war kaum zu löschen und das Wasser ungesund. Das Brunnenwasser
des salpeterhaltigen Bodens kann Niemand trinken; so
ist denn T i e n - t s in auf den Lehmbrei des P e i-h o und des Canales
angewiesen, welche allen Unrath der Stadt aufnehmen; auch faulende
Thierleichen und anderes Unsägliche schwimmen darin herum.
Nicht einmal kann das Wasser in ruhigem Fluss seine dicken Bes
ta n d te ile ablagern, denn die Fluth staut es jeden Tag mehrere
Stunden zu Berg, und bei Ebbe strömt es gewaltsam durch die lehmigen
Ufer. Man klärt es- gewöhnlich durch Umrühren mit einem
Rohr, dessen durchbrochenes Ende mit Alaun gefüllt is t, oder
wirft eine Flandvoll davon in die grossen Wasserkrüge. Dadurch
werden aber die organischen Stoffe nicht zerstört. Vielfache unter der
Garnison grassirende Uebel, auch den Bandwurm, für den sich
kaum hinreichende Mengen des specifischen Mittels herbeischaffen
liessen, glaubten die Aerzte auf das Wasser schieben zu müssen.
Der Chinese trinkt instinctiv seinen Thee und bleibt gesund, da
Sieden des Wassers alle organischen Stoffe zerstört, während das
bei den Engländern so beliebte Versetzen mit Branntwein keinen
Schutz gewähren soll.
Unser erstes Bedürfniss in T i e n - t s in waren Pferde; die
weite Ebene lockte zu Ausflügen, und in der Stadt watete man bei
4) Diqse Trauben reifen in’ unmittelbai'er Nähe von Tien- tsin; damit die
Weinstöcke den langen harten Winter überdauern, legt man sie im Herbst an den
Boden und bedeckt sie mehrere Fuss hoch mit Erde.
Regenwetter bis über die Knie im Schmutz. Dem Gesandten stellte
der Höchstcommandirende der englischen Garnison, General Sta-
v e ley , ein Pferd arabischer Race aus dem indischen Regimente
»Fane’s horse« zur Verfügung; seine Begleiter kauften tartarische
Ponys, theils von Officieren, welche sie im Kriege erbeutefen,
theils von chinesischen Händlern. Nützlichere Pferde mag es kaum
geben: der Bau kräftig und edel, vom schönsten Ebenmaass der
Glieder; der Huf unverwüstlich auf härtestem Boden; nur kranke
werden vorn beschlagen. Bei der kärglichsten Nahrung bleiben
diese Thiere frisch und brauchbar; sie traben zwar sch lech t, gehen
aber Schritt und Galopp eben so ausgiebig als unverwüstlich. — Für
guté Pflege sorgten chinesische Stallknechte unter Leitung eines
englischen Trainsoldaten, den unsere gütigen Nachbarn vom Hauptquartier
des »Commissariat department« dem Gesandten zuwiesen.
Diese Herren leisteten uns durch ihre im Laufe des Winters gesammelte
Erfahrung und Kenntniss der Hülfsmittel die wesentlichsten
Dienste und halfen über alle Schwierigkeiten des materiellen Lebens
hinweg; nur der freundschaftliche Verkehr mit ihnen und anderen
Officieren der englischen Garnison machte uns den Aufenthalt
in T i e n - t s in erträglich, der doch Allen ein gelindes Fegefeuer
schien.
An englischen Truppen standen im Sommer 1860 noch gegen
3800 Mann in T i e n - t s i n , ' nämlich das 2. Bataillon des 60. Regiments
(Riffe brigade), Abtheilungen des 31. und des 67. Infanterie-Regiments,
das Reiter-Regiment »Fane’s horse«, zwei Batterieen, eine
Compagnie Ingenieure und eine Abtheilung Train. Sie waren ausschliesslich
in der Stadt und den Vorstädten des rechten Flussufers
einquartiert, während die französische Garnison, ein Bataillon
Infanterie, zwei Batterieen, eine Compagnie Genietruppen und einige
Gensdarmen das andere Ufer bewohnten. Mit dem französischen
General O’Malley tra t der Gesandte in keine Verbindung; dagegen
besuchten General Staveley und die Herren seines Stabes, so wie
die Commandeure und viele Officiere aller englischen Truppentheile
ihn gleich nach seiner Ankunft. Mit ihnen entspann sich, wie gesagt,
ein reger geselliger Verkehr,, und kaum verging ein Tag , an
welchem nicht englische Officiere bei dem Gesandten, oder Mitglieder
der Gesandtschaft in einer der Officiersmessen gespeist h ä tten.
Auch an ihrem Sport und anderen Vergnügungen, mit denen sie
tapfer den Missmuth bekämpften, nahmen wir thätigen Antheil.
rv. a